hinauf getriebene Wasser zu beyden Seiten, durch die künstlichen Fontainen und Cascaden, stuffenweise wieder herab fället, angeleget, und wird noch jährlich an dessen Perfection gearbeitet. Dieses Grotten-Werck, welches das unvergleichlichste in ganz Deutschland ist, kan mit allen Grotten-Wercken in ganz Europa streiten.5 Der Text ist teilweise wortgleich mit den Ausführungen von Hübner, weshalb konsequenterweise auch bei Zedler die Herkulesfigur fehlt. Der von Hübner und Zedler gesetzte Schwerpunkt der Beschreibung auf Wasserkünste und Aussicht wird von den nachfolgenden Enzyklopädien übernommen.
1751 räumt die berühmte französische Encyclopédie von Diderot und D’Alembert Cassel zwei Zeilen ein: eine große Stadt in Deutschland, Längen- und Breitengrade, mehr erfährt man hier nicht.6 Der Weißenstein ist nicht berücksichtigt und auch im Artikel „Cascade“ kennt man die größten Wasserkünste aus Deutschland nicht.
Die ‚Oekonomische Encyklopädie‘ von Johann Georg Krünitz aus den Jahren 1773 bis 1858 enthält keine geographischen Lemmata, so dass man in den 242 Bänden nur indirekt fündig werden kann.7 Die Artikel „Grotte“8 und „Lustberg“9 beachten den Karlsberg als Gesamtanlage mit Wohlwollen. Wenngleich die Herkulesfigur im Text keine Rolle spielt, zeigt der die Grotten illustrierende Stich10 die Kasseler Kaskadenanlage in Schrägansicht – und damit auch den Herkules. In den Artikeln „Monument“11 sowie „Leibes-Größe“12 dient der gewaltige Herkules in Cassel jeweils als Teil der aufgezählten Beispiele.
1796 bis 1808 erschien das sechsteilige ‚Conversations-lexikon mit vorzüglicher Rücksicht auf die gegenwärtigen Zeiten‘ von Renatus Gotthelf Löbel und Christian Wilhelm Franke. Der Weißenstein findet in der knappen Beschreibung der Stadt „Cassel“ Erwähnung: (in der Nachbarschaft): das Schloß Weißenstein; der Garten und die Cascada daselbst, nebst dem riesenmäßigen Herkules auf dem Gipfel desselben […].13 Damit ist die Herkulesfigur – 80 Jahre nach ihrer Aufstellung – enzyklopädisch eingeführt. Friedrich Arnold Brockhaus kaufte die „Löbel-Ausgabe“ und führte sie in neuen Auflagen fort. In seinem in Amsterdam in den Jahren 1809 bis 1811 verlegten sechsbändigen ‚Conversations-Lexikon‘ bleibt der Artikel über ‚Cassel‘ mit dem benachbarten Weißenstein völlig unverändert.14 In der 4. Auflage von 1817 wird die „Wilhelmshöhe“, wie der Weißenstein seit 1798 bezeichnet wird, als „irdisches Paradies“ vorgestellt. Ihre Anlagen, die zu den merkwürdigsten Europas zu zählen seien, werden geradezu ausschweifend beschrieben. Die über mehrere Seiten reichende, ciceroneartige Schilderung schraubt sich mit der Aufzählung aller Details und Bauwerke vom Schloss bis zur Bergspitze und würdigt ausführlich – exakt 100 Jahre nach ihrer Aufstellung – die Herkulesfigur: Oben auf dieser Pyramide steht auf einem 11 Fuß hohen Piedestal die kolossale Statue des Farnesischen Herkules, in der umliegenden Gegend der große Christoph genannt, und krönt die Spitze des ganzen bewundernswürdigen Gebäudes. Drei Jahre nachher, als Guernieri den großen Bau vollendet hatte, nämlich im Jahre 1717, wurde sie an ihrem jetzigen Platze aufgestellt; sie ist aus Kupfer getrieben und 31 Fuß hoch. Das Piedestal und die Bildsäule selbst sind hohl und auf Leitern kann man bis in die kupferne Keule, worauf der Koloß seinen kräftigen Arm stützt, steigen; diese Keule ist von solcher Größe, daß zwölf erwachsene Personen darin Raum haben; in derselben ist eine Thür angebracht, deren Öffnung theils die außerdem hier herrschende finstere Nacht in eine Dämmerung verwandelt, theils dazu dient, die unbeschränkteste und herrlichste Aussicht sogar bis zum Inselberg bei Gotha und bis zum Brocken hin zu gewähren.15 Die Genauigkeit des Brockhaus setzt Maßstäbe für die folgenden Nachschlagewerke. Die Herkulesfigur mit ihrer gewaltigen Größe wie auch die Bezeichnung „großer Christoph“ sind ab jetzt enzyklopädietauglich.
Um einen Brockhaus-Nachdruck – eigentlich Raubdruck – handelt es sich bei dem inaktuellen Conversations-Lexicon von Macklot, der noch 1819 den längst in Wilhelmshöhe umbenannten „Weißenstein“ als Lemma führt.16
Erfolglos bleibt die Recherche in der großen deutschsprachigen Enzyklopädie von Ersch und Gruber. In den Jahren 1818 bis 1889 erschienen nicht weniger als 167 Bände, die allerdings beim Buchstaben P enden. Im vierspaltigen Artikel über „Cassel“ gehört die „prächtige Wilhelmshöhe“ zu den aufgezählten Besonderheiten, die die Stadt vorzüglich anziehend machen, dennoch wird sie an dieser Stelle nicht näher beschrieben.17
Die 31. Auflage von Johann Hübners ‚Conservations-Lexikon‘ von 1824 würdigt beim Stichwort „Wilhelmshöhe“ zunächst die Bauten Kurfürst Wilhelms. Danach heißt es hier: Der Karlsberg oder der Winterkasten mit dem Riesenschloß sind frühere Anlagen. Aus der Keule des Herkules blickt man nach dem gothaer Inselberg.18
In David Brewsters ‚Edinburgh Encyclopaedia‘ wird die Wilhelmshöhe im einspaltigen Artikel über „Cassel“ als herausragendes Reiseziel gerühmt. Aus der Ferne gewinnt die mächtige Figur an Bedeutung: In the neighbourhood of Cassel is the beautiful castle of Wilhelmshohe, formerly Weissenstein, which is visited by all strangers. The fine cascades; the colossal Hercules of Winterkasten; the lofty jet d’eau; the Loweenbourg …19
1 Carl Herloßsohn, Damen Conversations-Lexikon. Titelblatt von Bd. 6, 1836
Als eine der imposantesten Städte Deutschlands bezeichnet das zehnbändige ‚Damen Conversations-Lexikon‘ von 1834 bis 1838 (Abb. 1) die Stadt Kassel: Eine Stunde von der Stadt liegt Wilhelmshöhe, ein im edlen Stile gebautes Schloß mit herrlichem Parke, ferner die Löwenburg mit Einsiedeleien, Cascaden, Fontainen, einer 127 F. hohen Säule des Herkules.20 Doppelt hält besser: im Beitrag über „Wilhelmshöhe“ zählt „die Bildsäule des Herkules“ zur „höchst interessante[n] Zusammenhäufung von Sehenswürdigkeiten“.21
Über drei Spalten reicht die umfangreiche Darstellung der Wilhelmshöhe in Pierers ‚Universal-Lexikon‘ aus dem Jahre 1836, die in der Beschreibung des Herkules gipfelt: … auf dem Plateau dieser Pyramide ist endlich die kolossale Statue des Hercules (auch der große Christoph genannt) aufgestellt, sie ist ohne das 11 Fuß hohe Piedestal, 31 Fuß hoch aus Kupfer (von Küper 22 1717) verfertigt. Durch das Piedestal kann man auf Leitern bis in die Keule des Hercules steigen, der untere Theil derselben hat 9 Fuß im Durchmesser, so daß mehrere Personen darin stehen können, es ist auch eine Fensteröffnung angebracht, durch welche man eine reizende Aussicht auf Kassel und zur Seite weithin zum Brocken hat.23 Pierer vergisst nicht, am Ende auf die teuren und schwierigen Reparaturen hinzuweisen.
Ganz anders sieht es dagegen im ‚Volks-Conversations-lexikon‘ (1848) aus, eine immerhin 18 Bände umfassende bescheidene Oktavausgabe der „Gesellschaft zur Verbreitung guter und wohlfeiler Bücher“. Die auf einen Satz komprimierte Aussage zur Wilhelmshöhe bietet keinen Platz für die Erwähnung der Herkulesfigur.