Hans-Jürgen Hennig

Zwei gegen Ragnarøk


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Fischfang. Selbst Sölvi, der sonst immer sehr blass war, hatte gerötete Wangen und war stolz auf seine Arbeit und auf den riesigen Leng17, den er ganz alleine aus dem Wasser gezogen hatte. Die vier beeilten sich und liefen schon vor den anderen Männern nach Hause, weil diese noch den Fang in große Körbe aufteilen wollten. Die Jungen hatten zwar Regenkleidung aus geöltem Ziegenleder an und die Kapuzen weit über den Kopf gezogen, so das man ihre Gesichter kaum sehen konnte, aber ihnen war so kalt, dass sie nur schnell ins Warme wollten.

      Da blieb Falki plötzlich vor seinen Freunden stehen und breitete die Arme aus und rief: „Halt!“ Falki hatte von allen Jungen die feinste Nase. Er schnüffelte geräuschvoll in der Luft herum und meinte dann: „Riecht ihr das nicht? Das riecht ja wie eine blühende Sommerwiese.“

      Da schnüffelten auch die anderen Jungen und bemerkten endlich den für diese Jahreszeit ungewöhnlichen Duft, der ihnen entgegen wehte.

      Falki zog die Augenbrauen hoch. „Das kommt vom Langhaus. Was machen die den da? Los Leute, hin, da gibt’s was Besonderes!“ – und er lief auch schon los, die anderen Jungen hinterher.

      Dort angekommen, hörten sie schon von draußen, dass drinnen etwas Unübliches im Gange war. Sie blieben am Eingang stehen und spähten durch die Türritze. Was sie sahen, ließ die Jungen über beide Ohren grinsen.

      Arnor maulte: „Ich hau ab, ich will nach Hause, ins Warme. Mir ist so kalt.“

      Sölvi hing noch immer mit seinen Augen am Türschlitz, dann drehte er sich zu Arnor um und sagte mit seinem schelmischen Grinsen: „He, Arnor, da drinnen ist es bestimmt wärmer als bei dir zu Hause und etwas warmes Wasser würde dir auch gut tun. Hmm, uns allen würde das gut tun, merkt ihr nicht, wie wir stinken?“

      „Stimmt sagte Falki, ihr stinkt alle wie tote Makrelen, die drei Tage in einer Ecke lagen.“

      „Falki, du hast wirklich Recht“, stimmte Alfger zu und klopfte ihm auf die Schulter.

      „Ich habe für uns beschlossen, dass wir nicht mehr stinken sollten. Los Jungs, rein hier, haha, das wird ein Spaß“, und im selben Moment riss er auch schon die Tür auf und stürmte in die dampfende Badeszene.

      Da standen nun vier durchgefrorene und nach Fisch stinkende Jungen vor den drei großen Badezubern und machten runde Augen. Die badenden Frauen waren überrascht und machten nicht weniger große Augen.

      Die kleine Hilda reagierte als Erste und rief: „Falki, komm her. Oh, das ist so schön. Komm auch baden!“

      Fifilla, die den Jungen am nächsten stand und schon in ein dickes Tuch gewickelt war rief mit gespielter, ernster Stimme: „Macht wenigstens die Tür richtig zu, damit die Wärme nicht verfliegt und dann rein mit euch ins warme Wasser. Ihr stinkt ja wie eine Ladung verdorbener Fische!“

      So war die Situation schnell entspannt und die Frauen machten einen Bottich für die vier Jungen frei. Gerda sorgte noch mal für Nachschub an warmem Wasser und begann dabei ein Lied zu summen. Gerdas Lied glättete auch die letzten Unmutsfalten auf den Gesichtern einiger Frauen, die durch den Überfall der Jungen etwas erschrocken waren. Nach und nach stimmten immer mehr Frauen in den Gesang ein und jeder wusste, dass dieser Tag ihnen lange im Gedächtnis bleiben würde.

      Falki saß mit seinen Freunden im warmen Wasser und Arnor meinte: „Wenn das nach dem Fischen immer so enden würde, möchte ich lieber Fischer werden, als in der Schmiede ständig Eisen zu verprügeln.“

      Nachdem sich die größten Wogen der Freude gelegt hatten, begann Hilda den Jungen zu erzählen, was ihr heute passiert war und dass darum überraschend Badetag war. Als die Jungen in ihrem Trog auch anfingen zu lachen, klatschte Hilda mit der Hand aufs Wasser.

      „Ihr Blödköppe, lacht ihr mich jetzt auch aus? Hört mal, da oben auf dem Baum bin ich eingeschlafen. Ist das nicht merkwürdig?“

      Alfger lachte erneut und spöttelte: „Arme kleine Hilda, bist so müde, dass du auf einem Baum einschläfst.“

      Hilda schaute erst etwas böse, dann sagte sie: „Das war ja nicht alles, da waren noch so uralte Frauen, drei Stück.“

      Nun lachte Falki: „Hihi, drei alter Frauen auf der Eiche? Wie sind die denn da hochgekommen, mit ‘ner Leiter?“

      Hilda stieß Falki derb an. „Manno, es war doch ein Traum, aber irgendwie doof. Die saßen da, in ihren schwarzen Kleidern, auf den Ästen und haben einen komischen Spruch gesagt und die haben auch vorhergesagt, dass ich runterfallen würde.“

      Als Hilda abends mit ihren Eltern und Falki beim Essen saß, ging die Tür auf und Alvitur kam herein.

      Ernir bot Alvitur einen Platz an und fragte: „Hast du nicht genügend Fisch vom heutigen Fang bekommen, oder was verschafft uns die Ehre deines Besuchs?“

      „Ernir, hab Dank. Ich hab genug Fisch, aber wenn ich von dem dort etwas kosten darf, würde ich mich freuen“ – und dabei zeigte er auf ein besonders knusprig aussehenden Fisch.

      Ernir nickte. „Greif zu, wir haben heute genug.“

      Alvitur ließ sich den Fisch sichtlich schmecken, dann schaute er mit etwas ernstem Gesicht in die Runde und sein Blick blieb auf der kleinen Hilda haften.

      „Sag mal Mädchen, kannst du mir deinen Traum auf der Eiche noch einmal schildern? Sölvi hat mir davon erzählt. Das ist ja wirklich komisch, auf einem Baum einzuschlafen. Stimmts?“

      Hilda machte nun ein Gesicht, wie ein Kind, das bei etwas Unrechtem ertappt wurde.

      „Na ja, aber ich hab doch nichts Schlimmes gemacht. Ganz plötzlich war ich müde und ich habe ja auch nicht lange geschlafen, nur ganz kurz.“

      „Nein“, sagte Alvitur beschwichtigend, „du hast nichts unrechtes getan. Ich frage dich nur, weil mich dieser Traum interessiert und mich die drei alten Frauen sehr an die Nornen erinnern. Die kennst du doch?“

      Hilda riss die Augen auf und Falki rief wie ein Echo: „Die Nornen?“

      Hilda nickte. „Ja, du hast ja Geschichten erzählt, wo die Nornen drin vorkommen. Sehen die so aus? Ich hab die ja noch nie gesehen.“

      Alvitur griff über den Tisch und legte seine Hand auf Hildas Hand. „Wenn sie dir etwas gesagt haben, versuche dich mal zu erinnern, was es war. Ich würde es gerne hören.“

      Hilda guckte unsicher in der Runde herum und als ihre Mutter aufmunternd nickte, wiederholte sie die Worte aus dem Gedächtnis:

       Vom Baum wirst du fallen,

       verspottet von allen.

       Nimm hin deinen Schmerz

       er stärket dein Herz.

      Alvitur überlegte ein Weilchen, dann schüttelte er llächelnd den Kopf und sagte: „Ich weiß nicht warum, aber ich glaube, dass sie sich dir einfach nur zeigen wollten. Das war keine bedeutende Weissagung und na ja, etwas gestärkt bis du ja nun. Jedenfalls siehst du nicht mehr wie ein trauriges Mädchen aus, das von Baum gefallen ist. Ich glaube, du kannst diesen Traum ruhig vergessen. Er hat keine weitere Bedeutung für dich.“

       STRUMPFHILDA

      Hilda war dabei, ihre Zöpfe zu flechten. Sie reckte dabei ihr Gesicht der wärmenden Sonne entgegen und summte vor sich hin. Zöpfe flechten fand sie zwar langweilig, aber dabei konnte sie wunderbar den Frühling genießen. So gut, wie jetzt, hatte sie sich schon lange nicht mehr gefühlt. Sie spürte die Sonne auf der Haut und der Duft von frischem Grün machte, dass es ihr in Händen und Füßen kribbelte. Von ihrem erhöhten Sitz aus sah sie, dass es den anderen Menschen im Dorf wohl ähnlich ging; ihre Gesichter wirkten fröhlicher, als in dem ewigen Dämmerlicht des Langhauses. Hilda sprang vom Zaun und im Nu hatte sie sich zwei Hände voll Blumen von der Wiese gepflückt, Löwenzahnblüten und Gänseblümchen. Die Gänseblümchen mochte sie besonders, weil man sie auch essen konnte und außerdem sagte man auch, dass es die Blumen