der Befragten werden als religiös betrachtet – allerdings in unterschiedlicher Intensität. Rund 14 Prozent davon, zusammengefasst unter „bewahrende Religiosität“, richte ihr gesamtes Leben vorrangig nach religiösen Prinzipien aus. Knapp 27 Prozent würden eine pragmatische Religiosität leben, also etwa religiöse Rituale dem Rhythmus des Arbeitsplatzes anpassen und nicht umgekehrt. Und schließlich würden knapp 15 Prozent eine offene Religiosität leben, also individueller und weniger auf religiöse Autoritäten ausgerichtet.
Was bei aller Hinwendung zum Säkularismus in der Studie dennoch auffällt, sind Einstellungen, die die Autoren als „hoch fundamentalistisch“ bezeichnen. Dazu zählen die Autoren etwa die Wertung der eigenen Religion als höherstehend bei gleichzeitiger Abwertung anderer Religionen. Allerdings haben die Autoren zwei wichtige Anmerkungen zu diesem Begriff. Zum einen, dass sich ein Hang zur Gewalt gegenüber Nichtmuslimen aus dieser Befragung nicht herauslesen lasse. Und zum anderen, ob bei einer solchen Umfrage unter Christen nicht auch ähnliche Ergebnisse herauskommen würden. Das gilt auch für Fragen, die weniger mit Religiosität als der Lebensweise zusammenhängen. So finde es etwa ein Drittel der Befragten „sehr bedrohlich“, wenn das eigene Kind einen Partner mit anderer Religionszugehörigkeit heiraten würde.
Die Studie zeigt noch einen weiteren Aspekt des muslimischen Lebens, der in der Öffentlichkeit und in der medialen Darstellung oft vernachlässigt wird: dass nämlich nur ein geringer Teil der Befragten Mitglied in einem Moscheeverein ist – nicht einmal 20 Prozent laut der Studie. Wobei bei der Gruppe mit der „bewahrenden Religiosität“ noch rund 42 Prozent, bei den pragmatisch Religiösen rund 26 Prozent zu einem Moscheeverein gehören.
Vereine bestimmen den religiösen Alltag
Diese Vereine sind es auch, die maßgeblich den Alltag der organisierten Religiosität bestimmen. Dabei handelt es sich vor allem um ethnisch oder nach Herkunftsstaaten zusammengesetzte Organisationen, allen voran die „Türkisch Islamische Union für kulturelle und soziale Zusammenarbeit in Österreich“ (ATIB), den mit – je nach Angaben – 75.000 bis 100.000 Mitgliedern und mehr als 60 Vereinen größten muslimischen Verband Österreichs. Er untersteht dem staatlichen türkischen Präsidium für religiöse Angelegenheiten in Ankara. Der zweite große Player mit rund 30 Ortsvereinen ist die „Islamische Föderation“, die zur türkischen Millî Görüs-Bewegung des 2011 verstorbenen türkisch-islamistischen Politikers Necmettin Erbakan gehört. Zahlenmäßig relevant ist auch noch die türkisch geprägte „Union Islamischer Kulturzentren“ (Avusturya Islam Kültür Merkezleri Birliǧi, UIKZ), die mehr als 40 Moscheen unter ihrem Dach versammelt. Die zahlenmäßig starken türkischen Vereine sind es auch, die in der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich das Ruder übernommen haben. Zuvor war sie von der zahlenmäßig doch kleinen Gruppierung der Araber dominiert worden.
Die Araber dürften in der Bevölkerung Österreichs allerdings in den vergangenen Monaten wieder zugelegt haben – durch die Fluchtbewegungen aus Syrien und dem Irak, wenn auch nicht in der Dimension, dass sie die zahlenmäßige Dominanz der Türkeistämmigen und der Bosniaken berühren wird. Wobei die ethnische Herkunft nur ein Merkmal ist – und das muss sich nicht unbedingt in der Staatsbürgerschaft niederschlagen. Denn ein großer Teil der in Österreich lebenden Muslime sind mittlerweile österreichische Staatsbürger, ob eingebürgert oder bereits von Geburt an. Bei der Volkszählung 2001 lag der Anteil der Österreicher mit islamischem Religionsbekenntnis noch bei rund 28 Prozent. Die Schätzung des Integrationsfonds 2009 sah den Anteil der Muslime, die die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, bereits bei 49 Prozent. Ein Anteil, der in der Zukunft wohl weiter steigen wird, wenn die Einbürgerungsrate der letzten Jahre von 0,7 Prozent auf gleichem Niveau weiter praktiziert wird. Und damit auch ein Anteil, der am Ende auch als ein befürwortendes Argument für die Frage herhalten kann, ob der Islam denn nun zu Österreich gehört.
2.
Islam und Politik
Ein schwieriger Umgang
Oliver Pink
Drei nach links unten zeigende Pfeile: Das ist das traditionelle Parteisymbol der SPÖ. Diese drei Pfeile richten sich gegen Faschismus, Kapitalismus und – Klerikalismus. Die Auseinandersetzung mit der Kirche, mit der Religion und ihren Regeln, das war lange Zeit ein Kulturkampf für die sozialdemokratische Arbeiterbewegung, vor allem in ihren Anfängen. Im „Lied der Arbeit“, der Hymne der österreichischen Sozialdemokratie, heißt es etwa: „Und wie einst Galilei rief, als rings die Welt im Irrtum schlief: Und sie bewegt sich doch!“ Schon Karl Marx, der Ahnherr der Linken, hatte zuvor postuliert, Religion sei das Opium des Volkes.
Und heute? Die Linke ist, könnte man meinen, unter die Religionsversteher gegangen. Vor allem, wenn es um den Islam geht. Hier hat sich die politische Welt überhaupt in ihr Gegenteil verkehrt: Die ÖVP, jene Partei, die seit jeher am meisten für Religion übrighat, ist diesbezüglich nun überaus kritisch. Die FPÖ, von ihrer Historie her antiklerikal, hat wegen des Islams das Christentum für sich entdeckt. Zugespitzt unter anderem im polemischen Kampagnenslogan „Pummerin statt Muezzin“.
Und die Vertreter linker Parteien wiederum sind auf einmal überaus verständnisvoll. Von Kulturkampf keine Spur mehr. Muslime werden in erster Linie als Minderheit gesehen, die man vor Diskriminierung beschützen müsse. Das Tragen eines Kopftuches wird von manchem gar zum feministischen Akt umgedeutet. Denn hier gehe es doch auch um die Selbstbestimmung der Frau.
Wer auf der Linken heute von diesem Denkschema abweicht, den Islam und seine politischen Auswüchse kritisch hinterfragt – wobei die Grenze zwischen Islam und Islamismus mitunter fließend ist –, handelt sich meist Schwierigkeiten mit den eigenen Gesinnungsfreunden ein. Wie etwa Efgani Dönmez und Peter Pilz, beides ehemalige Grüne. Der der Sozialdemokratie nahestehende Soziologe und Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier brachte das am 30. Juni 2017 in einem Tweet auf den Punkt: „Wenn man das Christentum ablehnt, ist man Atheist, wenn man den Islam ablehnt, Rassist. Österreich im 21. Jahrhundert.“
„Der Ton macht die Musik“, meint Omar Al-Rawi, Gemeinderat der SPÖ in Wien, über die Islamkritiker. Man könne etwa sagen, Kindergärten, die die entsprechenden Qualitätskriterien nicht erfüllen, sollten geschlossen werden. Oder man könne sagen, alle islamischen Kindergärten sollten geschlossen werden. Wieso er als gläubiger Muslim ausgerechnet der traditionell antiklerikalen SPÖ beigetreten sei? „Mich hat Bruno Kreisky geprägt, die soziale Frage hat mich interessiert – ich wollte mich um den kleinen Mann kümmern – und wegen der Anti-Diskriminierungslinie der SPÖ.“ Der Sohn eines irakischen Anwalts und einer österreichischen Ärztin, der mit 17 Jahren nach Wien kam, ist heute Betriebsratsvorsitzender des Baukonzerns Strabag.
Der Philosoph Konrad Paul Liessmann hält es für möglich, dass die neue Toleranz der Linken gegenüber religiösen Phänomenen auch mit einer uneingestandenen Sehnsucht nach einer solchen Gesellschaft mit klaren Regeln und Rollenbildern zu tun haben könnte. Zudem eignen sich Muslime auch als (linke) Projektionsfläche für Anti-Rassismus, Anti-Kolonialismus und Anti-Kapitalismus. Denn der (politische) Islam ist auch eine soziale Bewegung. Vom „Wohlfahrtsausschuss“ der Französischen Revolution zur „Wohlfahrtspartei“ des Necmettin Erbakan, aus der dann auch Recep Tayyip Erdogans AKP hervorging, sozusagen.
Genau darin, in der Gegenbewegung zu den zuvor herrschenden säkularen, aber korrupten und undemokratischen Eliten in den islamischen Ländern, sieht Omar Al-Rawi die Ursache für die heutige Wirkmächtigkeit der Religion unter Muslimen. Die Zunahme der Kopftuchträgerinnen im öffentlichen Raum erklärt er damit, dass die Anzahl der Muslime in Österreich eben zugenommen habe. Dass viele Zuwanderer oder Asylwerber aus Gesellschaften kommen, die keine Demokratie kennen, und dass es etwa auch an Sensibilität beim Thema Antisemitismus mangle, sei natürlich ein Problem, räumt Al-Rawi ein. „Aber Demokratie muss man auch lernen.“ Er selbst habe das in der Hochschülerschaft oder als Betriebsrat getan. Prinzipiell hält er Islam und Demokratie aber für vereinbar.
„Also mit dem salafistisch-wahhabitischen Islam ist die Demokratie natürlich nicht vereinbar. Das ist eine Kampfansage“, sagt Efgani Dönmez, der frühere Bundesrat der Grünen, der mittlerweile als Quereinsteiger zur ÖVP von