Ulrich W. Gaertner

Trilogie des Mordens


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hatte.

      Am anderen Morgen war alles wie sonst gewesen. Er hatte Alex nur die Kohle gezeigt und gemeint, dass sie am Abend so richtig einen drauf machen würden. Sein Kumpel hatte sich an dem Bündel Scheine nicht satt sehen können und immer wieder wissen wollen, wie Fred dazu gekommen war. Später vielleicht mal, aber heute Abend lassen wir richtig die Sau raus.

      Fred stöhnt leise vor sich hin und zermartert sein Gehirn. Aber es will ihm nicht einfallen, was im Schlafzimmer des Italieners passiert war.

      „Ich brauche einen Kaffee. He Alex, du alter Fickfrosch. Setz’ mal einen auf.“

      Doch Alex nebenan grunzt nur.

      Mühsam wälzt Fred sich hoch und quält sich in die kleine Küche. Schrank auf, Kaffeedose her, Deckel auf: Leer.

      „Verdammter Mist. Alex, du faule Bazille. Du solltest doch vorgestern Espresso mitbringen.“

      Doch Alex ist das in seinem Rausch egal.

      „Dann mache ich mir eben einen starken Tee. Der wird mir gut tun – und dir auch.“

      Alex reagiert auch weiterhin nicht erkennbar, sondern gibt nur eine akustische Antwort.

      „Oh nee, nicht das auch noch. Wie kann ein Mensch nur so stinken?“

      Er flüchtet zurück in den Wohnraum. Leise fluchend beginnt er die leeren Sektflaschen aufzusammeln. Dann bemerkt er ihn plötzlich und wird beinahe starr vor Schreck. Unter dem zweiten Stuhl liegt ein einsamer Blauer, ein Hundertmarkschein. Das Blut schießt in den Kopf. Mit einem Sprung ist an er an der kleinen Vitrine, in sich die Kassetten stapeln. Mit einer wilden Handbewegung schleudert er die beiden Reihen auf den Fußboden und greift dahinter ins Leere. Kein einziger Schein ist mehr in seinem Versteck. Alles weg. Runde tausend Mark waren übrig nach dem Absturz mit den beiden Nutten. Siedend heiß wird ihm plötzlich.

      „Alex, die beschissenen Nutten haben uns abgezogen. Unsere Kohle ist weg.“

      Die wütenden Schreie und nachfolgenden Flüche erreichen endlich auch seinen Kumpel. Ein zweites Mal erscheint er im Türrahmen. Doch jetzt mit weit aufgerissenen, erschrockenen Augen.

      „Was sagst du? Ich höre immer, die Nutten haben uns beklaut?“

      „So ist es.“ Freds Augen sprühen vor Wut.

      „Wir halten die hier aus, schieben denen die Sektpullen in den Arsch – und die ziehen uns ab! Ich fass’ es nicht.“ Stumm und vor Wut zitternd starrt er seinen Mitbewohner an.

      „Die Kohle holen wir uns wieder, darauf kannst dich verlassen. Nicht umsonst wurde ich im Knast in Landsberg Fred Feuerstein gerufen.“

      Am Nachmittag, als KHK Kluge der agilen Ronda Kubitzke den Sachstandbericht für die Kollegen des LKA 41 in Hamburg diktiert, klopft es kräftig an der Tür. Unwillig blickt Kluge auf. In der Tür steht ein junger Schutzmann von der Wache und deutet auf eine dunkel gekleidete, jüngere Frau hinter ihm.

      „Das ist Frau Lindholm aus Hann. Münden.

      „Ja, das ist richtig, Herr Kollege. Wir erwarten Sie schon.“ Kluge erhebt sich.

      „Willkommen, Frau Lindholm. Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Fahrt.“

      Dann fällt ihm das in diesem Fall Unpassende der Situation auf.

      „Entschuldigung. Wenn Sie mir bitte folgen wollen. Gehen wir in mein Dienstzimmer.“

      Bislang hat Karin Lindholm keine Gelegenheit gefunden, etwas zu erwidern. Mit ernster Miene folgt sie.

      „Ronda, ich möchte die nächste halbe Stunde nicht gestört werden. Auch nicht am Telefon.“

      Hinter der Besucherin schließt er die Tür. Die Frau bleibt einen Moment unschlüssig im Raum stehen, wobei ihr Blick an Kluges Gesicht hängen bleibt.

      Kluge stellt fest, dass die Frau einen sehr gepflegten Eindruck macht und außerdem dezent nach einem teuren Parfüm duftet.

      „Möchten Sie nicht ablegen?“

      „Ja, natürlich gern. Draußen war es ziemlich ungemütlich.“

      Er nimmt den leichten Wollmantel entgegennimmt und hängt ihn auf.

      „Bitte nehmen Sie hier Platz, Frau Lindholm.“ Er deutet auf den runden Besprechungstisch und rückt ihr höflich einen Stuhl zurecht.

      „Darf ich Ihnen eine Tasse Kaffee anbieten?“

      Sekundenlang blickt ihm Karin Lindholm prüfend in die Augen, dann nickt sie.

      Dieser Blick … Habe ich die Frau schon mal gesehen? Hinter sich greifend erwischt er den Telefonhörer und drückt blind eine Taste.

      „Ronda, bring’ uns bitte Kaffee. Und gib Jens Bescheid, dass er dazu kommen möchte.“

      Er nimmt gegenüber seiner Besucherin Platz. Wieder dieser packende Blick der dunkelbraunen Augen.

      „Ja, ich hatte eine relativ angenehme Fahrt, Herr Kluge. Ich musste mit der Bahn fahren, weil mir die Fahrtstrecke mit dem Auto unbekannt ist.“

      Dabei streicht Karin Lindholm den schwarzen Rock ihres Kostüms zurecht, der beim Sitzen eine Handbreit über ihr dunkel bestrumpftes Knie hochgerutscht ist. Kluge sieht ihr dabei so fasziniert zu, als würde er so etwas zum ersten Mal in seinem Leben sehen. Seine Stimme klingt ein wenig heiser.

      „Ich kenne die Strecke nur allzu gut. Viele Jahre habe ich die anstrengende Fahrt an den Wochenenden ertragen müssen.“

      „Sie kennen meine Heimatstadt, Herr Kluge?“

      Überraschung klingt aus der dunklen Stimme seiner Besucherin.

      „Ich habe dort meine Ausbildung absolviert. In der Landespolizeischule, an der Gimter Straße.“ Dann tritt ein dienstlicher Ton in seine Stimme.

      „Aber ich glaube, wir sollten jetzt zur Sache kommen, da wir im Städtischen Krankenhaus avisiert sind.“

      Etwas Nachdenkliches liegt jetzt in dem ebenmäßigen Gesicht der Frau mit den braunen Augen und den schön geschwungenen Brauen. Aber dann ist es auch schon verflogen.

      „Ja, da haben Sie gewiss Recht, Herr Kluge. Bitte beginnen Sie.“

      Dann erklärt Kluge in einfühlsamen Worten den genauen Ablauf der Identifizierung. Er versucht, seiner Besucherin etwas von dem Schrecken der Prozedur zu nehmen, nachdem er bemerkt, dass der Frau Tränen in die Augen treten. Sie blickt ihn sehr aufmerksam an und horcht auf seine Stimme. Er ist froh, dass endlich die Tür aufgeht und Ronda ein Tablett mit Tassen, Milch, Zucker und einer Kaffeekanne auf den Tisch stellt. Als er aufsteht und fahrig die Kanne ergreift, um seiner Besucherin Kaffee einzuschenken, berühren sich zufällig ihre Hände. Kluge zuckt zusammen.

      „Lassen Sie mich das bitte machen, Herr Kluge. Ich bin es aus meiner Kanzlei geübt.“

      Dabei erfährt Kluge etwas über den Beruf seines Gegenübers. Willig überlässt er der Besucherin das Einschenken und beobachtet dabei ungewollt die gewandten, schmalen Hände, die harmonischen Bewegungen. Bestimmt ist sie acht Jahre jünger als meine Frau. Verflixt, was ist los mit dir, Kluge? Dann öffnet sich die Tür erneut. Ehlers blickt herein.

      „Störe ich?“

      „Natürlich nicht. Komm’ herein Jens.“

      „Frau Lindholm, darf ich Ihnen Kriminalhauptkommissar Jens Ehlers vorstellen? Er wird Sie zum Städtischen Krankenhaus begleiten.“

      Und an diesen gewandt. „Ich habe Frau Lindholm bereits das Wesentliche erläutert. Aber ich denke, du hast sicher noch einige Fragen an Sie.“

      Jens Ehlers freundliches Lächeln wird ernst.

      „Dann kann ich die Zeit nutzen und Ronda meinen Bericht zu Ende diktieren.“

      Bedauernd blickt er Lindholm an.

      „Ich möchte mich von Ihnen schon verabschieden. Sollten Sie nach