und Schal, warf beide zusammen mit dem Hut ans Ufer, riss sich die Schuhe von den Füßen. «Halten Sie durch! Ich bin gleich bei Ihnen!»
Wie lange konnte ein Mensch in diesem eisigen Wasser überleben?
«Hier», hörte er schwach. «Hier bin ich!»
«Noch sehe ich Sie nicht!» Entschlossen warf Katzmann sich ins Wasser, schob seinen Körper, der mit heftigem Schmerz gegen diese Zumutung protestierte, tiefer hinein.
«Ich kann nicht schwimmen!», wehte eine neue erschreckende Information zu ihm hinüber.
«Strampeln Sie kräftig! Nicht nachlassen!»
Endlich machte er eine Bewegung vor sich aus, hielt energisch darauf zu. «Ich kann Sie sehen! Sofort bin ich da!»
Die Kälte nahm ihm fast den Atem. Der Puls raste, seine Füße und Hände spürte er kaum noch. «Sehen Sie mich?»
«Ja», antwortete die Stimme unsicher. Ein Kind!
Katzmanns Zorn beflügelte seine Bemühungen. Dieser Mörder hatte ein Kind in der Elbe ertränken wollen! Wahrscheinlich einen «nutzlosen Esser», ein «lästiges Übel»! Na, der würde sich wundern: Ab morgen suchte mit Sicherheit ganz Dresden nach ihm!
Seine Kleidung, die er wegen der Kälte in mehreren Schichten übereinander trug, sog sich zunehmend voll Wasser und behinderte das Vorankommen. Arme und Beine trotzen dem Kälteangriff kaum noch. Seine Lungen brannten. Katzmann keuchte.
«Streck deine Hand in meine Richtung aus!», stieß er mühsam hervor. Und tatsächlich - eine leichte Berührung. Er hatte es geschafft. Eisern umschloss er die Finger des Kindes und zog es zu sich heran.
«Hör zu, du musst ein bisschen mithelfen, ja? Dann schaffen wir es auch wieder zurück», erklärte er rau und bemerkte im selben Augenblick, dass die Kleine mit dem anderen Arm etwas aus dem Wasser stemmte.
«Was ist das?»
«Keine Ahnung. Das hat … der Mann … ins Wasser geworfen. Als es fiel, weinte es.» Das Mädchen zitterte am ganzen Körper, sprach abgehackt.
«Ich rette also eine Retterin.»
«Vielleicht ist es ein Baby», flüsterte die Kleine, und Katzmann mobilisierte alle Reserven. Mit einem letzten Schwung schob er das Kind, den Sack und sich ans Ufer.
Erschöpft rang er nach Luft, hustete, versuchte einzuatmen, hustete wieder. Er spürte die Hand des Mädchens, die in seiner bebte. «Zieh meinen Mantel über!», röchelte er und hörte von Ferne, dass sie ihm etwas erklärte.
«Meine Tante hat das auch. Sie kennt einen Trick. Leg dich auf den Rücken.»
Katzmann rollte sich herum.
«Augen zu! Versuche, nicht mehr zu husten, das macht es nur schlimmer. So, nun musst du durch die Nase atmen! Ganz ruhig und gleichmäßig. Bei jedem Mal den Atem für ein paar Sekunden anhalten, dann von vorn.»
Aus dem Sack war leises Fiepen zu hören.
Katzmann spürte tatsächlich, wie wieder Luft in seine Lungen strömte. Eine Erlösung!
«Weiter!», forderte das Mädchen, das sich inzwischen in Konrads Mantel gehüllt hatte und sich nun mit steifen Fingern darum bemühte, den Sack zu öffnen.
Katzmann atmete tief. Er drehte sich auf die Seite, rappelte sich auf und half ihr, den Knoten zu lösen. Dabei wurde er noch immer von Hustenattacken geschüttelt. Beherzt griff er in das Jutebündel und zerrte einen mutig strampelnden Welpen heraus.
«Meine Güte! Nun wird alles gut, mein Kleiner», versprach die Retterin und versuchte, den Winzling unter den Mantel zu schieben, womit der allerdings nicht einverstanden war.
Katzmann nahm ihr das Tier ab. «Schlüpf richtig rein!» Er stopfte sich den Hund, der nasser nicht mehr werden konnte, unter das Hemd, und der Kleine schien den Hautkontakt als beruhigend zu empfinden. Er hörte auf sich zu sträuben.
«Wie heißt du eigentlich?», fragte Katzmann dann.
«Katja. Und du?»
«Konrad. Das war ganz schön mutig von dir: Springst ins Wasser, obwohl du nicht schwimmen kannst, weil der Sack gelebt hat. Ehrlich gesagt, das imponiert mir.»
«Mein Vater sieht das sicher anders. Er wird sagen, es war dumm und leichtsinnig», räumte das Mädchen kleinlaut ein. Wahrscheinlich malte Katja sich schon die Schimpftirade aus, die sie zu Hause erwartete. «Aber du warst auch unglaublich mutig. Wir hätten alle drei in dem kalten Fluss sterben können.»
Schweigend erklommen sie das Ufer.
Katzmann schlüpfte ohne Socken in seine Schuhe und erklärte entschieden: «Ich bringe dich nach Hause. Ich habe auch einen Vater, der die Dinge grundsätzlich anders sieht als ich.» Dabei gab er sich Mühe, sein Schlottern zu verbergen. Retter und andere Helden froren nicht!
«Och, ich habe es gar nicht weit.» Sie machte Anstalten, sich aus dem Mantel zu schälen, der so lang war, dass sie ihn beim Gehen raffen musste. «Ich kann gut allein gehen.»
«Lass den Mantel noch an. Ich begleite dich, keine Widerrede!»
«Mein Vater mag nicht, wenn ich Fremde mitbringe», versuchte sie einen neuen Vorstoß.
«Ich bin doch nicht fremd!», protestierte der junge Reporter.
«Also, ich habe den Mann nicht erkennen können. Wie hast du denn in der Dunkelheit gesehen, dass der einen Sack übers Brückengeländer wirft?», bibberte Konrads Stimme.
«Du hast mich da rausgezogen, ich schätze, du verdienst eine Antwort», seufzte Katja und zog frierend die Schultern hoch. «Ich bin dem Mann schon eine Weile gefolgt. Wollte sehen, wohin er den Sack bringt. Erst dachte ich, da ist ein Schatz drin und er sucht ein Versteck. Dann fing es an, in dem Sack zu strampeln.» Sie warf dem gutaussehenden blonden Mann einen argwöhnischen Blick zu. «Sind wir Freunde?»
«Klar!», antwortete Konrad mit klappernden Zähnen.
«Ich wollte sehen, wo er wohnt. Ich dachte, er ist vielleicht reich», vertraute sie ihm an.
«Weißt du was, ich glaube, wir sollten an Tempo zulegen. Wenn wir nicht schnell ins Warme kommen, werden wir beide wohl gewaltig krank. Und wer kann schon eine dicke Erkältung brauchen?»
Sie beschleunigten ihre Schritte in Richtung Dresdner Heide.
«Was macht der Hund?»
Konrad zog am Kragen seines Pullovers und warf einen indiskreten Blick auf das Fellbündel.
«Sieht so aus, als habe er beschlossen einzuziehen», lachte der Reporter dann, als er erkannte, dass der Kleine eingeschlafen war.
Wie aus dem Nichts bauten sich plötzlich zwei Frauen vor ihnen auf.
Katja wich erschrocken zurück und rief: «Meine Tanten!»
«Sehr richtig! Wir suchen dich!», zeterte die eine von ihnen und wandte sich drohend zu Katzmann um. «Was haben Sie mit der Kleinen angestellt? Das Kind ist ja völlig durchnässt!»
«Er hat nichts getan. Er hat mich aus der Elbe gefischt.»
Die Frauen zerrten Katja den Mantel vom Leib, warfen ihn achtlos zu Boden, hüllten das Mädchen in ihre Wolltücher und zogen es mit sich fort.
«Hört zu!», forderte das Kind und blieb wie angewurzelt stehen. «Das ist Konrad. Er hat mir das Leben gerettet!»
Die beiden drehten sich kurz um, murmelten ein knappes Danke und waren um die nächste Ecke verschwunden, ehe der Journalist noch ein Wort sagen konnte.
«Na, dann werden wir am besten auch nach Hause gehen, wie?», flüsterte er dem Hund zu und versuchte ungelenk, in den Mantel zu schlüpfen, ohne den Winzling fallen zu lassen. «Was frisst einer wie du denn so?»
Der Besuch bei Klaus musste warten. Jetzt brauchte er erst einmal trockene Kleidung und einen Platz am Ofen.