Werner Rosenzweig

Allmächd, scho widder a Mord!


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ned do, abber mei Sohn. Mei Richard, mid seiner Fraa missns wissen“, berichtete die 80-jährige Juliane Körber. „Mei Richard had mer derzähld, dass mer do so gud essn kann. Drumm sen mier heid aa do. Gell Gredl? Woarsd dabei, wieers derzähld had.“

      Gretl Paulich, Juliane Körbers beste Freundin und hochgradig dement, bestätigte die Aussage: „Ja und gud hads gschmeggd dees Schäuferla, hadder gsachd, der Richard. Budderwaach woars. Wemmer mid der Gabl hieghudzd is, is scho vo allaans runder gfalln, dees Fleisch. Bloß die Soß woar kald und dees Graud aa. Des näxde Mol gehmer zum Kieneesn.“

      „Geh zu Gredl, was erzählsd edz widder fier an Schmarrn. Verwechselsd die Kidzmann-Schdubn midn Kieneesn. Mei Freindin herd nemmer so gud und vergissd immer alles“, entschuldigte sich Juliane Körber bei Iris Siebenstiel. „Is dees ned a Jammer, dass mer den Besidzer vo dera Wirdschafd do umbrachd had? Do herd si doch alles auf! In was fier aner Zeid leben mier denn?“

      Iris Siebenstiel befragte Richard Körber, und der bestätigte, dass er den Streit zwischen zwei chinesischen Gästen und dem Inhaber des Restaurants mitbekommen habe. „Der eine der beiden hatte eine auffällige, rote Narbe auf der linken Backe“, berichtete er. Als die Polizistin ihm das Foto von Tanjas Mobiltelefon zeigte, rief Richard Körber ganz enthusiastisch aus: „Das sind die beiden! Die waren am Silvesterabend hier.“

      •

      Jens Hagenkötter, der Bulle aus dem Rauschgiftdezernat, war mit seinen Leuten in der Szene unterwegs gewesen. Bei einem V-Mann wurde er ebenfalls fündig. „Dees mid der Narbn is der Messer-Liu“, bestätigte er dem Beamten, als er auf den Fotoabzug blickte. „Der is do bei uns in Erlang ganz nei im Gschäfd. Kummd aus Honkong. Der hinder ihm schdehd, is sei Kumbl, der Blabber-Wang. Der haßd su, weil er dem Messer-Liu immer alles nachblabberd. Die zwaa verkaafn an neia Schdoff. LSD. Dredn bloß bei greßere Veranschdaldunga auf, wu a Haufn junge Leid sen. Morgn habbi gherd, sollns widder im E-Werg sei. Do schbieln die Broken Frondjiers. A Hardrogg Bänd.“

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      Karl Lagerfeld saß mit seinen Beamten erneut im Besprechungszimmer des Polizeipräsidiums. Es war der Dreikönigstag, der 6. Januar 2013. Jens Hagenkötter war schon wieder fünf Minuten überfällig gewesen. „Iech bin schdolz auf eich“, erklärte der Polizeipräsident, „iehr habd den Fall in Rekordzeid gelösd. Edz brauch mer die Verbrecher bloß nu im E-Werg fesdnehma. Iech erwarde eire Vorschläch, wie mier vorgehn. Hagnködder?“

      Der Mann aus Oegenbostel räusperte sich. „Also ich schlage vor, wir erwarten sie mit einem großen Aufgebot, wenn sie das E-Werk betreten wollen, und verhaften sie an Ort und Stelle.“

      Ignatz Wiesenstetter sah Karl Lagerfeld mit großen Augen zweifelnd an und tippte sich mit seinem rechten Zeigefinger mehrmals an die Stirn.

      „Dees kennas vergessn, Hagnködder“, lehnte der Polizeipräsident den Vorschlag ab. „Die Gauner riechn die Bolizei zeha Kilomeder gechern Wind. Ignadz was maansd du?“

      „Iech däd vorschlagn, mier haldn uns vom E-Werg fern und lassn die Gängsder unbehellichd nei in die warme Schdubn. Schbäder, su umma halba elfa rum, ruggn mier o und sichern alle Ausgäng ab. Dann brauch mer bloß nu zu wardn, bis vo selber rauskumma.“

      „Bisd aa ned gscheider, Ignadz“, ließ sich Karl Lagerfeld vernehmen, „wenn mier uns mid großer Mannschafd vor dem E-Werg aufschdelln, ja dees schbrichd si doch aa drinna rum. Am End nehma die dord drinna nu Geisln und verlanga a Fluchdaudo. Nix gibds. Mier missn ieberraschend, hard und blidzschnell zuschloogn. Wie im Kinno. Drum gehd die Iris Siebnschdiel mid dem Bruno Drobfschdein als Liebesbaar gedarnd in dees E-Werg. Zum Danzn kwasi. Do drinna schaud iehr eich um“, richtete er seine Worte an die beiden Auserwählten, „ob die Däder ieberhabds do drinna sen. Mergd eich, ohne Uniform. Am besdn iehr ziehchd eich a Dieschördla o. Wenns drinna sen, gehd aaner vo eich aufs Gloo und rufd miech an. Iech schigg dann dees Sondereinsadzkommando nei. Die sen selbsdverschdändlich aa gedarnd. Als Schdammdischbrieder, und ham schwarze Huusn und rode Hemmerder o, mid der Aufschrifd Alde Schdinger. Su mach mers“, bestimmte der Polizeipräsident. Der Plan stand.

      •

      Messer-Liu und Plapper-Wang beobachteten mit höchster Konzentration die zuckenden Leiber, welche sich zu From the gradle to the grave im Rhythmus der Musik auf der Tanzfläche bewegten. Sie hatten sich heute schick gemacht und trugen dunkle Boss-Anzüge. Tanja Wiesenstetter stand auf der anderen Seite der Tanzfläche. Sie hatte die beiden Dealer trotz ihrer schicken Outfits sofort wiedererkannt. Dann sah sie zum Eingang. War das nicht Iris Siebenstiel, die da die Treppe herunterkam? Mit Freund? Beide trugen pinkfarbene T-Shirts und musterten auffällig die Besucher des E-Werks. Als sie sich umdrehten, las Tanja den weißen Schriftzug auf den Rücken der beiden:

      Die POZILEI

       Dein Freund und Helfer

      Die beiden Chinesen zogen sich dezent und unauffällig in Richtung Toiletten zurück. Während Tanja sich in eine Ecke verkroch und auf ihrem Mobiltelefon die Dienstnummer ihres Vaters eingab, verließen Iris Siebenstiel und Bruno Tropfstein das E-Werk wieder. Das Freizeichen ertönte, dann die Stimme ihres Vaters: „Tanja, wu schdeggsdn du scho widder?“

      „Im E-Werg, Babba. Grod is die Iris Siebenschdiel mid iehrm Laver do rei kumma. Die ham si a weng umgschaud, und dann sens widder naus ganga. Babba, die zwaa Kieneesn, die der Marlies dees Elesdee verkaffd ham, sen aa do.“

      „Wos sagsd du, die sen aa do drinna? Die Iris is grod rauskumma und had gsachd, dass die Gängsder ned gsehgn had. Um Himmls Willn, Tanja, verschdegg diech. Mier kumma gleich nei, midn Sondereinsadzkommando. Gleich bfeifn die Kugln.“

      „Verschdeggn“ kam für Tanja überhaupt nicht in Frage. Sie griff in ihre Tasche und nahm den kleinen Behälter fest in ihre rechte Hand. Dann machte sie sich auf den Weg in Richtung Toiletten. Sie war innerlich total aufgewühlt. Messer-Liu und Plapper-Wang standen lässig an die Wand gelehnt. Tanja ging direkt auf die beiden zu. „Ei wond du bai Ellesdie“, richtete sie ihre Worte an Messer Liu. Der sah sie prüfend von oben herab an.

      „Do you have money?“, wollte er wissen.

      „Yes, money”, wiederholte Plapper-Wang.

      „No“, antwortete Tanja, „badd Bebber-Sbräi!“ Blitzschnell riss sie ihre rechte Hand hoch und betätigte den Sprühknopf. Beide Chinesen erhielten eine volle Ladung mitten ins Gesicht. Sie husteten, spotzten und rieben sich schmerzvoll ihre Augen, als eine wilde Horde schwarz-rot Gekleideter, vom Stammtisch Alde Schdinger über sie herfiel.

      •

      Der Herr des Hauses erschien an der Haustür. Er hatte sich eine rosarote Schürze umgebunden. In seiner Linken hielt er ein Geschirrtuch. Seine Rechte steckte in einem gelben Gummihandschuh.

      „Ignadz mei Waggerla, bisd fleißich? Iech bin zurügg. Edz sen eire boar ruhichn Dooch aa scho widder vorbei. Gell, werd nix los gwesn sei bei eich? Habder eich wenigsdens verdroogn und aa a bissla ausgruhd? Dees kanni vo mier ned grod soogn. Ned amol ausschlafn habbi kenna. Jedn Dooch su frieh aufschdeh und naus auf die Bisdn, in den kaldn Schnee. No, do wiensch iech eich nu nachdrächlich a Häbbi Nju Jiehr. Neigrudschd seider beschdimmd alle rechd gmiedlich, deng iech mier.“ Mit diesen Worten drückte Katharina Wiesenstetter ihrem Mann links und rechts einen dicken Schmatz auf die Wangen.

      Veitshöchheim lag unter einer dichten Regenwolkendecke, welche der Wind von Würzburg herübertrieb. Die Temperaturen erreichten knappe zehn Grad plus, an diesem 24. Dezember 2012. Viel zu warm für die Jahreszeit. Selbst der ruhig dahinfließende Main, dessen Wasser im Sommer silbrig glitzert, sah bedrohlich dunkel aus. Vor zwei Wochen lag noch Schnee in den Straßen und Gassen des kleinen Ortes, und die Temperaturen lagen bei frostigen minus zehn Grad. Es war bitterkalt und schon weihnachtlich weiß. Dann kam das Tauwetter aus Nordwesten, welches heftigen Regen mit sich brachte. Nichts war‘s mit einer weißen Weihnacht. Die Straßen waren nahezu menschenleer. Die meisten der knapp zehntausend Einwohner bereiteten sich auf den Heiligen Abend vor, auf die Bescherung im Familienkreis, auf ein gutes