abgeschossen. Als er jedoch eines regnerischen Vormittags einen Abstoßball einem nicht rechtzeitig entkommenen siebenjährigen Mitspieler der eigenen Mannschaft heftig in die Genitalien schoss und dessen winzige Murmeln so sehr im Unterleib des Abgeschossenen versenkte, dass der Bua zunächst sprach- und atemlos umfiel und schließlich ins Sanatorium geschafft werden musste, durfte Valentin bis hinauf zur D-Jugend in den Sturm der Mannschaft. Hosenbisla – Feuerbackerl schoss ganz nebenbei unzählige Tore für den Grün-Blau Kleinfingerrodaer 1864 e. V.; wälzte er samt Ball heran, dann flüchteten die gegnerischen Horden lieber rasch. Doch verehrt wurde er deshalb nicht zwingend.
Valentin reifte zu einem jungen Burschen. Allmählich wurde er auch etwas formschöner, streckte sich hier und da ein bisschen, sein bester Freund erreichte stattliche Ausmaße und die Scham begann zu sprießen. Doch achtete Valentin stets darauf, dass sein Gesamtkörper auf keinen Fall zu schmal, zu dürr oder gar zu schön werden könnte.
Der kleine Valentin wurde trotz aller Problemzonen ein Jugendlicher und kam völlig unvorbereitet und unaufgeklärt in die Pubertät, weil seine Vormünder ohnehin glaubten, in Valentins Leben würde das Thema »Fortpflanzung« bedeutungslos bleiben. Sie fassten diesen Glauben in oft geäußerte Worte, die Valentin zunächst nicht endgültig begriff, die ihn jedoch bedrückten, denn seine Sports- und Schulkameraden bekräftigten die Meinung der Erwachsenen tagtäglich. In jener Gegend fanden aus religiösen Gründen Worte wie »pimpern«, »vögeln« oder gar »bumsen« keine Verwendung. Einzig das Wort »schnackseln« war begrenzt gesellschaftsfähig. Ja so sans, die Kleinfingerrodaer.
»Feuerbackerl, lass dös Schnackseln, des geht fei ned, du seist ehn Homo, Hosnbisla.«
Dem war jedoch nicht mal annähernd so. Im Recyclingpapiermüll fand der inzwischen zwölfjährige und mit einer wahrhaftig auffälligen Akne gesegnete Valentin Karl den verklebten und stinkenden Katalog eines berühmten Sex-Versandwarenhauses, auf dessen bunt illustrierten Seiten die interessantesten erotischen Schnackselsachen von mehr oder minder unangezogenen Damen und Herren feilgeboten wurden. Freilich besaß Valentin kein kreditfähiges Kundenkonto in diesem hocherotischen Versandwarenhaus, doch auf die Ware kam es ihm auch nicht an. Lediglich eine Dame hatte es dem Jungen angetan, die fortan die Protagonistin in seinen Wachträumen spielte. Heimlich und in größter Abgeschiedenheit, nicht minder enthusiastisch, studierte der Junge diesen Katalog und erfuhr infolge des Studiums seine erste reaktionäre Zwei-Stunden-Erektion. Den Abbildungen Glauben schenkend bildete sich Valentin übrigens lange Zeit ein, Babys würden ausschließlich durch ungeschützten Oralverkehr entstehen.
Erst zwei Jahre später, im Verlauf seines vierzehnten Lebensjahres, wies ihn ein blondes Mädchen darauf hin, dass dies der blanke Blödsinn sei und die schlüpfrigen Spermien im Mund einer Frau keineswegs zum Voranschreiten der Weltüberbevölkerung beitrugen.
Genau diesem Mädchen hatte Valentin den ersten und einzigen Schnackselverkehr seiner frühen Gründerjahre zu verdanken – wenn man die obskure Situation überhaupt als solchen bezeichnen konnte.
Es geschah nämlich während einer Zwei-Tage-Ausfahrt der Katholischen Landjugend Kleinfingerrodas (KLK) gemeinsam mit Jugendlichen aus anderen oberbayerischen Bergdörfern in den wunderschönen, vom Baumsterben bedrohten Bayerischen Schwarzwald. Am Abend des ersten Tages saßen alle Landreisenden erschöpft am Lagerfeuer und sangen lustige Kirchenlieder. Valentin war bei diesem Ausflug mit vierzehn einer der jüngsten teilnehmenden Katholiken. Dann kam der Moment, da sich die erwachsenen Begleitpersonen in ihre Zelte zurückzogen, um still und leise gegen das päpstliche Kondomverbot zu protestieren. Währenddessen verteilten zwei der verbliebenen Jugendlichen Weihwasser, das angeblich die Seele säubern würde, ohne dass die begleitenden erwachsenen Kirchdiener davon etwas mitbekamen.
Von diesem Weihwasser nahm Valentin etwas zu viel zu sich. Das tat er keineswegs, um seine Seele besonders gut zu reinigen. Nein, er wollte pubertäre Stärke beweisen, setzte die Flasche an die Lippen und trank und trank und trank, bis ihm der Flaschenbesitzer die Buddel wegriss und schimpfte: »Dummbaddl, hots di?«
Valentin kriegte schon gar nichts mehr mit und es kam zu einem Filmriss besonderer Güte!
Am frühen kühlen Morgen erwachte er in wohliger Wärme umhüllt von einem Mumienschlafsack, der zwei Mumien Platz bieten musste, denn eine völlig unbekannte Mumie lag unmittelbar auf ihm und Valentin fühlte, dass ER fast in ihr steckte, wobei das vielleicht fünfzehn- oder sechzehnjährige Mädchen noch fest schlief, ihre Wange an die seine drückte und Valentin ihren angenehm säuerlichen Mundgeruchshauch auf der Wange zu spüren bekam. Valentin genoss den Augenblick, auch wenn sich die Brüstchen des Mädchens nicht einmal annähernd mit denen der blonden Frau aus dem Katalog messen konnten. Er streichelte zögernd und sanft ihren straffen Po, dann ihren gesamten glatten Körper, ging auf einen Erkundungszug im Neuland der Gefühle und küsste immerzu einen winzigen Leberfleck, der sich hinter ihrem süßen linken Ohr versteckte. Sanft bäumte er sich zwischen den fremden Beinen auf, bis Valentin schließlich mit einem grinsenden, erleichternden und wohltuenden Jauchzer zum Orgasmus kam, kurz aufstöhnte, wodurch das Mädchen erwachte und wenig vorwurfsvoll flüsterte: »Du altes, kleines Ferkel«, um dann dreißig Minuten an seiner Zunge zu saugen und anschließend in seine Lippen zu beißen.
Beide flüsterten ein Weilchen miteinander, als das erledigt war, und im Verlaufe des Gespräches wurde Valentin mehr oder weniger aufgeklärt.
Zu Valentins Leid blieb nur die bloße Erinnerung an wonnige Minuten. Niemals sollte er den Namen des zuckersüßen blonden Engels erfahren, der am Ende des Ausflugs für alle Zeit aus seinem Leben schied.
Jedoch zurück zum Versandhauskatalog: Der beschäftigte den Jungen etliche Monate und der Junge sich selbst, bis alle körpereigenen Reaktionen geklärt, alle Schneizdiachen gefüllt und alle austretenden Flüssigkeiten bekannt waren.
Valentins erste andauernde Liebesbeziehung war die mit der blonden Frau auf den Seiten 322 bis 334, die sich auf zwölf Abbildungen mit allerlei Liebesspielzeug verlustierte. Deren Nippel – auf dem gewaltigsten Busen der Welt thronend, den sich Valentin in seinen feuchten Träumen kaum vorzustellen wagte – waren stets von den Einkaufspreisen der Dildos und Lustkugeln überdeckt. Dabei hätte Valentin gerade diese beiden Nippel so gern einmal gesehen. Schließlich hatte ihm die leibliche Mutter das Saugen an deren Busen sehr zeitig verboten, schon als sein erstes winziges Zähnchen ein lustiges Muster in die Mutterbrust getackert hatte. Dieser Versandhauskatalog jedenfalls, der dem Jüngling Valentin mehr an Herz und Nieren gewachsen war, als es die Bibel jemals tun würde, wurde ihm an einem entsetzlichen Samstagmorgen brutal und überraschend genommen, da Valentins Mutter in einem äußerst hysterischen Anfall das Zimmer des Sohnemanns entrümpelte und den klebrigen Katalog in ihre gummihandschuhgeschützten Hände bekam.
Sie legte die Miene einer völlig verzweifelten Frau und Mutter auf und gab mit letzter Kraft von sich: »Mei, Valentin! Hots di? Buab, elender Hosnbisla! Des geht fei ned! Host mi?«
Einer mittelalterlichen katholischen Manie folgend, musste sich der arme, fast dreizehnjährige Valentin nackt unter der kalten, heimischen Dusche einem Reinigungsritual hingeben, währenddessen ihm die Mutter mit einer kratzenden, mit Persil getränkten Pferdebürste Haut und Pickel vom Leib zu schaben versuchte und dabei inbrünstig betend fluchte – in diesem Fall ins Hochdeutsche übersetzt, da sonst absolut unverständlich: »Ich lass dir das ganze Ding beschneiden! Gotteslästerer! Schau nur, wie groß der schon wieder gewachsen ist! Der liebe Herrgott wird dich strafen für deine unzüchtige Sauerei! Host mi?«
Der verzweifelte Junge hielt schützend die Hände vor dem Schambereich und heulte wütend: »Den Papa hast du auch nie mit Persil geschrubbt, wenn er sich heimlich Pornos aus der Videothek geholt hat!«
»Nu mei! Hau ma bloß ob mit deim Schmarrn! Hat er nischt!«
»Hat er ja doch! – Und dem Fräulein vom Sparmarkt wollte er auf unsrem Küchentisch ein Kind machen!«
»Nu mei! Hau ma bloß ob mit deim Schmarrn! Hat er nischt!«
»Hat er ja doch! In den Mund hat Papa ihr geschnackselt! Nicht mal gemerkt hat er, dass ich mir die Milch aus dem Gefrierschrank geholt habe! Und immerzu hat Papa Zeitschriften mit unerzogenen unangezogenen Frauen in seiner Aktentasche!«