Richard Kölldorfer

Der Bund roter Löwe (2). Fulcanelli II


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diese Aufzeichnungen haben mussten.“

      „Wisst ihr nicht, dass manche Schriften gefährlich sind?“, argwöhnte Gillard.

      „Es ist uns bewusst“, antwortete Abdul. „Andererseits sind wir Wissenschaftler. Seit Jahren beschäftigen wir uns mit diversen Heilmethoden und ich bin mir sicher, dass wir einer Menge Menschen das Leben gerettet haben. Es existieren noch viel mehr Menschen, deren Leben zu retten sind.“

      „Wissenschaft hin oder her“, entgegnete der Abt besorgt. „Wer mit dem Feuer spielt, verbrennt sich leicht.“

      „Wir arbeiten an einer der renommiertesten Universitäten auf diesem Planeten an Dingen, die sich viele Menschen nicht mal vorstellen können“, grummelte ich. „Das Spiel mit dem Feuer ist unser tägliches Brot.“

      „Verstehe“, antwortete Gillard. „Die werten Wissenschaftler lassen sich nicht von einem Abt aus der Provinz ins Gewissen reden.“

      „Entschuldigung, es war nicht unsere Absicht, sie in irgendeiner Weise zu diskreditieren“, meinte Abdul. „Es ist nur so, dass wir sehr viel unserer Lebenszeit und Energie in ein Projekt gesteckt haben, bei dem es, wenn ihr so wollt, kein Zurück mehr gibt.“

      „Besucht uns in Paris“, fügte ich an. „Ihr könntet euch persönlich von der Wichtigkeit unseres Unterfangens überzeugen.“

      „Einer Einladung, der ich kaum wiedersehen kann“, seuftze Oliver Gillard.

      Irgendwann frühmorgens ermatteten unsere Gespräche. Mein Kopf war nicht mehr zu gebrauchen und das Letzte, das ich hörte, bevor ich in das Land des Schlafes glitt, war das unablässige Schnarchen eines Mönches, der wohl mit einer massiven Verkühlung zu kämpfen hatte.

      Als wir Stunden später mit wackeligen Knien die Anhöhe beim Kloster hinunter latschten, hatten wir eine vielversprechende Aufgabe in der Tasche und einen neuen Freund gefunden. Die Rückreise gestalteten wir umsichtiger, deswegen übernachteten wir in einem guten Hotel unweit eines Gendarmeriepostens, der24 Stunden lang besetzt war. Während der gesamten Zeit widmeten wir uns der Arbeitsanleitung, deren Übersetzung wir kaum lesbar auf vollgekleckstes Papier kritzelten. Die Arbeitsprozesse der Vorschrift waren zum ersten Mal eindeutig nachvollziehbar, das heißt der Prozess war eindeutig nachvollziehbar angelegt, ohne abstrusen abergläubischen Schabernack und schwer verständlichen Metaphern. Es lag wohl daran, dass wir inzwischen dazugelernt hatten und die Metaphern richtig zu deuten im Stande waren.

      „Sieht vielversprechend aus, nicht?“, meinte Abdul, als ich die Übersetzung eingehend durchsah.

      „Na ja, das haben wir uns des Öfteren gedacht. Ohne es ausprobiert zu haben, möchte ich dazu nichts sagen.“

      „Und wie geht’s dir sonst? Siehst ein wenig griesgrämig drein.“

      „Es ist wegen Lilith“, seufzte ich. „Ich mach mir Sorgen um sie.“

      „Verstehe. Wie ich Irene kenne, wird sie Lilith bis spät abends mit Arbeit eindecken. Du kennst sie ja. Sie weiß Energieströme umzulenken. Lilith wird denken, du warst nur eine halbe Stunde im Cafe um die Ecke.“

      „Das hoffe ich“, entgegnete ich abwesend.

      Spätabends sperrte ich die Tür zu unserer Wohnung auf und fand Lilith friedlich schlafend, während auf meiner Seite des Bettes einige Manuskripte und Bücher lagen, die ich leise, allerdings nicht leise genug, auf den Nachttisch legte.

      „Schön, dass du zurück bist“, flüsterte Lilith. Zärtlich strich ich ihr über das Haar, löschte das Licht und umarmte sie. Es bedurfte nicht vieler Worte. Wir verstanden uns blind. Am Morgen musste ich meiner aufgebrachten Frau erklären, woher meine Verletzungen herrührten, wobei ich ein wenig flunkerte, um sie nicht zu beunruhigen. Von den Bedenken Abduls erzählte ich Lilith natürlich nichts. Die Straßen seien eben voll von üblen Gestalten, die nur darauf warten, einfältigen Reisenden wie mich, ihren Geldbeutel abzuluchsen. Hoch und heilig schwor ich, beim nächsten Mal vorsichtiger zu sein, sofern es ein nächstes Mal geben sollte, worauf Lilith säuerlich den Mund verzog und ankündigte, mich auf jeden Fall begleiten zu wollen.

      Wer sich nicht ganz zufrieden mit der Ausfertigung der Übersetzung zeigte, war verständlicherweise Albert, jedoch hatten wir nach einigen arbeitsreichen Stunden eine brauchbare Arbeitsanleitung vorzuweisen. Die ersten Schritte verliefen reibungslos. Andere Rezepturen mussten wir bereits zu Beginn verwerfen, weil sie eindeutig fehl geschlagen waren. Ich beobachtete das Team bei der Arbeit und hatte das Gefühl, dass etwas anders war. Der Prozess erstreckte sich über Wochen. Am Ende konnten wir eine rötlich schimmernde kolloidale Substanz vorweisen, die sowohl gelöstes wie feinste Goldpartikel enthielt. Nach eingehender Analyse waren wir uns über die Toxizität für einen Organismus nicht einig, denn die Substanz beinhaltete eine größere Menge an Schwermetallen, deren Dosis auf jeden Fall pathogen einzustufen war. Interessanterweise maßen wir den pH-Wert der Lösung bei knapp über fünf. Das Substrat wies also nur eine leicht saure Wasserstoffkonzentration auf. Bekanntlich beherbergt der menschliche Magen ein Milieu, das mit konzentrierter Salzsäure verglichen werden könnte, was die Frage aufwarf, wie Verdauung und Metabolismus im Allgemeinen auf das Elixier reagieren würden.

      „Korrigiert mich, wenn ich mich täusche“, erläuterte Irene. „Schätze mal, das Gold in Verbindung mit den anderen Metallen wirkt wie eine Art Katalysator.“

      „Nein, nein, der Gedanke ist gar nicht so abwegig“, bekräftigte ich Irenes Annahme. „Gold und Platin eignen sich vorzüglich als Reaktionsbeschleuniger, etwa was die Erdölraffinierung betrifft. Warum sollte das im menschlichen bzw. tierischen Organismus anders sein?“

      „Über die biochemischen Vorgänge im Körper wissen wir zu wenig“, warf Albert ein. „Eine Einschätzung ist deswegen unseriös.“

      „Es bleibt uns also nur eine Möglichkeit“, meinte Irene.

      „Es unseren Versuchstieren einzuflößen, entgegnete Lilith.

      „Wenn keiner Einwände hegt, würde ich sofort zwei Versuchstiere aussuchen und das Experiment beginnen“, meinte Albert sich umblickend. „Gut, machen wir es so.“

      Abdul flößte zweien unserer Versuchstiere vermischt mit einer Zuckerlösung das Elixier ein und abwechselnd beobachteten wir unsere Schützlinge. Es dauerte nicht lange und die Tiere schienen unter Krämpfen zu leiden, die sehr schmerzhaft waren, denn sie stießen nie gehörte Laute aus. Nach Stunden änderte sich das Bild, die Krämpfe ließen nach, aber andere Symptome zeigten sich. Wie Im Rausch torkelten die Tiere durch ihre Käfige, worauf sie allmählich ihre Kräfte verließen, worauf ein unnatürlich langer Schlaf folgte, der sich über Tage zog, unterbrochen von kurzen Phasen, in denen die Tiere sehr viel tranken und Nahrung zu sich nahmen. Nach einer Woche war alles beim Alten. Beiden Versuchstieren schienen putzmunter. Es blieb uns nichts anderes übrig, als abzuwarten und unseren Alltag zu bestreiten. Wie jeden Abend kamen Lilith und ich nach Hause, jedoch änderte sich etwas an meinem Empfinden. Kurz gesagt, ich war nach all der verstrichenen Zeit nicht mehr dazu im Stande, noch länger auf ein ernst zu nehmendes Ergebnis zu warten. Eine Idee pflanzte sich in mir fort. Wenn der letzte Versuch an unseren Tieren keine bleibenden Schäden verursachte, warum sollte es beim Menschen anders sein? Jedenfalls waren zum gegebenen Zeitpunkt keine nachteiligen Wirkungen des Elixiers fest zu stellen. Im Bett pflegten Lilith und ich noch zu schmökern und über den Tag zu reden. Als ich sie fragte, was sie denn von meiner Idee hielte, reagierte sie ungehalten.

      „Nicht, dass du darauf anspielst, das Gebräu im Selbstversuch zu erproben, Hilaire!“

      „Aber warum denn nicht? Andere Wissenschaftler haben es auch versucht.“

      „Sei nicht albern“, brummte Lilith. „Du weißt doch, dass gerade durch die Einnahme von vermeintlichem Aurum Potabile beispielsweise im heutigen China Menschen zu Tode gekommen sind.“

      „Das ist lange her“, seufzte ich. „Wer weiß schon, welches Gebräu sie sich einflößen ließen? Wir sind doch heute viel weiter, was Toxikologie betrifft. Glaubst du, Abdul würde mich etwas schlucken lassen, das mir den Garaus macht?“

      „Ich