Gabriele Lukacs

Geheimnisvoller Da Vinci Code in Wien


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teilte. Dann werde ich die Verrichtung aller Teile in jeder Hinsicht zeigen, indem ich dir die Aufnotierung der ganzen Gestalt und das Vermögen des Menschen in Bezug auf Ortsbewegung vermittels seiner Teile vor Augen stelle. Und so gefalle es unserem Schöpfer, dass ich die Natur der Menschen in der Art darzustellen vermöge, wie ich ihre Figur beschreibe.“

      Code Nr. 3:

       Ein hintergründiges Wortspiel?

      Die letzte Renovierung des Abendmahl-Gemäldes in Mailand im Jahr 1988 förderte eine Überraschung zu Tage. Man fand das Nagelloch in der Schläfe von Jesus, von wo aus Leonardo die Schnüre für den perspektivisch-kompositorischen Bildaufbau spannte.

      Damit war bewiesen, was man schon länger vermutet hatte, nämlich dass Leonardo eine exakt berechnete Zentralperspektive anwandte. Allerdings ist der Bildmittelpunkt nicht, wie bei seiner „Proportionsstudie nach Vitruv“, der Nabel des Menschen, auch nicht Jesu Stirn, sondern dessen rechte Schläfe. Diese Wahl ist ungewöhnlich. Bei keinem seiner Bilder hat Leonardo die Schläfe einer Person als Bildmittelpunkt genommen. Warum er dies ausgerechnet im „Abendmahl“ tat, gibt den Kunsthistorikern Rätsel auf.

       Der rätselhafte Mittelpunkt des Gemäldes: die Schläfe von Jesus Christus.

       Der Buchstabe M in der Bildmitte – ein Zeichen für Maria Magdalena?

      Die Zentralperspektive –

       ein Versuchsaufbau in Wien

      In Wien haben David Sayn und Christoph Rahofer während ihrer Leonardo-Ausstellung in der Minoritenkirche im Jahr 2006 den Versuch gemacht, den sogenannten „Augpunkt“ zu errechnen und mittels Leiterpodest nachzustellen, d. h. jene Distanz zum Mittelpunkt des Bildes zu finden, von wo aus man alles richtig perspektivisch sieht. Der Augpunkt ist tatsächlich die Schläfe von Jesus, wie der Versuchsaufbau bewiesen hat. Damit ist belegt, dass Leonardo sie ganz bewusst als zentralen Punkt des Bildes und der Handlung festgelegt hat.

       Leonardos Spiegelschrift im Codex Trivulzianus, Castello Sforza.

       Leonardo da Vinci: Proportionsstudie nach Vitruv 1492 (Feder und Tinte, Galleria dell’ Accademia, Venedig).

      Die Bedeutung? Sie bleibt uns leider verborgen.

      Könnte es sein, dass auch darin eine versteckte Botschaft zu finden ist? Soll hier ein Wortspiel, nämlich der phonetische Gleichklang der beiden Ausdrücke für Schläfe und Tempel – im Italienischen tempia und tempio – bildlich dargestellt werden? Steckt eine tiefere Bedeutung dahinter? Wenn ja, welche? Im Lateinischen hat tempus sogar eine Doppelbedeutung, sowohl „Schläfe“ als auch „Zeit“. Auch im Englischen gibt es eine Doppelbedeutung, Schläfe und Tempel. Vielleicht hat Leonardo ein Wortspiel verschlüsselt, in dem es nicht um Christis Schläfe geht, sondern Christus als heiliger Tempel gemeint ist? Wenn Jesus der Tempel ist, könnte die neben ihm sitzendende Person Maria Magdalena, der Heilige Gral sein? Leonardo erfand Rätsel, schrieb in Spiegelschrift, codierte Zahl- und Maßangaben in Worte. Er lernte sogar Vokabel aus dem Lateinischen und übersetzte sie ins Italienische unter Erfindung neuer Wortbedeutungen. Leonardos Vokabeltraining und seine Wortspiele in Spiegelschrift sind noch nach 520 Jahren in seinen eigenen Aufzeichnungen zu lesen. 8000 lateinische Vokabel und ihre italienische Bedeutung sind auf etlichen Seiten des 55 Blatt umfassenden „Codex Trivulzianus“ erhalten. Dieses Dokument ist in der Bibliothek des Castello Sforzesco in Mailand aufbewahrt und normalerweise nicht öffentlich ausgestellt. Der Erfolg des Romans und Films „The Da Vinci Code“ hat allerdings dazu beigetragen, dass der Codex jetzt zu besichtigen ist.

      Code Nr. 4:

       Der musikalische Code im „Letzten Abendmahl“

      Leonardos Abendmahl enthält eine Geheimmusik, im Bild versteckte Noten, die eine himmlische Melodie ergeben. Diese völlig überraschende Entdeckung machte der italienische Musiker und Computerfachmann Giovanni Maria Pala im Jahr 2007 und publizierte sie in seinem Buch „La musica celata“ („Die verborgene Musik“).

      Gemeinsam mit seiner Frau, einer Kunstexpertin, meint er hinter Leonardos Geheimnis gekommen zu sein und den wirklichen Da Vinci Code geknackt zu haben.

      Er entdeckte die Musiknoten in den runden Brotlaiben und den Händen der Apostel. Das Tischtuch der Abendmahltafel ergibt sozusagen ein Notenblatt. Pala spiegelte es, da Leonardo ja in Spiegelschrift schrieb, und spielte die Noten auf der Orgel, dem bevorzugten Instrument für sakrale Musik.

       Der musikalische Code im „Letzten Abendmahl“ (Zeichnung G. Lukacs nach G. M. Pala, „La musica celata“).

      Was er zu hören bekam, war eine 40 Sekunden andauernde Sequenz einer himmlischen Melodie, ein feierliches Adagio, ähnlich einer Hymne – zur Stimmung des letzten Abendmahls passend. Es sind Moll-Akkorde und neun Terzen, welche die als Noten gelesenen Brotlaibe und Hände ergeben. Eine Melodie zu erkennen, gelang Pala erst nach vielen Versuchen. Vier Jahre lang tüftelte er an der Entschlüsselung, bis er mit seiner Entdeckung an die Öffentlichkeit trat. Heute ist er fest davon überzeugt, dass Leonardo Noten, ja sogar eine göttliche Melodie im Abendmahl verborgen hat.

      Die Fachwelt hat Palas Entdeckung natürlich mit Skepsis aufgenommen, musste aber mittlerweile anerkennen, dass die theoretische Möglichkeit einer im Abendmahl-Gemälde versteckten Melodie durchaus realistisch ist. Einzelne Renaissance-Komponisten haben bereits im heutigen Notensystem geschrieben. Der Kunsthistoriker Alessandro Vezzosi hält Palas Erkenntnisse für plausibel. Vezzosi verwies darauf, dass Leonardo Musikinstrumente entworfen und in seinen Schriften musikalische Rätsel versteckt hatte, die von rechts nach links gelesen werden mussten.

      Pala machte noch eine weitere Entdeckung. Die Verbindung der Noten ergibt – wieder von rechts nach links geschrieben – aramäische Buchstaben. Luigi Orlando, ein italienischer Bibelwissenschaftler, erkennt darin eine durchaus sinnvolle Konsonantenreihe. Übersetzt würde sie heißen: „Weihe und Ruhm durch Ihn“, eine „Hymne an Gott“, die auf Leonardos Religiosität ein neues Licht werfen könnte.

      Pala hat tatsächlich einen neuen Da Vinci Code entdeckt. Seine Erkenntnisse hat er in einem Buch veröffentlicht, welches seit seinem Erscheinen 2007 in mehrere Sprachen übersetzt worden ist. Die Zugriffe auf seine Webseite gehen in die Hunderttausende. Dort kann man auch die von Pala entschlüsselte Musiksequenz hören.

      Tipp

       Giovanni Maria Pala: La musica celata. 2007 Buch und CD

       Die Umrisse der Maria-Magdalena-Kirche auf dem Stephansplatz.

      Der Festtag der Maria Magdalena ist der 22. Juli. Eine Bauernregel für diesen Tag besagt: „An Magdalena regnet’s gern, denn sie weinte um den Herrn.“

      Die Maria-Magdalena-Attribute sind:

       roter Mantel – blaues Kleid,

       lange Haare, weil sie Christus Füße mit ihren Tränen benetzte und mit ihren Haaren trocknete,

       Salbgefäß,