immer ums Nordkap in die Barentssee, zehn Tage hin und zehn Tage zurück. Bei schlechtem Wetter dauerte das ja noch länger. Der Logger hatte ja nur eine Geschwindigkeit von 10 Knoten, der lief ja nichts. Außerdem hatten die Logger keine Back. Jedes bisschen Wasser kam an Deck, ganz besonders wenn die Logger nach dem Fischen abgeladen waren. Das hat mir überhaupt nicht gefallen, auch weil wir bei Windstärke 10 und mehr nicht in die norwegischen Häfen einlaufen durften. Dann bist du da mit deinem Logger bei den Lofoten herumgehumpelt. In der Barentssee, wo wir auf Rotbarsch gefischt haben, musstest du zusehen, dass du mit deinem Schiff, genauso wie in der Nordsee, auf tiefes Wasser kamst. Auf tiefem Wasser sind die Wellen ja nicht so hoch und nicht so steil. Auf tiefem Wasser kann das Schiff das schwere Wetter besser abwettern. Im Skagerrak haben wir manchmal auf 18 Meter Wassertiefe gefischt. Wenn der Wind Bft. 8 oder 9 erreichte, musstest du zusehen, dass du mit deinem Kutter auf tieferes Wasser kamst. Dort hat uns Rasmus oft ordentlich einen eingeschenkt. Ich hatte insofern Glück, weil mein 26,5 Meter langer Kutter, mit dem ich später von Saßnitz aus gefahren bin, besser als ein Logger mit diesem Wetter klarkam. Die Logger fuhren immer in die See. Dann musste man wieder aufstoppen, damit das Wasser ablief. Später hat man die Logger in der Werft umgebaut und sie mit einer Back versehen. Mit den Loggern bist du oft genug zurückgetrieben. Du kamst wieder dahin, wo du hergekommen warst.
Bei der über Jahrhunderte verlaufenen Entwicklung der Schiffe ist es nicht verwunderlich, dass einige von ihnen sehr schnell als Missgeburt betrachtet wurden. Eine Idee, die die Natur ganz unzeremoniell zur Makulatur werden ließ, war die des unsinkbaren Schiffes. Das viktorianische Zeitalter näherte sich seinem Ende. Damals glaubten aber die herrschenden Eliten, ihren glorreichen Weg erfolgreich fortsetzen zu können. Ausdruck fand dies auch in immer schnelleren, größeren und luxuriöseren Schiffen, die unsinkbar sein sollten. Leise Zweifel kamen daran schon auf, als die REPUBLIC am 24. Januar 1909 vor der Insel Nantucket an der US-Ostküste nach einer Kollision mit dem italienischen Passagierschiff FLORIDA sank. Der White Star Liner war einmal das größte und schnellste Schiff auf dem Atlantik gewesen. Im Mai 1907 gab Edward John Smith, der spätere Führer der TITANIC, als Kapitän der ADRIATIC New Yorker Journalisten ein Interview. Währenddessen sagte er u. a.: … ein absolutes Desaster, das die Passagiere mit einbeziehen würde, ist unvorstellbar. Was auch immer passiert, es wird, bevor das Schiff sinkt, genug Zeit sein, um das Leben jeder einzelnen Person an Bord zu retten. Ich will noch etwas weiter gehen. Ich kann mir keine Umstände vorstellen, in denen das Schiff sinken könnte. Der moderne Schiffbau ist darüber hinaus. Es wird größere Schiffe geben. Im Moment scheint die Wassertiefe in den Häfen das größte Hindernis zu sein. Ich kann nicht sagen, wo die Grenze sein wird, aber größere Schiffe werden kommen …
Bei dem späteren Untergang der TITANIC handelte es sich nicht einfach um den Verlust des gerade größten Schiffes mit vielen Menschen. Es repräsentierte den Geist seiner Zeit, wie es nie wieder ein Schiff getan hat. Der Verlust dieses Schiffes traf die viktorianische Zeit ins Mark. Mit Smith und der TITANIC versank nicht nur die Idee des unsinkbaren Schiffes im Atlantik. Die schwedischen Seeleute prägten für Projekte dieser Größenordnung den Spruch: Kleine Boote schwimmen, während große Schiffe am Grunde sitzen bleiben.
In früheren Jahrhunderten unterschieden sich die Schiffe wie Tag und Nacht. Koggen, Dschunken und Dauen konnte man nicht verwechseln. Auch als die Dampfer und Motorschiffe ihren Siegeszug antraten, blieben zwischen den Schiffen enorme Unterschiede bestehen. Ein erfahrener Seemann konnte bei den meisten Schiffen erkennen, auf welcher Werft sie für welche Reederei gebaut worden waren. Die Schiffe von Reedereien wie Blue Funnel, British India, der DDG „Hansa“ („Felsdampfer“), Wilh. Wilhelmsen, KPM (Indonesien), Straits Steamships (Südostasien) oder die nach dem Zweiten Weltkrieg in Polen und die in der DDR von der Warnowwerft in Warnemünde oder Neptun Werft Rostock gebauten Schiffe waren unverwechselbar. Diese Zeit ist vorbei. Ein großer Teil der Werften, die diese Schiffe bauten, existiert nicht mehr. Auch viele der früheren Auftraggeber sind von den sieben Weltmeeren verschwunden. Dazu zählen, bis auf Wilh. Wilhelmsen, alle von mir genannten Unternehmen. Ob das Schiff heute in China, Südkorea oder einer anderen Werft gebaut wurde, ist nicht mehr zu erkennen. Reeder waren in vielen Fällen auch Schiffsliebhaber. Sie waren stolz auf ihre Schiffe, so wie John Willis mit seiner CUTTY SARK oder die Reeder Laeisz mit ihren Schiffen. Heute könnten sie sich auch keine Extrawurst mehr braten. Heute gibt es nur noch Schiffe von der Stange.
Die Größe eines Schiffes spielte zu allen Zeiten eine große Rolle. Größe garantierte oft – nicht immer – eine verbesserte Wirtschaftlichkeit. Nicht alle Schiffe verursachten Begeisterungsstürme, weder bei den Auftraggebern noch bei den Seeleuten. Bei manchen ging es aufgrund besonderer Zeiten oder einer speziellen Situation nur darum, dass sie ihre Aufgabe möglichst gut erfüllten. Zu diesen Schiffen gehörten viele Typen, die im Zweiten Weltkrieg gebaut wurden. Das Urteil von Fachleuten über die in den USA gebauten Liberty-Schiffe und T-2-Tanker lautete: Schiffe gebaut nach der Meile und abgehackt von der Werft. Im Februar 1941 hatte Präsident Roosevelt das Notbauprogramm im Rundfunk verkündet, das den Bau von 200 Schiffen vorsah. Er bezeichnete diese Schiffe als furchtbar aussehende Objekte. Sie erfüllten ohne jeden Zweifel den Zweck, für den sie gebaut worden waren. Bei der Initiierung dieses Programms war nicht vorgesehen, dass sie nach dem Krieg noch jahrelang eingesetzt werden sollten. Das geschah aber und führte dazu, dass sie durchbrachen, im Sturm untergingen oder strandeten und viele Seeleute das Leben kostete. Einer der „Liberties“, die ARCHON GABRIEL, fand nach der Strandung auf der Greifswalder Oie am 8. Januar 1958 und der anschließenden Bergung durch Rostocker Schlepper seinen Weg als ERNST MORITZ ARNDT in die Flotte der Deutschen Seereederei Rostock. Die Kriegsbauten waren Ausnahmen in einer Zeit, in der Frachter, wie es der Schiffbauer Stig Bystedt im Seatrade Review (August 1996) sagte, wahrlich schön, ästhetisch schön selbst auf Kosten der wirtschaftlichen Funktionalität gebaut wurden. Das hat sich völlig geändert. Heute werden Back und Heck nach den Bedürfnissen des Containers und nicht für die Formschönheit oder Seetüchtigkeit eines Schiffes gebaut. Also dürfen sich die Seeleute mit Schiffen herumschlagen, die, wie die SVENDBORG MAERSK im Februar 2014 in der Biskaya, ganz schnell einmal 517 Container verlieren.
Das Liberty-Schiff ERNST MORITZ ARNDT (ex ARCHON GABRIEL) unter DSR-Farben
Solche Beispiele beweisen einmal mehr, dass die Briten mit dem folgenden Spruch recht haben: Lobe nicht ein Schiff, das noch auf dem Helgen liegt. Diesen Seemannsspruch kann man ohne Probleme auf die Schiffsform anwenden. Die Form von Bug und Heck hat einen entscheidenden Einfluss auf das Seegangsverhalten und die Manövrierfähigkeit des Schiffes. Nur sehr erfahrene Seeleute dürften in der Lage sein, Probleme in dem einen oder anderen Bereich während des Baus des Schiffes vorherzusehen. Wenn die Nachteile der Schiffsform im Alltag deutlich wurden, hatten die Seeleute sehr schnell diesen Umstand deutlich machende Begriffe und Namen für ihre schwimmenden Untersätze. Die Mecklenburger verwendeten Namen wie „Backtrog“, „Büffel“, „Brummküsel“ sowie „Dwars-“ und „Farkendriewer“. Gefährlich wurde schlechtes Manövrieren eines Seglers, wenn das Schiff schlecht steuerte. Das konnte vor allem beim Einlaufen dazu führen, dass der Segler auf Grund oder auf die Mole lief.
Einige Segler blieben durch derartige Seeunfälle, wie sie die Rostocker Bark SCHNELLE 1884 beim Einlaufen in Warnemünde hatte, lange in der Erinnerung der Seeleute. Sie strandete dadurch einmal vor der Mole und einmal hinter der Westmole. Die Brigg AUGUSTE lief aus dem Ruder und beschädigte am Ufer vertäute Boote. Jahre später kam sie als SLIWO wieder nach Rostock und lief beim Einlaufen, bevor sie die Molen passiert hatte, auf Grund.
Die Rostocker Segler sind ein Beispiel für die Richtigkeit der folgenden Worte von Rudyard Kipling: Niemand hat mir bis jetzt erzählt, dass das Meer aufgehört hat, das Meer zu sein. Die SVENDBORG MAERSK beweist, dass sie selbst auf die größten und modernsten Containerschiffe zutreffen.
In den Jahrzehnten meiner Seefahrt habe ich viele Schiffe gesehen, die heruntergewirtschaftet waren, die nicht nur äußerlich Rosteimer waren, sondern auf denen auch für die Sicherheit der Besatzung, des Schiffes und der Ladung lebenswichtige Anlagen nicht mehr funktionierten.
Wer, wenn nicht die französischen Seeleute, konnte den folgenden