dich nicht› oder Canasta. Ein behütetes Leben demnach.»
Ganter begann rumzudrucksen. «So ganz stimmt das nicht. Der Vater ist natürlich nicht den Nachmittag über zu Hause. Er versucht, bei seiner alten Firma bleiben zu können, vielleicht als Berater oder Entwickler. Selbst mitarbeiten kann er nicht mehr, die Behinderungen schränken ihn zu stark ein.»
«Er ist demnach in der Rüstungsindustrie beschäftigt. Fritz, mach nicht immer solch ein Geheimnis aus deinen Informationen! Wenn ich dir helfen soll, musst du mir schon vertrauen», beschwerte sich Konrad. «Wie heißt die Familie eigentlich?»
«Muss ich dir das sagen?»
«Aber ja!»
«Bisher haben wir den Namen nur im direkten Umfeld der Familie mitgeteilt, die wussten ja ohnehin von Trudes Verschwinden. Wenn du den Namen in der Zeitung nennst, machst du nur allerhand Gesindel auf den Fall aufmerksam. Stell dir nur vor, einer von denen findet die Kleine und verschleppt sie tatsächlich, um Lösegeld von der Familie zu erpressen!» Fritz’ Gesicht schien plötzlich nur noch aus Sorgenfalten zu bestehen.
«Fritz!»
«Ist ja schon gut! Die Familie heißt Winterstein, und im Moment geht es ihr finanziell nicht gerade rosig. Frau Winterstein möchte nicht, dass alle Welt erfährt, dass sie nun arbeiten muss, um das Einkommen zu sichern. Wenn jetzt eine Forderung käme, könnten sie sie nicht bedienen.»
«Es geht also auch darum, das Ansehen nicht zu beschädigen. Ich verstehe schon.»
«Auch», räumte Ganter zerknirscht ein. «Aber stell dir nur vor, wie entsetzlich das wäre, das eigene Kind nicht auslösen zu können, weil das Geld nicht reicht!»
Katzmann verstand das sehr gut. Fände man dann die Leiche des Kindes, würde die Familie in eine tiefe Krise stürzen, sie könnte sich das nie verzeihen. Doch der Reporter in ihm rebellierte. «Und was erwartest du jetzt konkret von mir?», fragte er ruppiger als geplant. «Einen Artikel ohne Namen? Das lehnt Leistner, mein Redakteur in Leipzig, glatt ab. Sowas schadet meinem Ruf!»
«Ich dachte eher an einen allgemeinen Artikel über ein verschwundenes Mädchen», flüsterte Fritz, der einem Neuankömmling forschende Blicke zuwarf. «Ich dachte an einen einmaligen Artikel zu der Angelegenheit, vielleicht melden sich dann Leute bei uns, die das Mädchen gesehen haben. Aber im Wesentlichen ging es mir um deine investigativen Fähigkeiten», schmeichelte er dem Freund.
«Hört, hört!», rief Konrad.
«Mir sind die Hände in manchen Bereichen gebunden - es gibt Menschen, die sich mit der Polizei nicht gern unterhalten, weil sie vielleicht etwas zu verbergen haben.»
«Ach! Und jetzt denkst du, bei einem Reporter hätten sie weniger Berührungsängste? Wo sie davon ausgehen müssen, dass ich die Information sofort unter Nennung des Namens in die Zeitung setze?» Katzmann war noch immer verärgert.
«Genau!», lachte Fritz und triumphierte in Gedanken. Er spürte längst, dass er Konrad am Haken hatte.
Schweigend starrten sie auf ihre Gläser.
Fritz wusste, dass er jetzt kein Wort mehr sagen durfte, sonst würde der Freund einfach aufstehen und gehen. Er hatte oft genug erlebt, wie abweisend Konrad sein konnte, wenn er sich gedrängt fühlte. Das lag vielleicht an seinem Vater, der immer nur forderte und so gut wie nie ein gutes Wort übrig hatte. Fritz wusste aber auch, dass diese Phase des Schweigens nicht zu lange dauern durfte, sonst würde es beiden schwerfallen, das erste Wort zu sagen.
«Ich brauche den Namen und die Adresse der Familie und der Zeugen, die ihr befragt habt», unterbrach Konrad die Stille.
Ja, dachte Fritz, ich habe es doch gewusst! Laut versicherte er: «Geht in Ordnung.»
Als alles in dem Notizbuch aufgeschrieben war, schob Konrad das Büchlein in die Tasche zurück und bestellte für Fritz noch ein Bier. «Morgen muss ich nach Katja suchen. Wie gesagt, der kleine Hund gehört eigentlich ihr. Sie hat sich mutig ins Wasser gestürzt, um ihn zu retten. Außerdem muss ich ihm etwas zu essen besorgen. Die letzten Reste meiner Wurst habe ich ihm schon gefüttert, und der Kleine wird Hunger haben.»
«Ich koche für unseren Thomas das Futter selbst. Beim Schlachthof kann man manchmal Reste kaufen. Aber so ein Schäferhund frisst natürlich ganz andere Mengen als dein Zwerg.»
«Guter Tipp. Aber falls er heute noch etwas fressen möchte, muss er nehmen, was noch da ist - wie ich auch», lachte Katzmann.
«Versuch es doch mit Rührei, falls du Eier hast. Ohne Salz für Harry, mit Gewürzen für dich. Du solltest ihm auch ein bisschen Wasser hinstellen.»
Als sie eine halbe Stunde später aus der Kneipe traten, wurden sie von einem unerbittlichen Wind gepackt und förmlich auf die dunkle Straße gerissen. Die Kälte biss und zwickte sie in Gesicht und Hände. Katzmann, dessen Mantel noch zu Hause trocknete, zog die Jacke vor der Brust enger zusammen und schimpfte leise vor sich hin.
«Ich komm noch ein Stück mit», entschied Ganter. Er spähte in die Nebengasse. «Hast du das auch gehört?»
«Was?»
«So ein seltsames Gurgeln. Mir war auch, als hätte ich jemanden um die Ecke flitzen sehen.»
«Oh! Deshalb bekomme ich Polizeischutz?», feixte Konrad.
«Wenn du es so sehen willst. Ansonsten ist die Begleitung ein Freundschaftsdienst.»
Auch Konrad spähte jetzt in die finstere Gasse. Doch es war nichts mehr zu hören. «Glaubst du, es könnte etwas mit Politik zu tun haben?», fragte er dann.
«Ja. Für mich sah es aus wie eine Gruppe Spartakisten.»
«Ich meine das Verschwinden des Kindes, Fritz! Wollte sich jemand rächen? Immerhin arbeitete der Vater in der Rüstungsindustrie, war also bei den Kriegsbefürwortern - und es gibt mehr als genug, die schon lange Frieden fordern.»
Perplex starrte Fritz Ganter seinen Freund an. «Mann! Auf die Idee bin ich noch gar nicht gekommen!»
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