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Gehört der Islam zu Österreich


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wurden. Und der weit davon entfernt war, Bedenken von einem Kampf der Kulturen auszulösen. Wohl auch, weil im fernen Wien kaum etwas von dem Neuen zu spüren war. Und weil Religion nur ein Aspekt von vielen war, der im damaligen Vielvölkerstaat mitnichten die Hauptrolle spielte.

      Der Orient und mit ihm der Islam hatte auch lange Zeit die Rolle eines Faszinosums für die Europäer. Irgendwo zwischen exotischer Begeisterung und Weltoffenheit in einer damals noch nicht globalisierten Welt rangierte der Umgang mit dieser Religion. Natürlich, es gab die Konflikte, die kriegerischen Auseinandersetzungen mit dem Osmanischen Reich. Die Türkenbelagerungen 1529 und 1683, nach denen Wien sich als Bastion des christlichen Abendlandes inszenieren konnte. Und schon damals wurde den Muselmanen, wie sie genannt wurden, auch Ablehnung entgegengebracht. Aber gleichzeitig blieb auch ein wenig vom Gefühl, dass man von dieser Zivilisation doch auch einiges lernen konnte.

      Ein wichtiger Markstein im Verhältnis Europas zum Islam war in jedem Fall die Arbeitsmigration aus muslimischen Ländern, die Mitte des vorigen Jahrhunderts einsetzte. In Österreich und Deutschland waren das vor allem die Gastarbeiter aus der Türkei. Nur dass sich damals noch niemand für deren Religion interessierte. Genau genommen interessierte man sich auch sonst recht wenig für die Menschen, die da gekommen waren, um beim Boom der Wirtschaft mitzuhelfen. Es war ja nur als temporäre Maßnahme gedacht. Nach getaner Arbeit, so die damalige Vorstellung, würden sie ja ohnehin wieder in ihre Heimat zurückgehen.

      Das war der erste große Irrtum. Gefolgt davon, dass man deswegen auch keine Notwendigkeit sah, sich besonders um diese Menschen zu kümmern. Sie mit dem Land vertraut zu machen, ihnen die Sprache und die Mentalität näherzubringen. Und dafür zu sorgen, dass sich Verbindungen zwischen den Gastarbeitern und der autochthonen Bevölkerung ergeben. Man lebte nebeneinander, hatte einander nicht viel zu sagen und erwartete nicht, dass aus der kurzfristigen Idee eine längerfristige werden würde. Aus den zunächst wenigen Gästen im Land wurden mehr – und irgendwann passte auch der Begriff „Gast“ nicht mehr so recht. Österreich und Deutschland hatten sich als eine zweite Heimat für diese Zuwanderer etabliert.

      Lange Zeit waren sie vor allem Türken. Muslime waren sie nur in zweiter Linie – und selbst da war das Interesse nicht wahnsinnig groß, die Furcht vor dieser Religion noch alles andere als ausgeprägt. Im Lauf der Jahre kamen andere Menschen, unter ihnen wieder zahlreiche Muslime, etwa aus Bosnien-Herzegowina. Wieder im Zug von Arbeitsmigration, später als Flüchtlinge aus dem Jugoslawien-Krieg. Doch auch bei ihnen spielte die Religion keine große Rolle. Ja, es wurde schon damals politisiert – gegen „die Ausländer“. Doch der Fokus auf den Islam sollte erst später kommen.

      Spätestens mit dem 11. September 2001, mit den Angriffen auf die Twin Towers in New York und das Pentagon in Washington, hatte der Islam den Aufstieg zu einer Art globalem Feindbild geschafft. Ein Feindbild, das nach dem Zerfall der Sowjetunion, dem Ende des Kalten Krieges, offenbar dringend benötigt wurde, erstmals konkret niedergeschrieben in Samuel P. Huntingtons „Clash of Civilizations“ aus dem Jahr 1996. Ein Buch, das quasi das theoretische Konzept dafür lieferte, wie die Welt sich in den kommenden Jahrzehnten entwickeln würde.

      Die neue Konfliktlinie zwischen der westlichen und der islamischen Welt hat unter anderem dazu geführt, dass etwa in Österreich und Deutschland aus den Ausländern, aus den Türken, aus den Bosniern und Iranern „die Muslime“ geworden sind. Die Religion ist plötzlich zum primären Identifikationsmerkmal aufgestiegen. Nicht zu einem Merkmal unter vielen, das eben zu einer Person gehört. Sondern zum wichtigsten, hinter das alles andere zurückgereiht wird. Parallel dazu hat sich aber längst eine Wandlung vollzogen. Demografisch und auch ideell. Denn längst ist der Islam nicht mehr ein Merkmal, das vor allem zu Zuwanderern passte. Viele Muslime haben längst die Staatsbürgerschaften von Österreich oder Deutschland inne. Weil sie eingebürgert wurden. Oder sogar hier geboren sind. Aufgewachsen im Bewusstsein, Österreicher zu sein. Und Muslim. Die Frage, ob sie hier dazugehören, stellt sich für sie nicht. Auch wenn sie ihnen von außen immer wieder gestellt wird. Diese Trennung in den Köpfen der Bevölkerung, diese Grundeinstellung im öffentlichen Diskurs ist es, die die Frage, ob der Islam denn nun zu Österreich gehört, immer wieder aufwirft. Eine Frage, die aber weder so pauschal gestellt noch beantwortet werden sollte. Natürlich ist es lohnend, einen Blick darauf zu werfen, wie sich der Islam im österreichischen Staat, in der österreichischen Lebensrealität mittlerweile eingefügt hat. Wie er auf viele Dinge Einfluss nimmt, aber auch, wie er sich an die Gegebenheiten angepasst, sich verändert, eine eigene Spielart entwickelt hat.

      In einzelne Lebensbereiche vorzudringen und sie darauf abzuklopfen, wie der Islam und Österreich sich angenähert und beeinflusst haben, aber auch, wo Potenzial für Konflikte begraben liegt, war eine Motivation für dieses Buch. Und das auf eine Art und Weise, wie es auch „Die Presse“ in ihrer täglichen Arbeit macht – und ihre Leserinnen und Leser es gewohnt sind und schätzen. Nüchtern, nämlich unaufgeregt und sachlich. Ohne Schaum vor dem Mund. Und ohne vorgefertigte Ergebnisse, die auf Nicht-Recherche beruhen.

      Was dieses Buch auch von anderen unterscheidet, ist, dass hier nicht sogenannte „Islamexperten“ ans Werk gehen. Sondern weil ein Ansatz des Buches ist, dass die Spezialistinnen und Spezialisten aus der „Presse“-Redaktion sich weitgehend in dem thematischen Bereich bewegen, für den sie auch sonst zuständig sind. Themen, die auf den ersten Blick oft gar nichts mit dem Islam zu tun haben. Doch in denen man auf den zweiten Blick spannende Aspekte entdecken kann, wenn man in ihnen nach Verbindungen zu Muslimen sucht.

      Das beginnt schon mit den Themenfeldern Politik und Kirche, die von Oliver Pink und Dietmar Neuwirth im Hinblick auf den Islam durchleuchtet werden. Jakob Zirm aus dem Wirtschaftsressort wiederum rückt Themen wie Halal-Zertifizierungen und Islamic Banking in das Zentrum seines Beitrags zu Islam und Wirtschaft. Eine politisch heikle Debatte ist die Erziehung und Ausbildung muslimischer Kinder – Eva Winroither und Bernadette Bayrhammer werfen einen genauen Blick in Kindergärten und Schulen. Feuilleton-Redakteurin Anne-Catherine Simon wiederum denkt rund um das Thema Frauenbild im Islam über eines der sichtbarsten – und umstrittensten – Symbole nach, nämlich das Kopftuch.

      Köksal Baltaci aus dem Wien-Ressort hat die spezielle Rolle des türkischen Islam in Österreich analysiert, während seine Ressortkollegin Anna Thalhammer eines der besonders dunklen Kapitel bearbeitet, nämlich jenes der Radikalisierung junger Muslime, die in nicht wenigen Fällen weg aus Österreich und sogar in den Tod geführt hat. Rechtspanorama-Chef Benedikt Kommenda wiederum hat den Islam in Sachen Kompatibilität mit der österreichischen Rechtsordnung durchleuchtet. Medienredakteurin Anna-Maria Wallner widmet sich der Frage, wie Muslime in Medien repräsentiert sind und werden.

      Einen Bereich, der als besonders wichtig für die Integration gilt, hat Innenpolitik-Redakteurin Iris Bonavida ins Visier genommen – das Bundesheer, in dem mittlerweile eine gar nicht so geringe Anzahl an Muslimen für die Landesverteidigung Österreichs zuständig ist. Weniger positiv ist der Blick, den Chronik-Redakteur Manfred Seeh auf die Verbindungen von Islam und Justiz wirft – nämlich auf die Lage von Muslimen in Österreichs Haftanstalten. Umgekehrt beleuchtet Österreich-Redakteur Gerhard Bitzan, wie wichtig Muslime auch als positive Role Models sein können, ehe Außenpolitik-Redakteurin Duygu Özkan noch einen Blick auf jene Muslime richtet, die nicht im Fokus der Debatte stehen: innermuslimische Minderheiten, also Schiiten, Aleviten und andere Glaubensrichtungen innerhalb des Islam, zusammengefasst unter „die anderen Muslime“.

      Jedes Kapitel kann einen Beitrag dazu leisten, den Islam und die Muslime in Österreich ein Stück weit zu verorten. Ein wenig dazu beitragen, mehr über die Muslime zu erfahren, die hier leben. Wie sie in manchen Bereichen längst ganz selbstverständlicher Teil des Landes sind. Und wie in anderen noch Trennlinien existieren, von wem auch immer gezogen – von Muslimen selbst oder von jenen, die auf Muslime schauen.

      Gehört der Islam, abschließend gefragt, nun also zu Österreich? Natürlich, das tut er längst durch all die Muslime, die hier leben, arbeiten, Steuern zahlen, ihre Kinder erziehen, das Land verteidigen, vielleicht auch mit manchen Dingen im Land unglücklich sind, mit manchen Traditionen ihre Probleme haben und manchmal womöglich auch mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Wichtig ist bei all dem, dass wir darüber reden. Dass wir ein Bild der Situation gewinnen. Und daraus ableiten können, wo das Zusammenleben gut