Eine Diskussion hat dann schon keine Chance auf Erfolg mehr.
Selbst die „gewöhnliche Unterhaltung“, die eigentlich nicht nur von fremden Meinungen, sondern auch von unterschiedlichen Sprachen und andersartigem Sprechen essenziell belebt wird, ist dann davon belastet. Doch soweit sollte man es vielleicht gar nicht kommen lassen, will sagen: einer politischen oder auch redaktionellen Entscheidung liegen auch zwischenmenschliche Handhabungen zu Grunde. Eben dieses zwischenmenschliche Restrisiko gilt es aber vernünftig zu beherrschen, wenn wir – beim Politisieren wie beim Berichten wie auch bei der Mündigwerdung – besagte Unverhältnismäßigkeiten mehr vermeiden wollen. Macht das alles komplizierter? Nun, nicht unbedingt; es sei eher gefragt: wie kompliziert wollen wir es denn haben?, und: welchen Preis sind wir bereit für unsere Antwort zu zahlen?
Sachlichkeit und Argumentationen, auch wenn das vermeintlich mehr Zeit und Mühe kostet, können – über den rationalen Erklärungsbeitrag hinaus – einem nicht nur das Gefühl von Gerechtigkeit, Authentizität und Ruhe bescheren, sondern auch den möglichen Missbrauch dieser Werte präziser offen legen. Dieses Tun allein sorgt nämlich schon dafür, die öffentliche Auffassung des Redners von Problem und Lösung recht deutlich veranschaulichen zu können. Damit wäre der Weg, selbstmächtig Politik zu betreiben, Idyllen zu bedienen und ernstlose Wahlversprechen abzugeben, zumindest erschwert. Soweit zum Prinzip, das im Kontext – über Parteienkalkül, Situationslogik und Schauspielkunst hinweg – immer wieder jede demokratische Gesinnung herausfordert. Politik aber sollte klarer entschieden mit einem aufgeklärten Menschenbild in Erscheinung treten, anstatt die stete Studie moderner Menschlichkeit bloß als theoretischen Anspruch der Kulturwissenschaften zu marginalisieren, und damit hinter der sog. Systemrelevanz einen Muster-Menschen mondän zu mystifizieren.
Sachlichkeit an sich schließt provokante Formulierungen, das Stammtisch-Zanken und die altbekannte Wahrhaftigkeit nicht aus, sondern steht schlicht für die andere Seite der Medaille. Beide Seiten unter einen Hut zu bringen, d.h. sachliche Darstellung und subjektive Meinung sozusagen koexistieren zu lassen, ist infolgedessen auch einer der Ansprüche, den wir Menschen uns selbst auferlegen und auch als Bürger unseren Rollenanforderungen des Politikers bezüglich von Tatsache und Bedeutung angedeihen lassen können.
Max Weber sagt in seinem „Objektivitätsaufsatz“ von 1904, dass es wichtig sei, „[…] den Lesern (und – sagen wir wiederum – vor allem sich selbst!) jederzeit deutlich zu machen, daß und wo der denkende Forscher aufhört und der wollende Mensch anfängt zu sprechen, wo die Argumente sich an den Verstand und wo sie sich an das Gefühl wenden.“4 Als Bewusstmachung zum Einstieg in eine Stellungnahme, erscheint das hervorragend geeignet.
2.2. Das Unbehagen einer Gesellschaft
Es ist nun auch ein Teil des Gerechtigkeitssinns, der – mit Blick auf Wirtschaftlichkeit, Gesundheitsschutz und das Teppichkehren der Volksvertreter – nicht selten in absoluter Hilflosigkeit und sodann in Frust endet, weil aufgrund mangelnder Fachkenntnis auf der einen, aber auch nebelhafter Transparenz und medialer Rechtsverklärung auf der anderen Seite kein Einblick möglich gemacht ist in die Interessen, Entscheidungsprozesse und Verhältnismäßigkeiten der Machtinstitutionen, die unser aller Leben bestimmen, besteuern und bestrafen. Groteskerweise einen sich hier die Pros mit den Kontras in einer vom auslösenden Ereignis erleichterten Kritik bzw. effektiven Stimmung.
Wir hindern uns also nicht nur selbst daran, dem Weltgeschehen einen Sinn zu verleihen, sondern es wird uns auch vermeintlich erleichtert bis vorenthalten. Diesem Kind müssen wir selbst einen Namen geben. Je nach politischer Gesinnung, Glauben oder Einstellung, lässt sich das Verhältnis zwischen Volk und Volksvertretern mit Prädikaten wie „gut“, „gleichgültig“ oder „schlecht“ beschreiben. Von Gefolgschaften über politisch unterschiedliche Ansichten bis hin zur Politikverdrossenheit, dessen Vorwürfe sich z.B. mithilfe von „Machterhalt“, „Lobbyismus“ und „Lügen“ beschreiben lassen, bietet Deutschland ein buntes Politikprofil. Bloß in diesem Deutschland schweigen sich ausgerechnet die Volksvertreter über Ideale und über Ideologien aus. Schade eigentlich. Berichterstattung und Informationspolitik könnten hier – seriös und bürgernah – Abhilfe schaffen, die grundsätzlich ist, d.h. das Prinzip der Aufklärung wieder auf beide Beine stellt. Andere Handhabungen wie interessenverseuchte Formulierungen, Ergebnis-Orientierung oder Quotenentscheidungen forcieren das Unbehagen eher noch. Je mehr politische Entscheidungen Kausalität widerspiegeln, desto besser ist es dem Wähler möglich, diese Entscheidungen zu verstehen. Das hat Einfluss auf die Stabilität der Überzeugung. Und diese Stabilität soll – meiner Auffassung nach im ureigenen Sinne der Aufklärung – den Menschen und seine Systeme nicht eindeutiger sondern authentischer werden lassen. Was meine ich damit?
Werden Entscheidungsprozesse in Bereichen öffentlicher Relevanz auf eine Art und Weise geführt, die eine adäquate Stellungnahme des (dazu gewillten) Bürgers be- oder gar verhindert, dann handelt es sich dabei vorrangig um Handhabungen zu Gunsten der Gegenaufklärung. Ziemlich unempfindlich gegenüber Argumenten und resistent gegenüber Demonstrationen, wird der kooperativ bedachte Einfluss ausgesetzt. Im Prinzip zieht das aber den Gehorsam der Weisheit vor. So erscheint der Gang auf die Straße als unrühmliche Nötigung, besagter Hilflosigkeit zu begegnen und nicht (mehr) als freiheitliche Entscheidung, für ein konkretes Ziel einzutreten. Dieser Verantwortung stehen – in der hier eingenommenen Perspektive – in besonderem Maße die politischen Parteien und Medienanstalten gegenüber, und sie sollten ihr gerecht werden. Als eindeutig aufbereitete und vorgehaltene Informationen ziehen quasi automatisch Spekulationen nach sich, die die gesamte Diskurssituation in der bereits thematisierten Sachlichkeit gefährden. Unseriös, ja geradezu fahrlässig wirken dann die Spitzenpolitiker wie auch die sog. „Nachrichtenmacher“, die sich dieser Versuchung nicht entledigen.
So gesehen ist die grundsätzliche Einheit von Pros und Kontras eben weniger grotesk, denn eher Belegstück dafür, dass über sog. Affären, Vor- und Zwischenfälle hinaus wieder einmal die Politik als Ganzes auf dem Prüfstand steht. Danach fragen sich vermutlich viele Bürger – eben soweit es ihnen möglich ist –, welche Politiker-Typen und steuerfinanzierte Initiativen gewollt sind, und auch prinzipiell, welche der Ziele z.B. von Elektrizität, Vielfalt, Wohlstand oder Frieden es unter welchen Umständen wert sind, angestrebt oder aufgegeben zu werden.
Diese Fragen können in vielfacher Hinsicht große Sprengkraft entwickeln. Und so präzise sich Naturwissenschaften schon der Beschreibung von Explosionen gewidmet haben bzw. widmen können, ist es nicht sympathisch abzusehen, was in sozialer wie kultureller Hinsicht zu verzeichnen wäre, nicht nur wenn sich große Teile der Bevölkerung der Utopie einer „guten Politik“ bewusst werden, sondern zu alle dem die Beherrschung dieser Illusion verlieren.
2.3 Überzeugende Konflikte – Bedrohte Ideale
Sind die Bürger zu nachsichtig gegenüber ihren Politikern, wird vermutlich Eigeninteresse und Lobbyismus die Politik maßgeblich mitbestimmen. Sind die Bürger zu streng gegenüber ihren Politikern, wird vermutlich Unverbindlichkeit und Populismus noch dazu kommen. Jede dieser Anzeichen kommen als Phänomene bereits bekannt vor. Da ist Misstrauen auf der einen und Misstrauen auf der anderen Seite. Dass das nicht gerade förderlich für die verhältnismäßige Gesundheit zwischen Bevölkerung und Politik ist, liegt auf der Hand. Dass auch die Medien an solchen Diagnosen, besser noch: Zuständen nicht ganz unschuldig sind, wurde bereits angesprochen, lässt aber die Frage zurück, wie eindeutig denn nun eigentlich die medial inszenierten Inhalte Anteil haben an der – vorrangig bürgerlichen – Wahrnehmung politischer Unstimmigkeiten und der darauf folgenden diskursiven Auseinandersetzung. Gilt doch:
➢ Je umfangreicher ich mich informiere und informiert werde, desto authentischer kann mir die Komplexität der Sachlage einsichtig werden.
Es kommt doch nicht von irgendwo her, dass erst nach wochenlanger Berichterstattung über ein Ereignis die Eindeutigkeit des fachspezifischen Standardwissens als Selbstverständlichkeit zu Tage tritt. Diverse Vorwegnahmen politstrategischer wie medienwirksamer Kalkulationen verfehlen in beschämender Weise