Werner Rosenzweig

Allmächd, scho widder a Mord!


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und fieberten gedanklich den Geschenken entgegen, welche das Christkind bringen würde. Armes Christkind, bei diesem Wetter vom Himmel herab zu fliegen, war auch keine leichte Aufgabe.

      Kein Mensch außerhalb der unterfränkischen Gemeinde nahm derzeit Notiz von Veitshöchheim. Dies würde erst wieder am 1. Februar 2013 der Fall sein, wenn in den Mainfrankensälen die alljährliche Faschings-Prunksitzung des Fastnacht-Verbandes Franken e.V. stattfand. Dann kamen sie wieder alle nach Unterfranken, die Politikpromis aus der verhassten bayerischen Landeshauptstadt, allen voran dieser ständig lächelnde Ministerpräsident, der beim Sprechen die Zähne nicht auseinander bekam, seinen schlagzeilengeilen Finanzminister im Schlepptau. Die zwei Fuzzis der CSU verband miteinander mehr Hassliebe als politische Gemeinsamkeiten. Was meinte Horsti doch gleich wieder über seinen Schatten: „Ein vom Ehrgeiz zerfressener, charakterloser Wichtigtuer“. Doch dann vertrugen sie sich doch wieder und liebten sich, als wäre nichts gewesen. Dennoch, insgeheim war dem Horsti seine Ilse-Maus schon lieber. Aber auch die Roten, Gelben und Grünen stürzten sich am ersten Februar wieder in bunte Faschingskostüme, um den Millionen Zuschauern an den Fernsehgeräten zu zeigen, welch hohes Maß an Humor sie aufbringen konnten, wenn es denn sein musste. Anpassen, schön Wetter machen, war angesagt in diesem wichtigen Wahljahr. Immer schön lächeln. Dreihundert Eintrittskarten blieben den sogenannten Promis vorbehalten. Die restlichen dreihundert wurden im Losverfahren unter den mehr als zehntausend Interessenten vergeben, die auch gerne an der Prunksitzung teilgenommen hätten. Wer bei Fastnacht in Franken in Veitshöchheim dabei ist, ist „in“. Die fränkische Veranstaltung ist der Höhepunkt des Faschings in ganz Bayern. Wie das dem bayerischen Ministerpräsidenten, wie auch seinem Herausforderer von der SPD stank. Leider konnten sie es öffentlich nicht zugeben. Jedes Jahr mussten sie sich diese beißenden fränkischen Sticheleien und Seitenhiebe gefallen lassen. Sehr zur stillen Schadenfreude des aus Hersbruck stammenden, früheren Landesvaters, den sie nur kurz in Amt und Würde gelitten hatten, bevor sie ihre politischen Intrigen schürten.

      Die Vorbereitungen liefen bereits seit Monaten, aber die fränkischen Narren mussten sich noch etwas gedulden. Noch war es nicht soweit. Erst in einem Monat und sieben Tagen würde der langjährige Sitzungspräsident die Prunksitzung eröffnen. Dann wirbelten wieder Deutschlands beste Funkenmariechen und Faschingsgarden über die Bühne, und Waltraud und Mariechen durften dem dankbaren Publikum ihre neuesten Gags vorspielen. Am 1. Februar 2013 würde Veitshöchheim wieder einmal einen Fernsehabend lang der Nabel des bayerischen Faschings sein. Nicht München.

      •

      Viele tausend Kilometer vom mainfränkischen Veitshöchheim entfernt, im pakistanischen Peshawar, sprach man ebenfalls über die kleine unterfränkische Gemeinde. Auch hier planten Experten für die am 1. Februar stattfindende Prunksitzung. Sie trafen sich im Innern eines halbverfallenen, kleinen Hauses, in einer engen, schmutzigen Gasse, mitten im Stadtkern von Peshawar. Die Gesprächspartner hießen allerdings nicht Volker Heißmann und Martin Rassau. Nicht Pierre Ruby mit seiner Amanda, auch nicht Michl Müller. Die Vertreter der Altneihauser Feierwehrkapelln waren auch nicht anwesend, sondern nur die Mitglieder einer islamistischen Terrorzelle der Al-Qaida.

      „Salam alaikum, meine gläubigen Brüder. Allahu Akbar!“, begrüßte Abu Hassan Akbar, der Leiter der Gruppe, die vier anderen.

      „Wa alaikum as salaam, Abu“, grüssten Mueselim Ansari, Shakir Yakisan, Ibrahim al-Assad und Yousaf Khan zurück. „Gott ist groß. Es gibt nur einen Gott!“

      Die fünf Tadschiken aus Duschanbe, der Hauptstadt Tadschikistans im Südwesten des Alai-Gebirges, kannten sich seit Kindesbeinen an, und waren vor fünf Monaten gemeinsam in die Dienste von Al-Qaida getreten. Sie waren gläubige Moslems und hatten ihre Herzen dem Dschihad, dem heiligen Krieg gegen die Ungläubigen, verschrieben. Die letzten Wochen hatten sie in einem Ausbildungslager im Swat-Tal verbracht und waren im Umgang mit Kalaschnikows, Pistolen, Sprengstoff, dem Legen von Landminen und dem Bombenbau geschult worden. Nun saßen sie in dem alten Haus, im Zentrum Peshawars, der Hauptstadt der nordwestlichen Grenzprovinz zu Afghanistan, Khybar Pakhtunkhwa. Sie steckten die Köpfe zusammen, um die letzten Schritte für ihren ersten Auslandseinsatz zu planen.

      Bereits vor Wochen hatte der Leiter ihrer Terrorzelle, Al-Turabi, ihr Ziel ausgesucht: Veitshöchheim, ein kleines deutsches Städtchen, in der Nähe von Würzburg. „Unser Anschlag auf den Bahnhof in Bonn war ein Fehlschlag“, hatte Al-Turabi ihnen erklärt. „Wir hatten Stümper am Werk, schlecht ausgebildete Leute. Sie konnten die Bombe zwar in Position bringen, doch sie zündete nicht. Sie setzten zu schwache Batterien ein. Pfuscharbeit! Nun sind die deutsche Polizei und die deutschen Geheimdienste glockenwach. Wir müssen dieses Mal außerordentlich vorsichtig agieren.“

      „Was ist unser Ziel, Bruder Turabi“, wollte Abu Hassan Akbar begierig wissen, „was unsere Aufgabe?“

      „Langsam, langsam, Bruder Abu. Allah wird uns in unserem Kampf gegen die Ungläubigen führen. Ich komme gleich auf eure Aufgabe zu sprechen, doch zunächst lasst uns Gott anrufen und ihn um seinen Beistand im Kampf gegen alle Nichtgläubigen bitten.“

      Al-Turabi hatte ihnen nach ihrem Gebet die Aufgabe bis ins kleinste Detail erläutert. Das war vor zwei Wochen gewesen. Nun saßen sie zusammen und besprachen zum letzten Mal ihre Aufgabenteilung. Sie würden sich nach diesem Treffen erst in Veitshöchheim wieder sehen. Mueselim Ansari und Ibrahim al-Assad planten, mit der KLM über Bahrain in Amsterdam einzureisen. Yousaf Khan und Shakir Yakisan würden nahezu zeitgleich die italienische Route nehmen. Abu Hassan Akbar aber, ihr Anführer eilte ihnen zwei Wochen voraus. Seine erste Aufgabe war es, die angestoßene Arbeit, welche die deutschen Sympathisanten und Helfer bereits eingeleitet hatten, zu überprüfen und alles Nötige für den großen Bäng vorzubereiten. Die Schläfer in Deutschland waren von Al-Turabi persönlich mobilisiert worden. Die fünf Terroristen waren angewiesen worden, keine Telefonate nach Europa zu führen. Der CIA, der britische MI6 und der deutsche BND saßen auf Zypern und hörten alle Telefongespräche ab. Eine Pleite wie in Bonn würde es nicht mehr geben. Wie schlau von Al-Turabi, für den Anschlag einen Ort auszuwählen, an dem Fröhlichkeit und Ausgelassenheit vorherrschten. Die Aufmerksamkeit der staatlichen Polizeiorgane und die Sicherheitsmaßnahmen würden zwangsweise darunter leiden. Das machte die Sache leichter. Über installierte Kameras, wie am Bahnhof in Bonn, machten sie sich dieses Mal keine Sorgen. An dem Tag, an dem sie zuschlugen, würden sie maskiert sein, wie die meisten Besucher dieser seltsamen Veranstaltung. Komische Leute, diese Deutschen, ziehen sich bunte Kostüme an, tanzen und singen dabei und trinken dazu in rauen Mengen Alkohol. Ungläubige Bastarde! Inklusive der Darsteller, Organisatoren und sonstiger Hilfskräfte würden sich knapp achthundert Menschen in dem Gebäude aufhalten, wenn die Halle mit lautem Getöse zusammenkrachte. Auch der Führer dieser bayerischen christlichen Partei war wieder da. Tod den Ungläubigen! Das Fernsehen berichtete live aus dem Inneren der Halle. Millionen von Fernsehzuschauern saßen dann im ganzen Land an den Bildschirmen und konnten zusehen, wie die detonierenden Bomben die Stahlträger, Betonwände und das Dach zum Einsturz brachten. Umherfliegende Glassplitter, Metallteile und Betonbrocken würden Schrecken, Angst und Tod mit sich bringen. Eine Inszenierung besser als 9/11. Zwar mit weniger Toten, aber umso medienwirksamer inszeniert. Abu Hassan Akbar träumte von der Berühmtheit, die er und seine moslemischen Brüder mit dieser Tat erlangen würden. Zum wiederholten Male vertiefte er sich in die Baupläne der Mainfrankensäle, um die sie alle fünf herumsaßen. Eigentlich taten sie ein gutes Werk. Sie halfen den Deutschen eine Menge Geld einzusparen. Am 18. Februar sollte mit der Sanierung und Erweiterung des Gebäudes begonnen werden. Mehr als dreizehn Millionen Euro sollten dafür ausgegeben werden. Die Deutschen konnten sich dieses Geld sparen. Am Abend des 1. Februars würde es die Mainfrankensäle nicht mehr geben, sondern nur noch Schutt und Asche mit vielen Toten. Sie mussten die Sprengsätze nur an den richtigen Stellen platzieren.

      „Hier steigen wir voraussichtlich ein!“ Abu Hassan Akbar deutete auf den Küchenbereich der Mainfrankensäle, gleich neben dem Restaurant.

      Am Abend des 26. Dezembers bestieg Abu Hassan Akbar mit gefälschtem Pass unter dem verhassten Namen David Morgenstern die PIA von Karatschi nach Dubai. Der Quaid-E-Azam International Airport lag im Dunst der naheliegenden pakistanischen Hauptstadt. In Dubai hatte er nach zwei Stunden Aufenthalt direkten Anschluss nach Wien Schwechat, wo er tags darauf von dem Deutschen