gefunden. Deshalb sind manche Gerontologen wie der Brite Aubrey de Grey oder David Sinclair von der Harvard Medical School der Ansicht, dass das Altern vielmehr eine Art Krankheit sei, von der wir irgendwann geheilt werden können. Einig ist sich die Wissenschaftsgemeinde nur, dass eine Vielzahl von Faktoren zur Vergreisung des Körpers beiträgt. Nicht wie, aber warum es geschieht, versuchen die Evolutionstheorien des Alterns zu erklären.
Die ersten Lebewesen auf diesem Planeten alterten gar nicht, vermuten die Evolutionsbiologen. Altern entstand erst im Laufe des Evolutionsprozesses bei höheren Lebewesen, weil es ihnen die Möglichkeit gab, sich schneller an veränderte Umweltbedingungen anzupassen. „Die Alten“ machten so regelmäßig Platz für die genetisch optimierten Nachkommen und nahmen ihnen nicht die Ressourcen weg. In diesem Zusammenhang steht auch die von dem britischen Gerontologen Tom Kirkwood entwickelte „Disposable Soma Theory“ – also die Theorie vom Körper, der gleichsam überflüssig wird, sobald er sich ausreichend fortgepflanzt hat. Der alte Körper wird entsorgt, um neuen, durch geschlechtliche Fortpflanzung verbesserten Körpern Platz zu machen. Organismen verfügen über zahlreiche Reparaturverfahren, um gealterte Zellen oder ganze Organe zu ersetzen. Mit zunehmendem Alter steckt der Körper aber immer weniger Energie in seine Erneuerung, sodass sich die Mechanismen des Alterns so lange entfalten, bis der Körper nicht mehr lebensfähig ist. Um welche Mechanismen es sich dabei handelt, also wie wir altern, versuchen die Schadenstheorien zu erklären.
Ist das Altern eine Art Krankheit, von der wir irgendwann geheilt werden können?
Freie Radikale schädigen unsere Körperzellen.
Schadenstheorien – Zellschäden als Ursachen des Alterns
Zellinterne Alterungsmechanismen und auch äußere Faktoren führen im Laufe der Zeit zu einer Ansammlung von Zellschäden, die in Summe den körperlichen Verfall verursachen. Die Schadenstheorien erklären uns, wie wir diesen Prozess verlangsamen können.
Freie Radikale – die Zellzerstörer
Die Theorie der freien Radikale zählt zu den bekanntesten Schadenstheorien. Sie wurde 1956 vom amerikanischen Gerontologen Denham Harman entwickelt und erlangte in den 1990er-Jahren große Popularität.
Bei freien Radikalen handelt es sich um eine Gruppe aggressiver Zwischenprodukte des Stoffwechsels, die ununterbrochen in unseren Zellen entstehen. Als hochreaktive aggressive Sauerstoffverbindungen schädigen sie die Zellen und ihre Erbsubstanz. Wobei sie paradoxerweise in der richtigen Menge und am richtigen Ort auch einen gesundheitlichen Nutzen bringen können, da sie die Widerstandskraft unserer Zellen „trainieren“.
Je nach Nahrungsaufnahme, Tätigkeit und Verhalten entstehen unterschiedlich viele freie Radikale. Bei einem einzigen Zug an einer Zigarette wird rund eine Billiarde davon gebildet. Grundsätzlich sind freie Radikale auch bei einem gesunden Lebenswandel integraler Bestandteil unseres Stoffwechsels. Je höher unsere Stoffwechselrate, also je mehr Oxidationsprozesse im Körper stattfinden, desto größer ist der oxidative Stress durch die freien Radikale und desto schneller nehmen die Zellen Schaden. Lange Zeit ging man deshalb davon aus, dass eine höhere Stoffwechselrate mit einer schnelleren Alterung in Verbindung steht – und zu einem gewissen Teil stimmt das auch. Sport führt allerdings ebenfalls zu einer erhöhten Stoffwechselrate und es ist wissenschaftlich gut belegt, dass regelmäßige Bewegung das Leben verlängert und die Gesundheit verbessert. Ähnlich widersprüchlich verhält es sich mit den freien Radikalen selbst. Vergleichende Studien mit unterschiedlichen Tieren konnten zeigen, dass die Lebenserwartung stark mit der Fähigkeit zusammenhängt, oxidativen Stress zu überstehen.
Unser Körper verfügt erfreulicherweise über zahlreiche Mechanismen, um durch freie Radikale verursachte Schäden wieder zu reparieren. Mit der Nahrung können wir die sogenannten Antioxidantien, wie etwa Vitamin C, zu uns nehmen. In Tierversuchen konnte gezeigt werden, dass die Futterbeigabe von Antioxidantien die Lebenszeit verlängert. Das führte vor allem in den 1990er-Jahren zu einem Boom der Antioxidantien in der Lebensmittel- und Nahrungsergänzungsindustrie. Die Euphorie wurde allerdings durch widersprüchliche Forschungsergebnisse gebremst. In den 2000er-Jahren wurde nachgewiesen, dass bei Antioxidantien „mehr“ nicht immer besser ist: In umfangreichen Studien an Universitäten wie der ETH Zürich oder der Universität Kopenhagen wurde die Einnahme künstlich zugeführter Antioxidantien wie Betacarotin, Selen oder die Vitamine C und E mit der Wirkung von Placebo-Pillen verglichen. Im Gegensatz zur früheren Ansicht, dass diese Stoffe im schlimmsten Fall nichts nützen, stellte sich heraus, dass die regelmäßige Einnahme von Vitaminen dem Körper sogar schaden kann. Die Überflutung des Organismus mit synthetischen Antioxidantien führt nämlich dazu, dass seine Fähigkeit, sich gegen Krankheiten und Alterungsschäden zu wehren, sukzessive abnimmt. Zu wenige freie Radikale im Körper beschleunigen also sogar den Alterungsprozess. Es geht um eine angemessene Balance zwischen freien Radikalen und den sie bekämpfenden Antioxidantien – und die Natur hat genau die richtige Menge davon in ihren Früchten platziert. Natürliche antioxidative Nahrung sollte unbedingt Teil der Jungbrunnen-Küche sein und entfaltet garantiert viele positive (Anti-Aging-)Wirkungen.
Rauchen erzeugt freie Radikale im Übermaß.
Verkürzung der Telomere – der Alterscountdown
Der Mensch besteht aus etwa 70 bis 100 Billionen Zellen. Um die Körpersubstanz ständig zu erneuern, um zu wachsen oder Wunden zu heilen, teilen sich die Zellen – je nach Art alle paar Stunden oder Tage oder in deutlich längeren Zeiträumen. Um eine exakte Kopie der alten Zelle herstellen zu können, befindet sich die DNA mit ihren Genen, quasi der Bauplan, im Zellkern: Sie steckt, fein säuberlich aufgerollt und strukturiert, in den Chromosomen, die an ihren Enden eine Art von Schutzkappen haben – die sogenannten Telomere. Manche vergleichen die Telomere mit den Plastikkappen an den Enden von Schnürsenkeln. Wenn sie fehlen, fransen die Schnürsenkel aus und werden unbenutzbar. Ähnlich verhält es sich mit den Telomeren. Sie sind bei unserer Geburt noch sehr lang und verkürzen sich bei jeder Zellteilung parallel zum Altern. Die Telomere werden immer kürzer und die Qualität der „Kopien“ immer schlechter, bis die Zellen ihre zentralen Funktionen nicht mehr erfüllen können. Sie verlieren ihre Teilungsfähigkeit – der programmierte Zelltod wird eingeleitet. Die Altersforscher sprechen von der sogenannten Hayflick-Grenze. Dieser „Alterscountdown“ bietet eine Erklärung dafür, warum der Mensch nicht älter als rund 120 Jahre werden kann und sich in der zweiten Lebenshälfte mit einer zunehmenden Zahl von Erkrankungen konfrontiert sieht. Die Verkürzung der Telomere ist ein beständig ablaufender Prozess. Umwelteinflüsse und Lebensstil-Entscheidungen wie z. B. Rauchen können diesen deutlich beschleunigen. Wie gut, dass es in unserem Körper Mechanismen gibt, die die Verkürzung der Telomere verlangsamen und den „Alterscountdown“ bis zu einem gewissen Grad auch wieder zurücksetzen können (siehe „Jungbrunnen-Werkzeuge – Körpereigene Strategien der Verjüngung“ ab Seite 45).
Seneszente „Zombie“-Zellen beschleunigen den Alterungsprozess.
Seneszente Zellen – Angriff der „Zombies“