ehemaliger Kampfschwimmer ist durchaus nicht auszuschließen. Der Spur werden wir auf alle Fälle nachgehen.« Theresa Marotzke erzählte, dass die DDR-Volksmarine ein Kampfschwimmerkommando unterhalten hatte. Ein Freund ihrer Eltern hatte als ganz normaler Berufstaucher angefangen und war dort gelandet. »Da passt ja alles«, kam es aus den hinteren Reihen der Presseleute. »Das letzte Opfer war ja auch ein typischer imperialistischer Klassenfeind.« Der Mann, den es in der Nähe der Landzunge 44 erwischt hatte, war der 67-jährige Journalist Herbert Heidereuter, der beim RIAS gearbeitet und unaufhörlich über die Missstände in der DDR berichtet hatte.
»Das wäre eine Möglichkeit«, sagte Granow. »Aber die ungewöhnliche Mordmethode spricht eher dafür, dass es sich bei Heidereuter um ein reines Zufallsopfer handelt.«
»Das ist am wahrscheinlichsten, wenn es stimmen sollte, dass wir es mit einem Serientäter zu tun haben«, fügte Theresa Marotzke hinzu.
In der Tat gab es in den Biographien der fünf im Umkreis von Schmöckwitz ertrunkenen Menschen keinerlei Parallelen. Leider waren die Toten alle eingeäschert worden, so dass sich keine Obduktion mehr vornehmen ließ und nicht auszuschließen war, dass es sich doch um Unfälle gehandelt hatte.
»Ein irrer Taucher schwimmt also los und sucht sich wahllos ein Opfer aus.« Granow – und bald auch die ganze Mordkommission – war sich da sicher. »Was benötigt ein Taucher eigentlich?«, fragte Granow in die Runde.
»Außer Anzug, Maske, Sauerstoffflasche, Flossen und Bleigürtel braucht er vor allem eine Basis«, erwiderte Theresa Marotzke schnell. »Kein Taucher ohne Basis.«
Sofort war einer der Kollegen am Computer. »Mist, die nächstgelegene Tauchschule haben wir in Karlshorst. Rings um Schmöckwitz gibt es nichts.«
»Dann müssen wir unseren Suchradius eben erweitern«, sagte Granow bestimmt und verteilte die Aufgaben. »Es gilt jetzt, bei allen Tauchschulen, Tauchsportvereinen und allen Geschäften für Taucherbedarf nachzufragen und zu sehen, ob sich ein Anhaltspunkt ergibt. Auf zu den Dive-Centern! Theresa und ich besorgen uns ein Motorboot und befragen alle, die wir an den Ufern von Großer Krampe, Langem und Seddinsee antreffen.«
»Und an den Einsatz von Lockvögeln … ich meine, an Lockschwimmern ist nicht gedacht?«, fragte einer.
»Doch, ich stoße Theresa ins Wasser und rase dann davon«, scherzte Granow.
»Wehe!«, rief Theresa Marotzke.
Granow und Theresa Marotzke machten sich nun mit professionellem Können und höchstem Eifer an die Arbeit, schipperten über die besagten Gewässer und befragten alle Uferbewohner, Camper und Badegäste – doch zwei Tage lang blieben sie ohne Erfolg.
»Buchen wir die zwei Tage als außerordentlichen Urlaub ab«, sagte Granow schließlich.
»Wenn de recht hast, haste recht. Is ja ooch ’ne herrliche Jegend hier!«
Granow war schon dabei, einen Schlussstrich unter ihre Ermittlungen zu ziehen, da sahen sie, dass drüben am westlichen Ufer der Großen Krampe jemand am Ufer stand und ihnen zuwinkte. Es war einer der Männer, die in der kleinen Bucht hinter Krampenburg auf einem Hausboot lebten. Er sah aus wie einer der Autonomen, die bei den Kreuzberger Festspielen am 1. Mai immer Brandsätze auf ihre Kollegen warfen, und konnte sich daher grundsätzlich keiner großen Sympathie bei ihnen erfreuen.
»Sie sind doch sicher von der Kripo und ermitteln in diesem mysteriösen Badeunfall?«
»Warum fragen Sie?«
Der Mann beugte sich verschwörerisch zu ihnen hinunter. »Ich wollte Ihnen nur sagen, dass hier auf dem Hausboot nebenan ein Assistent der Humboldt-Uni wohnt, und der scheint mir nicht ganz sauber zu ticken. Manchmal sehe ich ihn nachts seine Taucherausrüstung anziehen und stundenlang tauchen gehen. Und tagsüber sitzt er oft grimmig am Ufer und starrt die Leute, die hier baden gehen, äußerst merkwürdig an. Sein Name ist Arnulf Affinghausen. Aber ich will nichts gesagt haben …«
Granow bedankte sich für diese Auskunft. Die beiden Kommissare maßen dem Ganzen keine besondere Bedeutung bei.
»Das wird ein Student gewesen sein, der sich für eine schlechte Note rächen will«, befand Theresa Marotzke.
»Das würde ich auch sagen«, stimmte Granow zu.
Aber sicher war sicher, sie mussten allen möglichen Spuren nachgehen, bevor es ein nächstes Opfer gab. Als sie wieder im Büro waren, setzte sich Granow an den Computer. Und da das, was die Kolleginnen und Kollegen im Falle des ertrunkenen Ex-RIAS-Journalisten Herbert Heidereuter zusammengetragen hatten, auch auf seiner Festplatte zu finden war, rief Granow den betreffenden Ordner auf und ließ das Programm nach Arnulf Affinghausen suchen. Plötzlich schrie er auf. »Mensch, das gibt’s doch nicht!«
Theresa Marotzke erschrak und schnellte von ihrem Bürosessel hoch. »Was ist denn?«
»Der gute Affinghausen hat sich in Karlshorst eine Taucherausrüstung gekauft – und er lebt tatsächlich auf einem Hausboot, das in Krampenburg vor Anker liegt …«
»Mit seinem Jagdrevier sozusagen direkt von dem Fenster«, ergänzte Theresa Marotzke.
»Und nun?« Granow war unentschlossen.
Seine junge Kollegin ergriff die Initiative. »Wir verschaffen uns einen Durchsuchungsbefehl und sehen, ob wir was finden. Aufzeichnungen oder so …«
»Und wenn nicht? Ohne etwas Handfestes gegen ihn wird er kein Geständnis ablegen. Und wir stehen dann als Idioten da.«
»Wenn wir bei ihm auftauchen, kommt das einem Warnschuss gleich. Er würde sich sicherlich hüten, wieder zuzuschlagen.«
»Weiß man’s, ob nicht doch dunkle Triebkräfte im Spiele sind?« Granow überlegte. »Mir wäre schon lieber, wir sorgen dafür, dass dieser Mann, der sich wahllos irgendwelche Opfer aussucht, im Knast oder meinetwegen in der Psychiatrie landet – jedenfalls sicher verwahrt. Doch dafür brauchen wir sein Geständnis. Oder aber wir müssen ihn auf frischer Tat ertappen.«
Theresa Marotzke hatte eine Idee. »Wir besorgen uns Kampfschwimmer der Bundeswehr und setzen sie als Lockvögel ein.«
So exotisch dieser Vorschlag anfangs auch schien, die Vorgesetzten stimmten schließlich zu. Die Aktion endete jedoch ohne Erfolg. Keiner der eingesetzten Männer wurde angegriffen, so dass man sich am Ende der Badesaison doch entschloss, Affinghausens Hausboot zu durchsuchen.
Mit der Staatsanwältin Dr. Monique Müller-Linthe an der Spitze und einem Durchsuchungsbefehl in der Tasche rückte man in Krampenburg an. Affinghausen war nicht auf seinem Hausboot, aber die Türen ließen sich leicht öffnen. Und die Kommissare hatten Glück! Sie fanden nicht nur eine komplette Taucherausrüstung, sondern auch Affinghausens Tagebuch. Das enthielt wirre Sätze und Zeichnungen, die alles bewiesen. Unter anderem war zu lesen:
Im Brunnen sitzt der Hakenmann. Was macht er in dem Wasser drin? Er lauert mit der Hakenstange, auf dass er kleine Kinder fängt.
Dieses Greuelmärchen hat mir meine Großmutter auf dem Bauernhof in der Prignitz oft erzählt, damit ich um den Brunnen einen großen Bogen machte und ja nicht hineinfiel. Ich gehe die Sache jetzt wissenschaftlich an. Die langen Vorbereitungen haben sich gelohnt, niemand ist mir auf die Schliche gekommen. Wie meine Opfer gestrampelt haben, herrlich! Nun bin ich selbst ein Hakenmann.
Die Kommissare machten sich sofort zur Humboldt-Universität auf, um den verrückten Arnulf Affinghausen festzunehmen. Doch als sie in den Hörsaal stürmten, stürzte der Assistent ans Fenster und versuchte, sich mit einem Sprung auf die Straße in Sicherheit bringen.
Im nächsten Sommer sollte es um Schmöckwitz herum keine Badeunfälle mehr geben. Denn Arnulf Affinghausen überlebte den Sturz aus dem Fenster seines Hörsaals nicht.
***
Schon auf der Heimfahrt von der Sektion der Wasserleiche aus der Dahme dachte Schwarz über seine Fälle nach, bei denen in den vergangenen Jahrzehnten Wasser ein Rolle gespielt hatte.
Wasser – im Sinne