bei der Behandlung dar. Symptome müssen auf jeden Fall verstanden und nicht nur bekämpft werden.
Der medizinische Berufstand basiert auf wissenschaftlicher Forschung, und obwohl die wissenschaftliche Forschung per se wertvoll ist, ist es wichtiger zu heilen als die Testergebnisse der modernen Studien zu rezipieren. Es gibt einfach Aspekte der Menschlichkeit, welche die Wissenschaft niemals erklären können wird, und diese umfassen Moral, Liebe, Geist und die Seele. Es ist die Aufgabe unseres Zeitalters die Menschheit in ihrer Ganzheitlichkeit wieder zu erkennen – jeder einzelne von uns als ein Wesen aus Seele, Geist und Körper –, ohne das Wissen, das wir durch die Wissenschaft erlangt haben über Bord zu werfen. Indem wir die Wechselwirkungen jener drei Bereiche detailliert untersuchen, wird es uns möglich sein zu erkennen, dass die individuelle Materie den physikalischen Träger für die geistige und spirituelle Substanz darstellt.
Falls uns das gelingt, wird man in den Patienten nicht mehr nur Krankheitsprozesse sehen, die zum Stillstand gebracht werden müssen. Man wird sie nicht als Problemfälle betrachten, die gelöst werden müssen, sondern vielmehr als Menschen, die Unterstützung brauchen um ihre physischen, mentalen und seelischen Anteile zu harmonisieren. Ohne Zweifel sollte dies der neue Weg der modernen Medizin sein, und er ist längst überfällig.
– 1 –
Die Grundlagen der Osteopathie
Das letzte halbe Jahrhundert hindurch habe ich als Osteopath gearbeitet. Dieser Beruf erfüllte mich sehr, und ich habe mit großem Erfolg Tausende Patienten behandelt.
Dennoch bin ich immer wieder über das geringe Ansehen der Osteopathie erstaunt.
Die Wenigsten wissen weder, worum es dabei geht, noch sind ihnen die fantastischen Dinge, zu denen sie in der Lage ist, bewusst.
Die Osteopathie und die osteopathische Manipulation wurden von Andrew Taylor Still (1828 – 1917) entwickelt, einem Amerikaner in der vierten Generation, mit schottischer Abstammung. Er war ein früher Befürworter des Wahlrechts für Frauen und ein Gegner der Sklaverei. Er kämpfte im Sezessionskrieg für die Nordstaaten und diente ihnen sowohl als Soldat wie auch als Feldchirurg.
Als er jedoch nach Kriegsende zu seiner konventionellen Medizinpraxis zurückgekehrt war, wurde Dr. Still unzufrieden mit der zeitgenössischen Medizin. Diese bestand zu jener Zeit grundlegend aus drei Lehrmeinungen: Homöopathie, Allopathie und der eklektischen Medizin.
Die Homöopathie, durch Dr. Samuel Hahnemann (1755 – 1843) begründet, basiert auf der Vorstellung, dass Krankheiten durch Verabreichung kleinster Dosen von Medikamenten, die bei den Patienten die gleichen Symptome hervorrufen wie die Krankheiten selbst, geheilt werden können.
Allopathie bleibt die bis heute am häufigsten angewandte Form der Medizin. Zu Dr. Stills Zeit waren Allopathen bezüglich des Kurierens von Krankheiten für ihr elementares Vertrauen in die Arzneimittel bekannt.
Die eklektische Lehre wurde, wie ihr Name schon sagt, aus vielen anderen Lehren zusammengesetzt, locker gehandhabt und unregelmäßig praktiziert.
Dr. Still war mit allen diesen Ansätzen unzufrieden, und er stand insbesondere der Begeisterung des neunzehnten Jahrhunderts für Arzneimittel skeptisch gegenüber. Stattdessen erforschte er die Möglichkeit einer Behandlungsmethode, die auf körpereigenen und natürlichen Selbstheilungskräften beruht. Dr. Still beobachtete, dass wenn er eine Krankheit bei einem Patienten entdeckte, er auch Störungen an dessen Bewegungsapparat vorfand. Er vermutete die Ursache in einer Dysbalance im Kreislauf- und Nervensystem. Sein Lösungskonzept bestand folglich in einer manuellen Manipulation des Körpers, um einen einwandfreien Kreislauf wieder herzustellen. Dr. Still war überzeugt davon, ein wertvolles Instrument als Hilfe für die Menschheit entdeckt zu haben, und er nannte es Osteopathie, nach den griechischen Wortstämmen osteon (Knochen) und pathos (Leiden).
Als noch wenige Leute seine Theorien akzeptierten, wurde Dr. Still sein eigener Missionar. Er reiste in den 1870ern und 1880ern quer durch Amerika, um seine neuen Techniken zu demonstrieren. Schließlich hatte er genügend Fürsprecher gewonnen, um die American School of Osteopathy in Kirksville, Missouri, zu gründen. Dieses College gewährte den akademischen Grad des Doktors der Osteopathie (DO), im Gegensatz zu dem allopathischen Doktor der Medizin (MD). Das war 1892. Hauptsächlich durch Mundpropaganda begann die Osteopathie von diesem Zeitpunkt an zu florieren.
Während der ersten zwei Jahrzehnte des zwanzigsten Jahrhunderts begann man, die bis dahin in Amerika im Grunde genommen unbeaufsichtigte medizinische Ausbildung einer genauen Überprüfung zu unterziehen.
Und nachdem die allopathischen Ärzte zur politisch mächtigsten Fraktion gewachsen waren und sich in der einflussreichen American Medical Association (AMA) vereint hatten, drängten ihre Lehren bald alle anderen in den Hintergrund.
Insbesondere kämpfte die AMA gegen ihren führenden Rivalen, die Osteopathie, welche die allopathischen Ärzte als Quacksalberei bezeichneten. Schließlich gelang es ihnen die Osteopathie fast gänzlich zu unterdrücken.
Zu einer ihrer Taktiken gehörte zu verkünden, wenn es Osteopathen gestattet sei, während des ersten Weltkrieges für das Militär zu praktizieren, würden die allopathischen Ärzte sämtliche Dienste ablehnen.
Eine ähnliche Strategie wurde ebenso während des zweiten Weltkrieges angewandt, wenngleich sich diese Haltung ironischerweise als günstig für die Osteopathie erwies.
Denn die Praxen der Zurückgebliebenen florierten.
Viele Amerikaner, die sonst möglicherweise niemals mit der Osteopathie in Berührung gekommen wären, probierten sie in der Abwesenheit der Ärzte aus und wurden erfolgreich behandelt.
Dennoch kämpfte die Osteopathie noch immer gegen zahlreiche staatliche Gesetze an, die entweder ihre Anwendung einschränkte oder sie gar verbot.
Die zweite Hälfte des Jahrhunderts war der Osteopathie wohlgesonnener. Trotz andauernden Widerspruches seitens der AMA begannen die Staaten nach und nach die Osteopathie zuzulassen; inzwischen sind alle 50 Staaten diesbezüglich einig, und es wurden zahlreiche osteopathische Hochschulen gegründet, die unter der Gerichtsbarkeit der staatlichen Ausschüsse stehen. Im Jahre 1969 – 70 eröffnete Michigan das erste staatliche College für Osteopathie; 1972 gründete der Staat Oklahoma das College of Osteopathic Medicine and Surgery, und bald darauf wurden etliche weitere Schulen unter der Schirmherrschaft der staatlichen Regierungen eingerichtet. Gegenwärtig praktizieren ca. 30.000 Osteopathen in Amerika, mehr als doppelt so viel wie noch vor 25 Jahren. Die Studenten können eine von fünfzehn Schulen für Osteopathie besuchen, deren Lehrplan jenem ihrer allopathischen Kollegen ähnelt, mit dem Unterschied, dass die meisten Studenten darüber hinaus manuelle Techniken erlernen.
Heute haben die allopathischen und die osteopathischen Kräfte Frieden miteinander geschlossen, und man kann in vielen Krankenhäusern beide Arten von Ärzten Seite an Seite miteinander arbeiten sehen.
Und tatsächlich ist mir aufgefallen, dass fast alle meiner Patienten von Ärzten und weniger von anderen Osteopathen überwiesen werden.
Heute glauben zu viele Ärzte daran, dass der Körper aus Tausenden zusammenhanglosen Systemen besteht. Sie agieren wie auf einer Baustelle, wo sich der Zimmermann beim Einbau eines Dachsparrens weigert, die Lage von Kabeln zu verändern, um sie nicht falsch zu verlegen. Er muss einen Elektriker rufen.
Mit der allopathischen Medizin verhält es sich gleichermaßen. Kränkelt das Herz, überweist einen der Internist zum Kardiologen. Liegt das Problem im Magen, geht man zu einem Gastroenterologen. Aber diese Ärzte schauen nicht auf den gesamten Körper, und deswegen übersehen sie häufig die wahre Ursache des Problems.
Osteopathen bevorzugen eine ganzheitliche Betrachtungsweise. Wir glauben, dass jeder menschliche Körper aus vielen „Körpern“ zusammengesetzt ist, so wie der Körper der Blutgefäße, der Körper des Nervensystems, der Körper der Muskulatur, der Körper des Knochengerüstes und so weiter und so fort. Alle diese Körper sind grundsätzlich miteinander verbunden und man kann nicht in einem von ihnen gesund sein, ohne es in allen anderen auch zu sein. Das Herzstück der Osteopathie ist der