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Bernd Berndsen
IM LICHT BETRACHTET
Engelsdorfer Verlag
Leipzig
2015
Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Copyright (2015) Engelsdorfer Verlag Leipzig
Alle Rechte beim Autor
Layout Kristina Berndsen
Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015
Inhalt
Auf rauen Wegen zu den Sternen
Wo das Kleine das Allergrößte ist
Die Letzten können die Ersten sein
Ausbildung zum kleinen Heimwerker
Wo man sich bettet, da liegt man
Frauen sind anders. Männer auch
Von Fall zu Fall seh ich den Alten gern
Über den Umgang mit Geschriebenem
Auf rauen Wegen zu den Sternen
Das Brautpaar saß vier Reihen vor mir in der ersten Bank, der Pastor agierte souverän, der Organist fast genauso, die Brautmutter schluchzte diskret in artigen Abständen, es war alles, wie es zu sein hat. Leider ausnahmslos alles, dachte ich. Und da ich die Zeit zum Denken hatte, unterdrückte ich es nicht, sondern machte mir bewusst, dass das Sitzmöbel ein überaus nützliches Produkt menschlicher Kreativität ist, wenn man es den Eigenarten und Bedürfnissen des menschlichen Körpers angepasst hat. Alle Versuche, es umgekehrt zu machen, sind gescheitert. Wo der Körper nicht das ihm Gemäße vorfindet, kommt es stets zu Schmerz und Pein. Betrachtet man aufmerksam die Geschichte der Formen von Stühlen, Sesseln, Sofas, Bänken durch die Jahrhunderte, so führte mein Geist diesen Ansatz fort, fällt auf, dass so manches, ja das meiste geschaffen worden ist unter Umgehung oder gar Missachtung der körperlichen Wünsche. Sogar so mancher Herrscherthron in seiner rechtwinkligen Zuordnung von rundungsfreier Sitzfläche und ebensolcher Rückenlehne lässt erahnen, dass Herrschen eine harte Angelegenheit gewesen sein muss. Besonders die Thronsessel in der Chefetage auf der Iberischen Halbinsel und in den Dependancen Lateinamerikas kümmerten sich nicht um die legitimen Wünsche jener Körperteile, die sich mit dem Möbel zu arrangieren hatten. Die Frage, in welchem Maße der Niedergang der spanischen Weltmacht im 18. Jahrhundert mit misslichen Rücken- und Gefäßmuskelproblemen Philipps II ursächlich in Verbindung stand, harrt noch der wissenschaftlich exakten historisch-orthopädischen Aufarbeitung.
Ich legte eine kurze Denkpause ein, schob meinen rechten Oberschenkel vorsichtig über den linken und nahm den Faden wieder auf. Als ein Beispiel auf anderer sozialer Ebene, dachte ich, bieten sich die engen, kantigen Schulbänke unserer Altvorderen an, die – getreu der Maxime „Für das Leben lernen wir“ – das Ihre dazu beigetragen haben, in lebensnaher Weise darauf vorzubereiten, dass es dem späteren Leben wohl an Freiheit, nicht aber an Härte mangeln werde.
Und mit einem dritten Beispiel veranschaulichte ich mir das Problem: Noch im Kontor der Buddenbrooks zogen es die Buchhalter vor, den Zehnstundenarbeitstag nicht sitzend auf dem Hocker zu bewältigen, sondern stehend zu überstehen. Was ihnen übrigens schon in der Kindheit trotz aller Härte und Konsequenz der Erziehung zugestanden wurde beim Stehen während der Mahlzeiten am elterlichen Tisch.
Heute aber thront die Kanzlerin auf einem ausgetüftelten Bürosessel, verstellbar in Höhe und Neigung und anderem, (ihre Sekretärin dürfte ihr nur um ein Geringes nachstehen), die Schüler nebst –innen räkeln sich auf zum Träumen verleitendem Gestühl, und die Schreiber im Büro stehen ihnen nicht nach – was die Sitzkultur betrifft.
Ganze Kollektive aus den Fachbereichen Architektur, Orthopädie, Design, Tischlerei und Sattlerei widmen ihre Arbeit der kongenialen Entwicklung neuer Erkenntnisse zum Thema Meublement fürs Sitzen und deren sorgfältig präziser Realisierung. So sind in den großen Fußballstadien die kümmerlichen Bänke aus schmalem Brett fürs Hinterteil und schmalerer Latte für den Rücken futuristischen Schalensitzen gewichen, die Lichtspielhäuser brauchen mit ihrer Besesselung nicht die Konkurrenten des Puschenkinos zu fürchten, und da reiht sich wenn auch in einigem Abstand sogar der ICE ein.
Behutsam verschob ich mein Schwergewicht von der einen auf die andere Seite, bevor ich im Geiste formulierte: Nur die Kirche hat einen Sonderweg eingeschlagen, genau gesagt: gar keinen Weg, sondern sie verharrt konsequent im Althergebrachten. Was aber nicht heißt: im Altbewährten. Die Kirchenbank ist, wie sie ist