Erhard Heckmann

100.000 km zwischen Anchorage, Neufundland, dem Pazifik und New Mexico - Teil 1


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bis hin zu sehr einfachen Campgrounds, die oft auch die schönste Umgebung vorweisen. Vorbuchen muss man sie in der Regel nicht. Es gibt immer noch einen zweiten oder dritten, und stehen kann man auch anderswo. In den touristischen Ecken gilt aber die Faustregel „rechtzeitig einzutreffen“. Die in Europa gewohnte Enge ist unbekannt und wird nur selten praktiziert. Wenn jedoch Lachs und Heilbut in Valdez Hochsaison haben, dann regiert dort nicht der Camper sondern der „Fischer“, der nur einen Platz zum parken braucht und nach wenigen Tagen mit einigen Hundert Kilos Filet in den Gefriertruhen wieder nach Hause fährt.

      Ob man ein Land überhaupt auf eigene Faust entdecken kann oder nicht, muss vorher geklärt werden. Für Nordamerika ist die Antwort ein ganz klares Ja. Die Entfernungen haben allerdings ganz andere Maßstäbe als zu Hause, und der gründlich vorbereitete Traveller wird wissen, dass die Wege im Yukon oder die der menschenleeren Northern Territories nicht mit den üblichen Touristen-Routen vergleichbar sind und sich darauf einstellen. Die Straßen sind durchweg gut, die Ausschilderungen ebenfalls. Die meisten der Gravel-Roads (Schotter) werden auch gepflegt, doch kann das schon ein oder mehrere Jahre her sein. Je nachdem, wo sie sich befinden. Ungewohnte Verkehrsregeln gibt es nicht viele: Fußgänger haben Vorrang sobald sie auch nur einen Fuß auf die Straße gesetzt haben; Schulbusse mit blinkender Anlage dürfen nicht überholt werden und „Freie Fahrt“ gibt es nirgendwo. Auf den Highways berechtigt jede Spur zum überholen und die „4-Way“-Kennzeichnung einer Kreuzung verlangt, dass jedes Fahrzeug anhält und in der gleichen Folge des Kommens den Ort auch wieder verlässt.

      Für Städte wie Calgary, Anchorage, Halifax oder Vancouver reicht der kostenlose Stadtplan vom Touristenbüro, und jenseits der großen Städte im Osten Kanadas, die aber mit Metropolen wie „LA“ auch nicht vergleichbar sind, ist der Rest „Provinz“, wobei es im Yukon, in Alaska oder den Northwest-Territories noch wesentlich einsamer wird. Für amerikanische Großstädte empfehlen sich jedoch gute Karten, weil dort Ausfahrten oft nur ausgeziffert sind und nicht wenige Straßen nur eine Fahrtrichtung erlauben. Die generellen Tempobeschränkungen wirken sich jedoch geringer aus als man glaubt, weil es das aus der Heimat gewohnte starke Verkehrsaufkommen nur in den ganz großen Zentren gibt.

      Unterkünfte reichen von der Luxus-Lodge bis zur Farm; Motels und Campingplätze sind dort wo man sie braucht, Supermärkte und Tankstellen ebenfalls. Wo die Besiedlung dünner wird weicht der große und üppige Supermarkt kleineren Allround-Läden und an die Straßenseite gesellen sich Entfernungshinweise bis zur nächsten Tankstelle.

      Wie man den Reiseverlauf dokumentiert ist Geschmackssache. Ein Deckblatt für den schnellen Überblick ist jedoch hilfreich. Mein persönlicher Streckenverlauf enthält alles, was ich entlang des Weges ansehen oder wo ich etwas unternehmen möchte. Dazu Straßennummern, Kilometerentfernungen, Ortschaften, Trailheads für geplante Wandertouren, Anfahrtsskizzen zu Fähren, Startplätzen gebuchter Buschflieger und ähnlicher Vorhaben. Für das weniger besiedelte Hinterland auch Abzweigungen, markante Brücken, Seen und Flüsse zur besseren Orientierung, als auch die Öffnungszeiten entlegener Grenzübergänge zwischen Kanada und USA. In der Routenführung der Streckenabschnitte erscheinen diese Dinge in Form von Ziffern; die nötigen Stichworte dazu auf der Folgeseite.

      Zugegeben, eine so durchgeführte Reiseplanung ist zeitaufwendig, aber sie enthält „alle machbaren Wünsche“, man fährt nirgendwo unwissend vorbei und was ausgelassen wurde, erschien von Anfang an uninteressant. Und noch eins gilt es zu bedenken: Solche maßgeschneiderten Wunschreisen werden in dieser Form nicht angeboten. Und wenn es sie denn gäbe, wären sie preislich unerschwinglich. Hier länger bleiben, anderswo etwas weglassen; nur anfahren, was sich vorher gut gelesen hatte; eine geplante Alternative nutzen, wenn das Wetter nicht mitspielt oder Außerplanmäßiges spontan einbauen und anhalten, wenn ein herrliches Plätzchen zum Frühstück oder wandern einlädt, all das ist weder bei einer Pauschal-Selbstfahrertour noch einer Gruppenreise machbar. Beide steuern in der Regel nur touristische Höhepunkte an und Trekkingveranstalter beschränken sich auf kleinere Gebiete und erwandern diese intensiv. Es sind Alternativen, aber ein Ersatz für die maßgeschneiderte, ganz persönliche Tour sind sie nicht.

      Und wann ist die beste Reisezeit? Klammert man die „heißen“ amerikanischen Bundesstaaten aus, geht sie von Mai bis September. Im Norden beginnt der kurze Herbst schon Ende August, und im September befinden sich Alaska und der Yukon schon auf dem Weg vom Sommer zum Winter. Dafür sind die meisten Touristen bereits zu Hause, die Preise gehen nach unten und die Farben des Indian Summers sind mehr als Ersatz für einen frischen Morgen oder kühlen Abend. Alles vermittelt auch das Gefühl der Eile. Die Lachse laichen, ehe die Flüsse zufrieren, Elchbullen treiben den Harem zusammen, Caribous starten ihre Wanderungen und die Bären sind durch das wochenlange „Powerfressen“ dick und fett. Es ist eine phantastische Jahreszeit, zumal hier und dort bereits die Aurora Boralis über den Himmel tanzt. Der Hochsommer ist teurer, doch entschädigt der Hohe Norden die gestiegenen Preise mit seinen hellen Nächten. Auch das ist ein Erlebnis und ein Geschenk der Natur.

      Mit dem Wetter kann man Glück haben oder auch nicht. Kanada hat heiße Sommer mit bis zu dreißig Grad, aber auch regnerische Tage mit weniger als der Hälfte. Während es in den Küstenbergen tagelang regnen kann, gehören Zentralalaska und der Yukon zu den trockeneren Regionen. „Richtig staubig“ zeigen sich aber nicht nur Teile des amerikanischen Mittleren – und Südlichen Westen, sondern die Ausläufer des Nordamerikanischen Wüstengürtels reichen auch bis ins trockene Okanagan-Tal von British Columbia. Wer jedoch im westlichen Kanada und in Alaska in der Natur tagelang unterwegs sein will, der muss sich anziehen können wie eine Zwiebel und neben festem und bequemem Schuhwerk auch für einen Regenguss eine Lösung haben. Und dann bleibt nur noch eins: Sich auf wunderschöne Urlaubstage zu freuen …

       Gletscher, Flüsse aus Eis

      Kanada, aber wohin soll die Reise führen?

      Es war ein Tagesflug von New York City an die Niagarafälle der 1999 die Idee gebar, auch Kanada auf vier Rädern zu bereisen. Ein Land also, das uns damals völlig unbekannte war und nun viel lesen erforderte, um die richtige Reiseroute herauszufinden. Dabei wurde sehr schnell klar, dass Kanada vor allem eins hat: Land! Und das ist riesig. Etwa 26 Mal so groß wie Deutschland. Von Ost nach West sind es rund 5.500 Kilometer und etwa neunhundert weniger von den Niagarafällen bis hinauf zur Nordspitze der Ellesmere-Inseln. Von den 13 Provinzen – drei davon sind eigentlich Territorien – besuchen die wenigsten Touristen das Inuitgebiet Nunavut und nur wenige mehr das zu Neufundland gehörende Labrador. Der Yukon ist schon geläufiger, doch liegen die pauschalen Hauptreiseziele im südlicheren British Columbia, dem nach Osten angrenzende Alberta und den Atlantikprovinzen. Als Yukon-Nachbar lockt zwar auch noch Alaska, aber das gehört zu den USA. Die Northwest Territories haben ihre Reize, wie die ebenfalls von Manitoba, Ontario und Quebec umschlossene 1.230.000 Quadratkilometer große Hudson Bay und diese Provinzen selbst.

      Saskatchewan und Manitoba? Im Norden Wälder, im Süden endlose Prärien. Sie beginnen in Manitobas Osten und ziehen über Saskatschewan hinüber nach Alberta, wo sie am Fuße der Rocky Mountains enden. Wo einst das Präriegras wogte sind es heute Ähren so weit das Auge reicht. Auch das leuchtende Gelb der blühenden Rapsfelder, große Farmen, Getreidesilos und, im Herbst, gewaltige Heu- und Strohrollen prägen diese Gegend. Von den Millionen Bisons, die diese riesigen Ebenen einst bevölkerten, lebt nur noch eine große Herde im Riding Mountain National Park. Saskatchewan, von Manitoba – anderthalbmal so groß wie Deutschland mit 1,1 Millionen Einwohnern, von denen mehr als 600.000 in der Hauptstadt Regina leben – und Alberta flankiert, ist Kanadas Sunshine State. Von hier kommt mehr als die Hälfte des kanadischen Weizens. Die Cypress Hills im Südwesten, mit 1.392 Meteer die höchste Erhebung zwischen Neufundland und den Rocky Mountains, gehören auch dazu.

      Die drei maritimen Provinzen New Brunswick, Nova Scotia und Prince Edward Island lassen sich gut mit Quebec, Neufundland oder den amerikanischen New Englandstaaten kombinieren, wie auch das südliche British Columbia und Alberta mit Amerikas Montana, Idaho, Oregon und Washington. Auf dem Nordamerikanischen Kontinent muss man Schwerpunkte setzen und wiederkommen. Die Großen Seen, oder die großen Städte? Letztere haben