John M Littlejohn

Osteopathie erklärt (1900)


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bald die Leitung des Amity College in College Springs, Iowa. Seine Beschwerden besserten sich allerdings nicht, und so kam es 1895 in Kirksville zur schicksalhaften Begegnung mit Dr. Still. Bereits wenige Behandlungen führten zur deutlichen Linderung. Da Still dringend qualifizierte Lehrer an seiner 1892 gegründeten American School of Osteopathy benötigte, bot er Littlejohn einen Posten in seiner Fakultät an. Tief beeindruckt von Stills Naturkonzept der Osteopathie willigte er ein, begann 1898 seine Arbeit, schrieb sich im gleichen Jahr später als Student ein und wurde bereits 1899 zum Präsident der Schule gewählt.

      Innerhalb der Fakultät gab es jedoch schon bald einen tiefen Konflikt: Stills Anhängern galt der anatomische Zugang zur Osteopathie als heilig (lesionists). Littlejohn und seinen Brüdern schien dies zu einfach; sie betrachteten die komplexere Physiologie als Kern der Osteopathie und befürworteten auch Therapien, die den osteopathsichen Prinzipien und den Prinzipien der Natur entsprachen (broadists). Aber es ging auch um einen zeitlosen Konflikt: Die analytisch orientierten Akademiker in der Fakultät standen den der Intuition vertrauenden Nichtakademikern gegenüber. Nach massiven Intrigen entschlossen sich die Littlejohn-Brüder schließlich, Kirksville bereits 1900 wieder zu verlassen, um in Chicago das Chicago College (School) of Osteopathy zu gründen. Die Einrichtung entwickelte sich rasch zum Wissenschaftszentrum der Osteopathie.

      Man vermutet, dass der inzwischen verheiratete Littlejohn mit seinem feinen Gespür für politische Entwicklungen die verheerenden Folgen des von der American Medical Association initiierten Flexner-Reports zur Eradikation der immer stärker werdenden Osteopathie, Chiropraktik und Homöopathie voraussah und daher möglicherweise sein weiteres Glück in England vorzog. Auch der schwindende Einfluss in seiner eigenen Schule mag dazu beigetragen haben.

      1913 zog die inzwischen achtköpfige Familie Littlejohn nach Bagger Hall nahe London, und John Martin begann noch während der Kriegsjahre mit Krankenhausarbeit und ›Unterweisungen‹. 1917 gründete er die British School of Osteopathy (BSO) in London, und mit dem Journal of Osteopathy legte er endgültig das Fundament der Osteopathie in Europa. Aber auch in England hatte er sich schon bald den Angriffen der British Osteopathic Association und der British Medical Association zu erwehren. Ähnlich den Folgen des Flexner-Reports führte eine Kampagne der BMA 1935 zum ›Paliamentary Bill‹. Der Osteopathie wurde die Anerkennung verweigert und Littlejohn zu Unrecht als unehrenhaft bezeichnet. Der Zweite Weltkrieg tat sein übriges, und die BSO schrumpfte schon bald auf eine kleine Klinik zusammen. Schließlich verstarb der neben Still wohl wichtigste Vertreter der Osteopathie 1947 in Bagger Hall, ohne je die Früchte seiner Arbeit ernten zu können.

      Der vorliegende kleine Traktat über Osteopathie für Laien tauchte bei Recherchen im Still National Osteopathic Museum, Kirksville, Mo., eher zufällig auf. Wie immer bei englischsprachigen Autoren sind auch bei Littlejohn im Originaltext medizinische Fachausdrücke teils lateinisch, teils englisch wiedergegeben. Mit Rücksicht auf Littlejohns Stil wurde auf eine Vereinheitlichung verzichtet. Die Altphilologen unter den medizinisch ausgebildeten Lesern mögen mir dies verzeihen.

      Ich hoffe, der vorliegende Text trägt nicht nur dazu bei, dass die Osteopathie noch mehr als seriöse Medizinform wahrgenommen wird, sondern auch dass John Martin Littlejohn endlich jener Platz zuteil wird, den er aufgrund seines Lebenswerks mehr als verdient hat: als bedeutendster Osteopath der Gründerzeit!

      Pähl, September 2009

      Christian Hartmann

       »Es liegt eine ganz eigene Heiligkeit in der Wissenschaft und Kunst der Heilung. Sie müssen sich den erschütterndsten Szenen stellen, die Sterbliche jemals zu sehen bekommen, und das große Vertrauen empfangen, das Menschen geben können.

       Können Sie sagen, woher das Leben kommt, wohin es geht und welchem Zweck es dient? Wenn Sie Ihre Hände auf einen Kranken legen, dann tun Sie das so ehrfürchtig, als würden Sie den Urmechanismus von Erde und Himmel berühren, den Körper des Menschen, die vollkommenste Verkörperung göttlicher Weisheit.«

      John Martin Littlejohn3

      John Martin Littlejohn

Osteopathie erklärt

      Angesichts der stetigen Nachfrage nach der Informationsschrift Die Wissenschaft der Osteopathie sind wir sicher, dass auch ihr Begleitband Ein Traktat über die Osteopathie auf einen herzlichen Empfang seitens der Profession und jener treffen wird, die Interesse an unserer Schule des Heilens haben, aber keine Ärzte sind.

      In der zuerst genannten Broschüre schrieb Dr. Littlejohn insbesondere für jene Männer und Frauen, die in den mit der Heilkunst befassten Wissenschaften ausgebildet worden sind. In der zweiten, jetzt erstmals veröffentlichten Schrift hat er sich einer Darstellung für den intelligenten Laien gewidmet.

      Dass sie ihm gelungen ist, davon sind wir als seine Verleger völlig überzeugt, denn beim Durchgehen der osteopathischen Fachliteratur können wir uns an keine andere derart intelligent und mit so viel Nachdruck geschriebene Broschüre über dieses Thema erinnern.

      Die Verleger haben den derzeitigen Stand der öffentlichen Meinung zu dem als Osteopathie bekannten Heilungssystem sorgfältig untersucht und dabei festgestellt, dass vergleichsweise nur wenige seine Vorzüge kennen, während die Zahl derjenigen, die über dieses System nichts wissen, groß ist. Als sie zu diesem Schluss gekommen waren, begannen sie eine Vorgehensweise zu entwickeln, die es ermöglichen könnte, die breite Öffentlichkeit zu erreichen und sie aus der Knechtschaft der Medikamententherapien in die Freiheit, in die Gesundheit und in das Glück zu führen, welche die wohltätigen Methoden der Natur uns bringen. Mit diesem Ziel vor Augen wurde Die Wissenschaft der Osteopathie publiziert, die sich an Menschen der Berufsschichten Arzt, Lehrer, Rechtsanwalt und Geistlicher richten. Um das besagte Thema breiter zu erfassen, müssen intelligente Männer und Frauen außerhalb der Berufsstände erreicht werden. Zu diesem Zweck wurde die vorliegende Broschüre geschrieben und herausgebracht.

      Autor und Verleger haben zwar einerseits hohen Respekt vor der Ernsthaftigkeit jener, die an die Wirksamkeit von Medikamenten glauben, sind jedoch andererseits fest davon überzeugt, dass diese Menschen sich im Irrtum befinden. Sie betrachten es daher als ihre Pflicht, deren Geister von einem Fehler zu befreien, der ihre Gesundheit, ihr Glück und ihr Leben betrifft.

      Will man bei diesem Vorhaben den größtmöglichen Erfolg erzielen, dann muss man die intelligenten Männer und Frauen dazu bringen, lange genug bei diesem Thema zu verweilen, damit sie genau prüfen können, welche Argumente die Osteopathie vorzubringen hat gegen Medikamentenverschreibungen und für ein System, das auf die Großartigkeit der Natur vertraut, ein System, das ganz und gar die beweisbare Tatsache akzeptiert, dass der Körper ein Labor ist, eine Manufaktur all dessen, was für das Wachstum, die Erneuerung und die Verlängerung des Lebens erforderlich ist.

      Wir sagen, dass die intelligenten Männer und Frauen erreicht werden müssen – und zwar deshalb, weil die Intelligenten in diesem und jedem anderen Land die Zentren des sozialen Einflusses bilden. Erlangt man bei diesen Zentren Gehör, spricht man gleichsam zur Menge.

      Aus diesem Grund werden diese Informationsschriften verlegt. Ein Traktat über die Osteopathie angeboten zu bekommen, ist für jeden Mann und jede Frau eine Auszeichnung und zugleich ein Anerkennen ihrer Intelligenz und ihres Einflusses. Sind Männer und Frauen erst einmal auf diese Weise geehrt worden, dann ist die erste Barriere des Vorurteils gegenüber unserem System schon beseitigt.

      Wir zögern nicht, die Verbreitung dieser Broschüre zu einer dringenden Angelegenheit zu machen. Niemand kann sie lesen, ohne hinterher überzeugter zu sein. Als eine Argumentation ist sie, wie wir glauben, konkurrenzlos innerhalb der osteopathischen Literatur. Und sie ist in einem Geist und zu einem Zweck geschrieben, die Respekt einflößen.

      Weil wir glauben, dass das gesegnete Evangelium,