Fälle, die die Unfähigkeit des chirurgischen Berufsstands zeigen. Die Studenten lernen, wie man Beine und Arme amputiert und Krüppel erzeugt, aber nicht einer von ihnen weiß, wie man mit Dislokationen umgeht und dadurch eine mögliche Amputation vermeidet. Ich selbst habe veranlasst, dass durch Herrn Hutton die Amputation zweier Beine verhindert wurde. Das kann ich eindeutig beweisen. Diese Frage verdient Beachtung im Hinblick auf die Gründung eines Krankenhauses für Dislokationen. Ich bin gerne bereit, bei der Realisierung eines solchen Projekts mitzuhelfen und es mit einer ansehnlichen Spende zu unterstützen.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Thomas Lawes
65, City Road.«
Dass unser ärztlicher Berufsstand es versäumt hat, der Frage nachzugehen, welche Wahrheiten sich hinter dem Knocheneinrenken verbergen, ist, wie ich meine, nahezu zweifellos auf zwei Gründe zurückzuführen: Erstens auf die ernsten und oft fatalen Ergebnisse, die in der Praxis aller Knocheneinrenker aufgetreten sind – wenn auch zumeist wohl durch Hände weniger kunstfertiger und gefühlvoller Angehöriger jenes Gewerbes. Uns zweitens auf die praktische Auswirkung der Feststellung, ein Knochen sei »draußen«gewesen und wieder an seinen ursprünglichen Platz gebracht worden. Chirurgen, die wissen, dass diese Behauptung keinerlei Basis hat, haben sie vielleicht zu schnell mit einer betrügerischen Absicht in Verbindung gebracht und dabei wohl zu wenig die Unwissenheit derer berücksichtigt, von denen diese Feststellung stammt. Verärgert und empört über deren Falschheit sowie über das schlechte Licht, das dadurch auf sie selbst fiel, schrieben sie die Heilung einfach der Wirkung mentaler Einflüsse, dem verstrichenen Zeitraum oder einer vorhergegangenen Behandlung zu und versäumten es, nachzufragen, ob hinter dem »Draußen«-Konzept womöglich nicht doch ein plausibler Grund stehen könnte oder welche Veränderung die Manipulationen des Knocheneinrenkers tatsächlich zustande gebracht hatten.
Nach diesen Vorbemerkungen fahre ich nun mit dem Bericht jener Fälle fort, auf die ich mich bezogen habe:
Um einen Freund zu begrüßen, stieg ein Herr, den ich Herrn A nennen möchte, rasch von seinem Arbeitsstuhl im Büro herunter. Sobald seine Füße den Boden berührten, drehte er, ohne sie zu bewegen, seinen Körper und verdrehte oder zerrte dadurch sein linkes Knie. Sofort spürte er in dem Gelenk einen fulminanten Schmerz, der etwa eine oder zwei Stunden andauerte, im Laufe des Tages aber wieder abnahm, sodass Herr A das Gelenk weiterhin den Umständen entsprechend bewegte. In der Nacht wurde er durch zunehmenden Schmerz geweckt und bemerkte, dass das Gelenk stark geschwollen war. Herr A, Bruder des Professors für Geburtshilfe an einer der führenden medizinischen Schulen Londons, erhielt daraufhin die beste chirurgische Beratung, die London zu bieten hatte. Man wies ihn an, das Knie ruhig zu halten und Wärme sowie Feuchtigkeit zu applizieren. Auf diese Weise gelang es ihm zwar, den Schmerz etwas zu mildern, die Schwellung blieb jedoch. Schließlich ließ er Herrn Hutton kommen, der sofort erklärte, das Knie sei »draußen«, und anbot, es wieder an seinen Platz zu bringen. Man vereinbarte zu diesem Zweck einen Termin, doch in der Zwischenzeit zog der Patient erneut bedeutende Chirurgen hinzu und schrieb an Hutton, er solle nicht kommen. Es vergingen zwei Jahre chirurgischer Behandlung, ohne dass sich etwas verbesserte. Schließlich ließ besagter Herr A erneut Herrn Hutton kommen, den ich bei diesem zweiten Besuch begleitete. Was ich dort beobachtete, machte einen starken Eindruck auf mich: Nach dem Entfernen des Verbandes sahen wir, dass das Gelenk stark geschwollen war und die Haut sich glänzend und farblos zeigte. Das Gelenk war unbeweglich und an der Innenseite sehr schmerzhaft. Sofort platzierte Herr Hutton seinen Daumen auf einen Punkt an der oberen Kante der inneren Femurkondyle. Der Patient zuckte bei dem Druck zusammen und klagte über große Schmerzen. Herr Hutton untersuchte das Bein nicht weiter, sondern fragte: »Was habe ich Ihnen vor zwei Jahren gesagt?« »Sie meinten, das Knie sei draußen«, erinnerte sich Herr A. »Und das sage ich Ihnen jetzt erneut«, antwortete Hutton. »Können Sie es wieder reinsetzen?«, fragte Herr A. »Das kann ich!« »Dann machen Sie es bitte«, sagte Herr A, wobei er ihm das Bein hinhielt. Herr Hutton wollte aber erst in einer Woche tätig werden. Er ordnete an, dass das Glied einstweilen in Packungen mit Leinsamenbrei gewickelt und mit Klauenöl eingerieben werden solle, vereinbarte einen Termin und verabschiedete sich. Während des Gesprächs hatte ich das Bein sorgfältig untersucht und mich davon überzeugt, dass keine Dislokation vorlag. Daher schloss ich, dass Ruhe und nicht Bewegung die hier angebrachte Behandlung sei. Nach Ablauf der Woche ging ich wieder zum Haus des Patienten und Herr Hutton kam kurz danach. »Wie geht es dem Knie?«, fragte er. »Es fühlt sich leichter an!« »Konnten Sie’s bewegen?« »Nein!« »Geben Sie es mir!« Das Bein wurde ausgestreckt und Hutton stand vor dem Patienten. Dieser zögerte und senkte sein Bein wieder. »Sie sind sich ganz sicher, dass es draußen ist und Sie es wieder einrenken können?« Es entstand eine Pause. Dann: »Geben Sie mir das Bein, wie ich sage!« Der Patient gehorchte widerstrebend und hob das Bein langsam in Huttons Reichweite. Dieser ergriff es mit beiden Händen um die Wade, wobei der ausgestreckte Daumen seiner linken Hand auf den schmerzhaften Punkt an der Innenseite des Knies drückte. Zudem hielt er den Fuß fest, indem er dessen Ferse zwischen seine Knie klemmte. Der Patient, dem gesagt wurde, er solle im Stuhl sitzen bleiben, hätte in diesem Augenblick wohl viel dafür gegeben, wenn er die Kontrolle über sein Bein wiedererlangt hätte. Herr Hutton neigte seine Knie nach rechts, womit er die Rotation einleitete, die er mit seinen Händen am Bein des Patienten ausübte. Er hielt mit dem Daumen einen festen Druck auf den schmerzhaften Punkt aufrecht – und flektierte das Knie dann plötzlich. Der Patient schrie auf vor Schmerz. Hutton senkte das Bein und bat Herrn A, aufzustehen. Dieser gehorchte und erklärte sofort, er könne sein Bein nun besser bewegen und der bisher schmerzende Punkt sei schmerzfrei. Er wurde angewiesen, täglich sanfte Übungen zu machen, und seine Genesung vollzog sich rasch und vollständig. Nach wenigen Tagen ging er wieder seinem Geschäft nach. Und bis zu seinem Tod, der drei Jahre später eintrat, blieb sein Knie vollkommen in Ordnung.
Kaum weniger bemerkenswert war der Fall des ehrenwerten Spencer Ponsonby, der damals beträchtliche Aufmerksamkeit auf sich zog. Da Herr Ponsonby seine Fallgeschichte freundlicherweise für mich aufgezeichnet hat und seine Beschreibung sehr anschaulich ist, zitiere ich am besten wörtlich. Dabei füge ich nur hinzu, dass die Initialen A, B, C usf. die Namen von Männern repräsentieren, die in unserer Profession sehr angesehen sind.
»Am 26. November 1864 lief ich durch den Garten bei Croxteth in der Nähe von Liverpool. Plötzlich hörte und empfand ich in der Wade des linken Beins ein Knacken. Das war so schmerzhaft, dass ich mich wie ein getroffenes Kaninchen überschlug. Nur mit Mühe erreichte ich das wenige Meter entfernte Haus, wo ich mein Bein sofort in einen Eimer mit heißem Wasser steckte und es eine Stunde sozusagen kochte. Da es am nächsten Tag nicht besser war, ließ ich einen Mediziner aus der Nachbarschaft kommen, der behauptete, ein Muskel sei gerissen und das Bein müsse ein paar Tage ruhen. Da es keinerlei Anzeichen für eine Entzündung gab, verwendete er ein kräftiges Einreibemittel und legte ein starkes Lederpflaster auf. Nach ein paar Tagen konnte ich humpeln. Dann wurde ich jedoch telegrafisch nach London gerufen und hatte dort in einem leeren Haus zu tun, wo ich mit meinem Zeh gegen einen Stift im Boden stieß und mich schlimmer verletzte denn je.
Von da an (2. Dezember) bis Anfang Mai betreute mich Herr A, wobei Herr B als Berater hinzugezogen wurde. Beide meinten, ›die Wade‹ sei gerissen (sie bezeichneten es, glaube ich, als Gastrocnemius), und behandelten mich entsprechend. Gelegentlich besserte sich mein Bein, aber schon die leichteste Anspannung rief Schmerzen und Schwäche hervor.
Am 2. Mai untersuchte mich Herr C, der, soweit es die Verletzung betraf, seinen Kollegen zustimmte, jedoch der Ansicht war, ich sei konstitutionell nicht in Ordnung, und mir deshalb Eisen usf. verordnete – was allerdings keine Wirkung zeigte. Mein Bein wurde zudem in einer eisernen Maschine fixiert, um die Wadenmuskeln zu entlasten. Am 26. Juni wurde dann ein weiterer bedeutender Chirurg hinzugezogen. Er war sich mit Herrn C in puncto Ursache und Behandlung der Lahmheit einig wie auch Herr D, den ich bei meinem Besuch in Wildbad konsultierte.
14. August – Da keine Besserung eintrat, steckte Herr C. mein Bein für einen Monat in einen Gummiverband. Daraufhin ging ich segeln, um mich richtig zu erholen. Mein bis dato schlechter Gesundheitszustand verbesserte sich durch die Seeluft