Papier, trug auf der einen Seite die kulturhistorische Erklärung der Chanoyou, auf der andern einen japanischen Sinnspruch oder ein japanisches Gedichtchen.2)
Die dritte der Chanoyou-Vorschriften: Das Vorzeigen von Merkwürdigkeiten durch die Gäste selbst, ergab sich teils durch das Vorzeigen einer, einem befreundeten Kunstmäcen gehörigen Skizzenmappe eines japanischen Künstlers, teils auch durch die anfangs genannten reizenden Geschenke, welche den ersten Anlaß zu dem Chanoyou gegeben hatten, und unter welchen sich dann auch niedliche, kleine „Gastgeschenke“ entpuppten. Der Ruhm, welchen sich meine Freundin mit diesem stilisierten Tee erwarb, ist in diesem Moment noch unerreicht. Es ist aber anzunehmen, daß er in diesen Tagen noch weit überholt wird durch den noch viel zeitgemäßeren
Chinesischen Tee,
welchen Gräfin X. nach langer Beratung mit mir zu geben gedenkt. Und zwar, als eine sehr lebhaft vaterländisch gesinnte Frau, zu Ehren eines persönlichen Festtags eines der Helden der jüngsten Chinakämpfe.
Zahlreiche Anweisungen hierfür suchten und fanden wir in verschiedenen Werken über China3), nähere Einzelheiten gaben uns befreundete Chinakenner.
Die Einladungskarte trägt in chinesisch verzogenen Schriftzügen die chinesisch gefaßte Einladung: „Am 10. Tage des Januar 6 Uhr wird ein bescheidenes Fest das Licht Deiner Gunst erwarten – Grüße von Gräfin X.“
Sämtliche Dienerschaft wird chinesisch bis sogar zum Zopf gehen. Auch der Hausherr wird sich vollständig zum „Mandarin“ wandeln. Viele der geladenen Herren haben dasselbe versprochen. Doch hat die Hausfrau allen, der Verkleidung Unlustigen von vornherein erklärt, sie fände es bei einem vornehmen chinesischen Tee vollkommen stilvoll, wenn auch „Europäer“ anwesend seien. Damit sind auch die alten Damen entschuldigt. Aber die jungen werden sich alle chinesisch kleiden. Gräfin X. selbst wird, nach der heutigen Anprobe zu schließen, als „vornehme Mandarinen-Frau“ ganz allerliebst aussehen und wird vermutlich unseren Chinakämpfern gefährlicher werden, als sämtliche Chinesinnen im Lande der Sonne selbst.
Ein befreundeter Ausländer, welcher lange in China lebte, wird als chinesicher Zauberer erscheinen und allerlei Kunststücke ausführen, später wird er mit einigen von ihm ausgestatteten und unterrichteten Freunden ein chinesisches Schauspiel aufführen. Der Inhalt desselben wird den Gästen in einem chinesisch stilisierten Textbuch offenbart werden.
Da dieser Tee wirklich nur ein Tee vor dem Theater, ohne Souper sein soll, hat Gräfin X. beschlossen, die gebräuchlichen „belegten Brötchen“ in chinesisch zerkleinerte, in chinesischen Eßschälchen, mit Eßstäbchen servierten Zutaten zu wandeln.4
Wie dieses Experiment ausfallen wird, dafür möge die chinesische Glücks- und Frohsinns-Göttin Ben-Hai-ten sorgen!
Ganz im Vertrauen gesagt, – bis dies gedruckt ist, ist das Geheimnis ja doch kein Geheimnis mehr, – hat Gräfin X. vor, diese triebreiche chinesische Idee noch weiter aufzuziehen. Zu reichster Blüte entfaltet, soll und wird sie dann sicher die glänzendste Blume bilden in dem Ruhmeskranze ihrer
Wohltätigkeitsfeste (Bazare etc.).
Gräfin X. ist sehr glücklich im Weiterspinnen und Weben dieses ihres neuesten Opus. Durch und durch eine moderne Frau, ist sie bestrebt, ihren Festen auch den Reiz des modernen Lebens zu verleihen; das Stilvolle und das Individuelle zum Ausdruck zu bringen. Zur Erfüllung ihrer geselligen Pflichten zählt auch das Unternehmen von Bazaren und ähnlichen Wohltätigkeitsfesten; und in der Tat gehören diese in unserer Zeit so wesentlich zu dem Bilde unseres modernen öffentlichen Lebens, daß es für eine wirklich gesellige Hausfrau unerläßlich ist, einige Erfahrung darinnen erworben, einige Kenntnisse darüber gesammelt zu haben.
Bazare werden vielfach verurteilt. Meines Glaubens mit Unrecht. Nicht in der Idee, in der Ausführung, in der mehr oder weniger edlen Ausführung liegt das Verwerfliche. Wann aber wäre je eine Idee – auch die erhabenste – durch die Menschheit geschritten, ohne von ihr beschmutzt, entstellt zu werden!
Bazare sind für unsere Zeit eine Notwendigkeit geworden. Die Bedürfnisse, die Not sind überall tausendfach größer, als die dafür vorhandenen, gesetzlichen Mittel,. Freiwillig aber seinen Zehnten, nein, nur seinen Tausendsten dem Wohl der Allgemeinheit, der Armut, dem Elend zu geben, fällt den wenigsten ein. So muß denn die Selbstsucht gedungen werden, um der Selbstlosigkeit zu dienen.
Bazare haben mancherlei, durchaus nicht unedle Reize. Sie haben den großer, öffentlicher Feste, den des Zusammenströmens, der Vermischung der Gesellschaftsklassen, den eines nach allen Seiten Blüten und Ranken treibenden Spieles des Geistes, der Phantasie, der Erfindung, sie haben den Reiz einer allgemeinen, fröhlich gehobenen Stimmung, hervorgerufen durch das mehr oder weniger berechtigte Bewußtsein, etwas für das Allgemeine zu tun, „gut“ zu sein.
Sie haben auch außerdem noch für viele den Reiz, das Geld, das man dabei zu eigner Freude ausgibt, zugleich für das Allgemeine zu opfern und zwar auf eine wohlsichtbare Weise.
Aber gerade das wird ja den Bazaren vorgeworfen, daß sie auf die Genußsucht der Menschen spekulieren. Auch dies ist an sich nicht unsittlich. Es kommt nur darauf an, auf welche Genußsucht. Der Trieb nach Freude, auch nach festlich gehobener Freude, ist dem Menschen angeboren und ist für ihn nur natürlich, keineswegs etwas Schlimmes – im Gegenteil.
So möge er diesen Trieb befriedigen und einen Lohn dafür zahlen, der auch anderen Freudlosen zur Freude verhelfen kann. Kein Raub, ein Tausch seien solche Feste. (Es leite wieder der Grundsatz: auch geben wollen, nicht nur nehmen.)
Sehr unbedacht sind Bazare, welche immer wieder von Geschäftsleuten fordern, diese moralisch zu einer Wohltätigkeitssteuer zwingen, welche nicht im Verhältnis zu der der übrigen Gebenden ist.
Auf die reichgefüllten und oft gerade deshalb so fest verschlossenen Börsen der Reichen dieser Welt bei solchen Unternehmungen zu „spekulieren“, ist berechtigt und nur „Schlangenklugheit“.
Auch das Mitleid mit solchen, die sich auf Bazaren zu größeren, als ihnen erlaubten Ausgabe hinreißen lassen oder behaupten, sich dazu verpflichtet und gezwungen zu fühlen, ist falsch. Jeder gebe sein Scherflein nach seinen Verhältnissen, gebe so viel aus, als ihm gestattet ist. Er habe eben den Wahrheitsmut seines Geldbeutels, der doch wahrlich nicht den wahren Wert eines Menschen bestimmt. Hierfür ist die Eitelkeit der Menschen, sind nicht Bazare verantwortlich zu machen.
Bazare können, richtig erfaßt und bis ins einzelne richtig durchgeführt, nicht nur sehr nutzbringend, sondern zugleich auch eine lautere Quelle gemeinsamer Freude werden. Auch für das Volk. Und statt daß manche ernst gesinnte, edle und auf ihre Weise frommer, stiller Liebestätigkeit zugeneigte Frauen sich von solchen nicht mehr zu entbehrenden und darum auch nicht mehr zu unterdrückenden Unternehmungen abseits, ja ihnen gegenüberstellen, würden sie tausendmal segensreicher wirken, wenn sie dieselben mit einem edlen Geiste (mit dem Geiste, welchen wir am Anfange dieses Büchleins besprachen) zu durchdringen suchten.
Derlei Bazare brauchten auch, sofern sie überhaupt auf ein großes Publikum berechnet sind, durchaus keine – ihnen so oft vorgeworfene – „Verführung für’s Volk“ sein. Sie könnten im Gegenteil als Volksfeste edleren Stils, das vorhin besprochene Verlangen nach Festesfreude untadelig befriedigend, für Nehmen und Geben gleich nutzbringend sein. Denn wie viele sind es denn, die sie überhaupt um dies Festfreude-Bedürfnis des Volkes annehmen? Meist nur Spekulanten, welche daraus Gewinn für sich suchen, Gewinn um jeden Preiss, auch um den der Verrohung, Verführung, Verderbnis.
Ein Rechnungsfehler bei solcher Berücksichtigung der Volksfreude in bezug auf die zu erzielende Einnahme könnte sich eventuell freilich ergeben und das ganze Unternehmen ziemlich ziellos erscheinen lassen. Dem wäre eben durch eine geschickte Anlage der Sache überhaupt vorzubeugen und durch die Einrichtung, daß nur ein letzter Tag auf „Volkspreise“ gesetzt wäre.
Es ist gewiß dem größten, oder wenigstens dem besten Teil der bei solchen Spielen Mitwirkenden eine Befriedigung,