Klaus Nüchtern

Kleine Quittenkantate für Kastratensopran und Querflötenquintett


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gut, aufs Erste hat das jetzt nicht sooo toll geklappt. Aber zum einen muss ich gestehen, das Aufkommen an Frühlingsfreuden im Böhmischen Prater letzten Sonntag nicht mit allerletzter Gründlichkeit in Augenschein genommen zu haben, und zum anderen habe ich mich selbst dann ja auch nicht als Grünspecht verkleidet. Der erbswurstsuppenfarbene Pulli, den ich probiert habe, war eine Nummer zu klein, und beim roten Mützchen hätte ich auch passen müssen. Außerdem kommt erschwerend hinzu, dass der Bierstadl gerade umgebaut wird und ergo geschlossen hat (zu Beginn der Saison – eine Spitzenidee!), man also auf den Werkelmann angewiesen ist, wo das Gselchte und die Fleischknödel untadelig waren und Gösser ausgeschenkt wird, es also im Prinzip nichts zu mosern gibt, was aber nichts daran ändert, dass ich ein Bierstadl-Mann bin (Der Kies! Die Bäume!! Das Budweiser!!!). Und noch eins: Jetzt steht die spitzgiebelige Kartoffelbratbude von Herrn Jancura vis-à-vis der Märchenbahn schon die zweite Saison ungenutzt herum. Es ist natürlich das gute Recht von Herrn Jancura, in Pension zu gehen, in Immobilien, Buddhismus, Schlauchbooten, Neosuprematismus oder was auch immer zu machen; aber wozu haben wir eine sozialdemokratische Stadtregierung mit absoluter Mehrheit, wenn dann die Grundversorgung der Wiener Bevölkerung mit Lockenchips – ein Menschenrecht! – von den Zufälligkeiten individueller Lebensplanung abhängig bleibt, häh?!! Da hätten wir gleich das Liberale Forum wählen können! (Was wurde eigentlich aus Gabi Hecht?) Jetzt soll man aber nicht gleich die Flinte ins Korn werfen, solang es noch nicht mal reif ist. Es wird jetzt also bitte Folgendes gemacht: Der Bierstadl renoviert (aber pronto!); ein Pächter für die Lockenchipsbude gesucht (und gefunden!); und nachdem die Buntspechtvariante als überkomplex sich erwiesen hat, ein neues Frühlingsbegrüßungsritual verordnet: Alle stecken sich einen Bund Frühlingszwiebel an Mütze/​Kappe/​Hut. Nächstes Wochenende bin ich eh im Ausland (champagnisieren!), aber am Palmsonntag komm ich nachschauen!

      Ich fordere besser inszeniertes Wetter!

      Vor einigen Wochen besuchte ich die Inszenierung eines berühmten und beliebten, weil auch voll kontroversiellen deutschen Regisseurs, von dem ich bis dahin noch gar nix gesehen hatte. Ich muss zugeben, dass ich andernfalls auch kaum auf die Idee verfallen wäre, mir ein Stück von Tennessee Williams anzusehen, weil ich damit schon während meiner Schulzeit abgefüllt worden bin und mir seitdem flapsige Floskeln wie „schwüle Südstaatendramatik“ durch den Kopf rauschen. Die hoch gepriesene Inszenierung dauerte nicht unlang, war auch nicht ununterhaltsam, vor allem aber sehr nass: Andauernd wurde herumgepritschelt, in Becken gesprungen, auf feuchten Bohlen ausgerutscht, pladderte der Regen tüchtig auf die Bühne. Aha!, dachte ich mir. Nicht nur heißes Blechdach, sondern auch feuchte Bohlen. Interessant! Ich habe jetzt keine Lust, das zu überprüfen, würde aber gerne behaupten wollen, dass es bei Tennessee Williams irgendwann immer furchtbar zu regnen beginnt. Und dann würde ich auch noch hinzufügen mögen, dass sich das Leben gefälligst an die Stücke von Tennessee Williams halten soll. Unlängst saß ich hinter einer Trabrennbahn und beobachtete ein heraufziehendes Gewitter. Stundenlang. Die Wolken waren schwer am Ballen, die Böen am Stürmen, der Donner am Grollen, die Blitze am Zucken. Nachdem Gläser, Stühle und Kellner auf die Trabrennbahn geweht worden und dort zu Bruch gegangen waren, begaben wir uns auf die Veranda und warteten auf den Regen. Der dann auch kam – als wir zum Taxi liefen. Dann aber krachte und schüttete es immerhin ausgiebig, was ja aus dramaturgischen und beischlaftechnischen Gründen sehr zu begrüßen ist. In letzter Zeit passiert aber so gut wie gar nix: Drückende, unerlöste Südstaatenschwüle hängt über dem Land, kreist in sich selbst, entringt sich ein paar Tropfen, die während des Fallens verdampfen, entfacht heiße Winde, die sinnlos über den kochenden Asphalt streichen. Herr Williams, bitte unternehmen Sie was!!!

      Zwei Tage Ferien

      Folgt man einer konventionellen Definition von Urlaubsvergnügen, dann war mein letztwöchiger Aufenthalt im Mühlviertel ein totaler Reinfall. Man muss das aber nicht so sehen. Zugegeben: Mit einem unförmigen, von diversen Rollen und Säcken überwucherten Rucksack mehr als vier Stunden per Bahn und Taxi anzureisen, um kurz mal schwimmen zu gehen, eine unfassbar öde Wanderung auf einer Forststraße ohne Charme und Aussicht zu unternehmen, sich vollregnen zu lassen und nach zwei Nächten mit einem unförmigen, von diversen Rollen und Säcken überwucherten Rucksack mehr als vier Stunden per Taxi und Bahn wieder heimzureisen (in Linz muss man auch noch den Bahnhof wechseln, aber da bin ich schwarzgefahren – hehehehe!) rangiert auch auf meiner Liste der Traumurlaube nicht unter den Top Ten, aber als Generalprobe war’s doch ganz brauchbar. Ich weiß jetzt, dass ich mein 14 Jahre altes Interrailzelt noch aufstellen kann, dass es fast dicht ist, dass der Weg von Schwarzenberg nach Holzschlag der Mühe nicht lohnt und dass am Montag in Klaffer am Hochficht beide Wirtshäuser geschlossen sind. Wenn sie offen haben, kriegt man allerdings Schlägl-Bier; und das hat selbst Ivan Klein, Großmufti des Missmuts und Ehrenprofessor für schlechte Laune an der Universität von Warschau, schon vor Jahren als „Fiebertraum“ bezeichnet (ich glaube, es war wohlwollend gemeint gewesen). Außerdem habe ich die außergewöhnlichste Frage seit meiner Mathematikmatura gestellt bekommen: Als ich das regionale Taxiunternehmen kontaktierte und mitteilte, dass ich einen Wagen für die Fahrt von Klaffer nach Aigen-Schlägl benötigte, meinte die Dame am Telefon schlicht: „Warum?“ (Man sieht, der Mühlviertler geht die Dinge gerne etwas gründlicher an.) Bemerkenswert auch das Klafferer Mikroklima: Während sich dort Wolken von der Farbe schmutziger Wattebäusche müde über den Böhmerwald wälzen, hat es im Rest des Landes eine Fernsicht, dass man Klöster von den Hügeln fotzen möchte.

      Wie ich einmal zu sehr gebremst wurde

      Unlängst war mir einmal danach, etwas total Verrücktes zu machen. Ich finde, dergleichen sollte auch Herren aus der Prä-Skateboard-Generation möglich sein. Ich hatte mich an diesem frühlingshaften Nachmittag in den beliebtesten Biergarten des grundsympathischen zweiten Wiener Gemeindebezirkes begeben, um der Lektüre feministischer Romane durch den Verzehr von Rohscheiben, Rettich und adäquaten Begleitgetränken einen würdigen Rahmen zu verpassen. Das Wetter und der Kellner, der wiederholt mit dem unwiderstehlichen Satz „Nemma no ans?“ vorstellig wurde, wollten es, dass mir das Druckluftgezapfte gut ins Blut ging und ich auf diese Weise in eine angenehme und durchaus gewollte Trunkenheit geriet, denn gewiss hätte ich das Ansinnen des tüchtigen Servierburschen auch mit einem brüsken „Hoho, junger Freund, wo denken Sie hin?!“ von mir weisen und die Rechnung verlangen können. Das tat ich indes erst, nachdem ich die freundliche Frage zwei Mal bejaht, dem Begehr fremder Herren, an meinem Tisch Platz zu nehmen, hingegen nicht entsprochen hatte – ich lasse mir doch nicht von jedem Büroschwänzer in meine feministischen Romane linsen! Am Praterstern entschloss ich mich dann – wieder hatte das Wetter seine güldenen Finger im Spiel –, für die Heimreise nicht die unterirdische U-, sondern die großteils über Tag geführte Schnellbahn zu wählen, was ich ansonsten aus Gründen schierer Gewohnheit nicht zu tun pflege. An diesem Tag allerdings suchte ich das Außergewöhnliche! Als Jahresnetzkarteninhaber steht mir das auch zu, solange ich Unfug im Wageninneren unterlasse. Am Matzleinsdorfer Platz dann war ich so aufgekratzt, dass ich große Lust verspürte, das Treppengeländer hinunterzurutschen, was allerdings aufgrund der übermäßigen Friktion zwischen Handlauf und Hosenboden nicht in der entsprechenden Fidelheit gelingen wollte. Es war fast so schlimm wie damals mit Baumwollbadehose auf der Erlebnisbadrutsche. Man sollte den Schwung, den budweisererleuchtete Frühlingstage aufgenommen haben, nicht so rüde abbremsen. Hier herrscht akuter Handlungsbedarf!

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