Isa von der Lütt

Die gesellige Hausfrau 1892


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ist’s dann ein munteres Spiel, das unter ihrem Winke nur noch lustige Vögel, keine häßlichen mehr entkerkert.

      Aus diesem Geiste heraus – – – – aber ich fürchte, ich schwärme meinen ungeduldigen Leserinnen zu lange nur von dem „rechten Geiste“ vor. Mir ist es, als hörte ich sie zürnend sagen: „Der Worte sind genug gewechselt, laßt uns nun endlich Taten sehn!“ Wir hofften etwas Tatsächliches, Greifbares, etwas bequem Verwendbares zur Verschönerung und Belebung unserer Gesellschaften zu bekommen und hören nichts, als schwärmerische, allgemeine Betrachtungen.“

      Verzeihung, aber ich konnte es nicht unterdrücken! Zu oft, zu betrübend legte sich mir dies alles schon auf die Seele – ich mußte es einmal sagen!

      Und nun rasch zum „Tatsächlichen“. Bevor ich Ihnen, meine lieben Freundinnen, aber diese, in der Vorrede versprochene Lese geselliger Hilfsmittel vorlege, möchte ich doch noch etwas Allgemeines vorausschicken: Nicht nur meine Empfindung, auch meine nun schon alte Erfahrung hat mir gezeigt: Ein Hauptmittel, um Gesellschaften einen besonderen Reiz zu verleihen, ist, ihnen Stimmung zu geben, sie sinnvoll, stilvoll zu gestalten.

      Am leichtesten und zugleich schönsten wird der Reiz der Stimmung, des Sinn- und Stilvollen erreicht durch Betonen des gegenwärtigen Jahresmomentes, durch das Hereinziehen des Naturlebens.

      Solche festliche Betonung findet sich von Beginn der Kulturgeschichte an in Volksbräuchen und Volksspielen ausgedrückt. Diejenige Hausfrau, welche den Lauf des Jahres auch im Hinblick auf ihre Geselligkeit, denkend mitlebt und nötigen Falles sich an richtigen Stellen Rat und Hilfe holt, wird darin stets eine sichere Belebungsquelle ihrer Feste finden.

      Am reizendsten wirkt dies Betonen des Naturlebens in großen Städten. Hier wird man doppelt gerne an das Blühen, Leben und Weben der freien Schöpfung, an den Wechsel, das Eigenwesen der Jahreszeiten gemahnt. Selbst ein

      läßt sich durch solches schon anregend schmücken. Ja, sogar die verpönten Damentees – welche Offiziersfrau hätte nicht schon darüber geseufzt – können hierdurch etwas gehoben werden. Beiläufig gesagt, ohne mich zum Verdruß meiner tatendurstigen Leserin wieder zu sehr ins Allgemeine zu verirren, wäre es eigentlich ohnedies eine echte, moderne Frauenpflicht und sollte der modernen Hausfrau Müh’ und Stolz sein, diese verrufenen „Damen-Schlachten“ in besseres Licht zu setzen, dadurch, daß man sie in ein besseres Licht erhebt.

      Selbst durch die einfache Hilfe von Blumen kann oft schon dieser Stimmungsreiz erzielt werden. Im Frühjahr Schneeglocken, Schlüsselblumen, Veilchen in reicher Fülle die Zimmer schmückend, davon auch am Teetisch ein reichgefüllter Korb, aus dem sich auf jede Teetasse ein Sträußchen verliert, wenn nicht liebliche Kinderchen des Hauses solche anbieten, später Maiblumen, im Sommer Rosen, jugendmoderne Riesensträuße prangender Sonnenblumen und bleichschlanker Iris, Nelken, Jasmin (denn wenigstens eine starkduftende Blume muß immer dabei sein); im Herbst Astern, Herbstlaub, Spätrosen, im Winter Tannengrün, Weihnachtsrosen, Vogelbeere, Treibhausblumen. – Das alles gibt ein leises, lebendiges Gedanken- und Empfindungs-Hin und Herströmen zu und von dem starken Naturleben draußen und dem ewigen Feste, das uns in der wonnigen Schöpfung bereitet ist, zum engen Zimmer hinein und hinaus.

      Auch politische, patriotische, schöngeistige Festtage sind geeignet, das gleiche Gedankenzuströmen eines stärkeren Lebens draußen hereinzuleiten und jeglichem Tee „Stimmung“ zu geben.

      Es ist ja gewiß richtig: die Frau ist vor allem zur Priesterin des häuslichen Lebens geschaffen, ihr kommt es zu, den gesegneten Heimatboden der Familie, des Privaten, Persönlichen liebend zu bebauen. Aber darüber darf sie nicht verlernen auch die Allgemeinheit mit dem Herzen zu erfassen, das Unpersönliche persönlich zu beleben, nimmer darf sie – insonderheit die moderne Frau – der großen Allgemeinheit kalt und fern gegenüberstehen, will sie nicht nur die Haushälterin, sondern die ebenbürtige Gefährtin ihres Mannes sein.

      Ich kenne eine sehr liebenswürdige Kommandeuse, welche stets an Kaisers Geburtstag, während die Herren im Kasino tafeln, die Regimentsdamen zum Nachtisch-Café zu sich bittet. Ihr Tisch, ihre festlich gefüllten Vasen sind dann mit deutschen Schleifen geziert, Kaisers Bild ist bekränzt und in ganz einzig hübschen, originellen Miniatur-Champagnergläschen wird ein Hoch auf die Majestät getrunken.

      Die Mutter dieser geistvollen, liebenswürdigen Frau, eine zwar den Haaren nach sehr bereifte, im Herzen aber jugendfrische Exzellenz, tut das gleiche an ihres „alten Kaisers“ Geburtstag, da schmücken dann erinnerungsvoll Kornblumen Bildnis und Tisch und wandern in kleinen Sträußchen in die Hände der Damen.

      Kürzlich hatte ich die Freude, meiner Freundin A … bei dem Ausbau eines

      helfen zu können. Wahrlich für unser nach Osten blickendes Jahrhundert eine sehr zeitgemäße Idee!

      Zahlreiche Geschenke, meiner Freundin von ihrem aus Japan heimgekehrten Schwager mitgebracht, welche sie ihren Bekannten zeigen sollte und wollte, gaben hierzu den Anlaß.

      Die nötigste Belehrung entnahmen wir Büchern, insonderheit dem prächtigen, illustrierten Werke: „Japanischer Humor“ von Cetto und Wagner.

      Dessen Ausführungen nach sind die Chanoyou (=Teegesellschaften) in Japan im 15. und 16. Jahrhundert eingeführt worden: „Zur Milderung der Kriegssitten und zum Geschmackerregen nach geistiger Beschäftigung“. Daß dabei bedeutsame, wohl politische Gespräche wesentlich gewesen seien, läßt sich aus dem „eigenhändigen Bedienen“ des Hausherrn und dem sehr niederen, Unberufene ausschließenden Eingang zu dem sehr kleinen Raume annehmen. Die angestrebte geistige Beschäftigung zu verwirklichen, zeigte der Gastgeber einen alten Sinnspruch von einem berühmten Weisen in Riesen-Tuschzeichnung. Ferner überreichte der Hausherr jedem der Gäste ein „Surimono“, ein ebenfalls von ihm selbst verfaßtes und von einem Maler illustriertes Gedicht in sauberer Reproduktion. Außerdem bringt einer der Gäste irgend ein seltenes Kunstwerk zum vorzeigen.“

      Alles dies wurde von der Hausfrau so viel als möglich, aber ohne jede ängstliche Pedanterie: „wenn’s nur stilvoll wirkt“, ausgeführt. Ein befreundeter Künstler – übrigens malen ja jetzt fast alle Damen, und japanische Vorlagen für derlei sind jetzt in hundert Büchern und Zeitschriften zu haben – malte nach japanischem Muster eine Karte, auf welcher zum Chanoyou eingeladen war. Junge Freundinnen der Hausfrau reproduzierten sie in der nötigen Anzahl.

      Zur Ausschmückung der Räume, zum Ersatz des europäischen Hausrats wurde alles zusammengetragen, was das eigne Haus und gute Freunde Japanisches besaßen. Fehlendes liehen Geschäfte.

      Zum eigentlichen Teezimmer wurde der Hausfrau kleines Boudoir gewählt. Japanische Stoffe bildeten den verlangten niederen Eingang, durch welchen man von dem anstoßenden großen Salon aus nur gebückt gelangen konnte. Selbstverständlich war auch dieser Salon, sowie der Vorplatz japanisch dekoriert. Mächtige Chrysanthemen-Sträuße waren überall zu sehen, der mächtigste neben dem Teewinkel der Hausfrau.

      Das eigenhändige Bedienen durch den Hausherrn hatte meine Freundin in das durch die Hausfrau variiert, da sie ihrem Mann ihre kostbaren japanischen Tassen nicht anvertrauen zu können behauptete.

      Daß sie die ganze Tracht einer „vornehmen Japanerin“, in der sie ihre Gäste empfing, ganz entzückend zierlich und anmutig kleidete (sonst wählten wir Frauen doch kein solches Fest!), ist selbstverständlich. Diese Tracht genauer zu beschreiben, hieße, nachdem man sie in Zeitschriften und Modezeitungen allenthalben reichlich vorgeführt sah, Eulen nach Athen tragen.

      Alle anwesenden Damen waren ebenfalls in Japanerinnen verwandelt; auch einzelne Herren, die übrigen nahmen japanische, in der Garderobe bereit gehaltene Kopfbedeckungen, einige nur scherzhafte Mützen aus japanischem Papier.

      Auch die verlangte Riesen-Tuschzeichnung hatte ein befreundeter Künstler geschaffen. Sie trug – der Hausherr hatte den Einfall gehabt, dieselbe als Standarte aufzupflanzen – den japanischen