Rolf Schmidt

Von der Südküste in das Fjordland: Norwegen, eine Reisebeschreibung


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      Im Selbstbedienungsrestaurant leiste ich mir nach dem Geldumtausch ein großes Sandwich mit Lachs und einen Pott Kaffee. Zur Bezahlung nutze ich schon die eingetauschten Kronen. Dann ziehe ich mich auf einen freien Sitzplatz nahe der Rezeption in der Mitte des Schiffes zurück. Von hier aus beobachte ich das teilweise hektische Treiben der Passagiere. Dabei sind mir doch ganz plötzlich und auch nur ganz kurz die Augen zugefallen. Ich hoffe nur, dass ich während meines kleinen Nickerchens nicht allzu heftig geschnarcht habe.

      Eine laute Durchsage reißt mich dann aus den Träumen. Leider wird aber nur norwegisch gesprochen. Ich kratze alle meine gelernten Vokabeln zusammen, um mitzubekommen, worum es geht. Soweit ich verstanden habe, kann unser Schiff wegen eines technischen Defektes nicht mit voller Kraft fahren. Wir werden deshalb Kristiansand erst mit einer halben Stunde Verspätung erreichen. Das stört mich aber nicht im Geringsten. Ich brauche vom Hafen aus nur noch etwa 50 Kilometer bis zu meinem Hotel in Mandal zurücklegen. Die Hauptsache ist, dass wir überhaupt noch heute in Norwegen ankommen.

      Nach einer weiteren halben Stunde verlasse ich meinen Sitzplatz und mache mich auf den Weg zum Außendeck. Wir haben nämlich schon die Schären vor Kristiansand erreicht und fahren jetzt langsam zwischen den Felsen hindurch. Viele Passagiere sind nun auf das Deck hinausgegangen und genießen in der Sonne die letzten Minuten der Überfahrt. Immer wieder muss das Schiff kleinen und großen Inseln ausweichen. So kann man vom Schiff aus immer wieder auf die Stadt Kristiansand, die mit über 84.000 Einwohnern fünftgrößte Stadt des Landes, blicken. Auf den Inselhäusern wehen norwegische Flaggen in allen Größen. Da wir uns nur mit langsamer Geschwindigkeit dem Color Line Terminal nähern, bleibt genügend Zeit, um die Einfahrt in den Hafen zu genießen. Die Fähre gleitet gemächlich an dem markanten Gebäude des neuen „Kilden - Theater- und Konzerthaus“ vorbei.

      Während der Wartezeit auf dem Schiff habe ich mich mit einem Prospekt von Kristiansand beschäftigt. Darin habe ich auch gelesen, dass die Kronprinzessin Mette-Marit aus dieser Stadt stammt. Dann macht die Fähre am Pier fest und wenige Minuten später kann ich an Land fahren. Dort geht es nun sehr, sehr langsam voran. Aus den drei Spuren, die aus dem Inneren des Schiffes kommen, wird nach wenigen Metern nur noch eine. Das Einordnen dauert ganz schön lange. Auch müssen wir erst einmal uns alle Bereiche des Hafengeländes bei der Ausfahrt ansehen. Die Autokolonne rückt nur langsam weiter. Unmittelbar nach dem Hafen komme ich an einen Kreisverkehr. Hier teilen sich die Fahrzeuge, die aus Dänemark kommen, einigermaßen schnell auf. Die meisten von ihnen fahren in Richtung Larvik und Oslo nach Osten. Nur wenige wollen, so wie ich, nach Westen.

       Kilden - Theater- und Konzerthaus in Kristiansand

      Auf der Europastraße 39 geht meine Fahrt nun in Richtung Mandal weiter. Aber schon bald stecke ich wieder im Stau. Am Ortsausgang von Kristiansand werden gerade umfangreiche Straßenbauarbeiten durchgeführt. Die bereits vorhandene Straße wird auf vier Fahrbahnen erweitert. Da heute Freitag und außerdem gerade Feierabend ist, hat sich ein Stau gebildet, der sich am Ende auf über 10 Kilometer hinzieht. Erst danach wird der Verkehr wieder flüssiger und ich kann endlich mal wieder 80 Stundenkilometer schnell fahren. Mit genügend Ausdauer und Geduld erreiche ich kurz vor halb sechs Uhr mein erstes norwegisches Ziel, die Kleinstadt Mandal.

      Mandal ist die südlichste Stadt Norwegens und liegt in der Provinz Vest-Agder. Sie hat rund 15.260 Einwohner. Der Ort wurde um 1500 als Verladestation für Holz gegründet. Heute befinden sich hier noch Werftanlagen und die Redaktionen von verschiedenen lokalen Zeitungen. Erst im Jahr 1921 erhielt Mandal das Stadtrecht.

       Der bekannte norwegische Bildhauer Gustav Vigeland wurde in Mandal am 11.04.1869 geboren. Im Jahr 1902 hat er die Medaille für den jährlich in Oslo vergebenen Friedens-Nobelpreis entworfen. Sein umfangreiches Werk kann man im Frognerpark in Oslo bewundern.

       Charakteristisch für Mandal sind die vielen weißen Holzhäuser. Die im Jahr 1821 erbaute Kirche mit 1.800 Sitzplätzen ist das zweitgrößte sakrale Bauwerk Norwegens.

      Dank meiner intensiven Reisevorbereitungen ist es kein Problem, das „First-Hotel Solborg“ zu finden. Es befindet sich in einer ruhigen Nebenstraße etwas abseits vom Zentrum. Von außen macht es einen nicht gerade Vertrauen erweckenden Eindruck. Die Fassade ist dringend renovierungsbedürftig. Dafür ist der Empfangschef umso freundlicher. Von ihm erhalte ich an der Rezeption nach Vorlage des Vouchers den Zimmerschlüssel und die Information, dass ich heute der einzige Gast mit Halbpension bin und mein Abendessen deshalb nicht im Hotel einnehmen kann. Damit ich aber nicht verhungern muss, hat man für mich einen Platz in einem der besten Restaurants in der Stadt reserviert. Der Mitarbeiter möchte von mir nur noch wissen, wann ich zu speisen gedenke. Auf einem Stadtplan zeigt er mir den Weg zu dem Restaurant „Hr. Redaktör“. Es ist nicht weit vom Hotel entfernt und in etwa 10 Minuten Fußmarsch zu erreichen. Ich entscheide mich für 19 Uhr. So habe ich noch genügend Zeit, um mein Zimmer zu beziehen und mich etwas frisch zu machen.

      Dann starte ich den Weg zur Gaststätte. Sie befindet sich direkt im Zentrum der fast nur aus weißen Holzhäusern bestehenden Kleinstadt. Dank der guten Wegbeschreibung finde ich das Restaurant ganz schnell und werde auch freundlich begrüßt. Die Kellnerin führt mich zu einem für mich reservierten Platz. Als erstes leiste ich mir zum Abschluss des heutigen Tages ein großes Bier. Mein Abendessen besteht aus einer Vorspeise, Hühnchen auf Nudeln mit Gemüse und anschließend noch Joghurtspeise mit frischen Erdbeeren. Ganz zum Abschluss gibt es noch einen Kaffee. An einem der Nachbartische haben während meines Essens drei ältere und gutgekleidete Damen Platz genommen. Sie scheinen sich sehr viel zu erzählen zu haben. Während sie aufeinander einreden isst jede einen Hamburger. Gemeinsam trinken sie dazu eine ganze Flasche Rotwein aus.

      Das Restaurant ist in dem Gebäude untergebracht, in dem sich auch die Redaktionen lokaler Tageszeitungen befinden. Deshalb hat es den für mich etwas ungewöhnlichen Namen. Während ich auf die einzelnen Gänge des Essens warte, schaue ich mich etwas im Raum um. An den Wänden sind Titel von Zeitungen aus der ganzen Welt aufgehängt. Darunter finde ich auch den des „Neuen Deutschlands“ aus dem Jahr 2008.

       Zeitungstitel im Restaurant „Hr. Redaktör“

      Nach dem Essen brauche ich nur mein Bier zu bezahlen und dann verlasse ich das Lokal. Ich schlendere noch etwas durch die Innenstadt.

      Die gesamte Stadt besteht wirklich aus mit weißer Farbe gestrichenen Holzhäusern. Im Stadtzentrum sind in diesen Häusern meistens im Untergeschoß Geschäfte untergebracht. Auf großen Plakaten kann ich trotz meiner noch mangelhaften Kenntnisse der norwegischen Sprache lesen, dass an diesem Wochenende das alljährliche Sommerfest stattfindet. An verschiedenen Stellen sind auch schon kleine Bühnen aufgebaut, auf denen in der nächsten Zeit laut Programm verschiedene Künstler und Musikgruppen auftreten werden. Die Geschäfte haben heute bis 22 Uhr geöffnet. Viele Familien spazieren durch die schmalen Gassen zwischen den Holzhäusern. Auf dem winzigen Platz vor dem Restaurant „Hr. Redaktör“ kommen gerade alte amerikanische Straßenkreuzer an, die liebevoll gepflegt sind. Sie formieren sich und fahren dann im Korso durch die Stadt. An verschiedenen Stellen in der Innenstadt werden auch Spiele für und mit Kindern durchgeführt. Hinter dem Restaurant, das ich erst vor kurzem verlassen habe, spielt jetzt gerade eine Country Band. Es ist stellenweise sehr laut, da viele Gaststätten Sommergärten eingerichtet haben, wo die Gäste im Freien sitzen können.

      Aber all diese vielseitigen kulturellen und sportlichen Angebote können mich jedoch nicht davon abhalten, Mandal noch ein wenig zu erkunden. Die kleinen und großen Holzhäuschen in den engen Kopfsteinpflasterstraßen sind super in Ordnung und fast alle mit Blumen geschmückt.

       Gepflegte Holzhäuser in Mandal

      Ich schlendere noch eine ganze Weile abseits des Zentrums durch die Stadt. Dabei entdecke ich ein ganz originelles Parkhaus. Wahrscheinlich hatte man innerhalb