Prostata begünstigt.
Erreger kommen häufig über den Harnweg in die Prostata, jedoch lässt die anatomische Nähe zum Mastdarm auch an eine Einwanderung von Darmbakterien denken, insbesondere beim Vorliegen von Schleimhautschäden (vgl. Kapitel 3.7.1 ab Seite 47). So haben Patienten mit Hämorrhoiden ein um 40 % erhöhtes Risiko für Prostatakrebs. Dies ergab eine Studie mit über 70.000 Patienten, die über einen Zeitraum von 6,23 Jahre durchgeführt wurde (Lee et al., 2013).
Wie PCR-Untersuchungen von Prostatakarzinomen auf virale und bakterielle DNA von 83 Erregern ergaben, verteilen sich Mikroorganismen nicht homogen auf das Prostatagewebe, sondern bilden abgegrenzte Herde, welche möglicherweise die Entstehung des späteren Karzinoms, das ja ursprünglich immer aus einem lokalen Zellklon entsteht, begünstigen (Sfanos et al., 2008). Dies dürfte auch deshalb interessant sein, weil in einer Prostata häufig mehrere Krebsherde feststellbar sind.
Durch die direkte nachbarschaftliche Lage der vergrößerten Prostata zum Dickdarm können auch Kanzerogene, z. B. PAKs aus gegrilltem Fleisch (Knize und Felton, 2005), und möglicherweise andere krebsauslösende Erreger aus dem Rektum in die Prostata diffundieren und die Entstehung eines Tumors zusätzlich fördern (vgl. Kapitel 4.3.1, Seite 80). Gegrilltes Fleisch ist nicht nur außen kanzerogen, sondern innen häufig noch rot und ungar. Wie wohl der deutsche Nobelpreisträger zur Hausen (2012) richtig vermutet, können zusätzlich infektiöse Faktoren aus diesem nicht durchgekochten, roten Fleisch das Risiko für Dickdarmkrebs stark erhöhen. Konkret vermutet zur Hausen, Chef des DKFZ (Deutsches Krebsforschungszentrum) in Heidelberg, onkogene Viren, die den Dickdarm infizieren. Der Weg vom Darm zur Prostata ist nicht weit.
2.5.2 Metabolisches Syndrom und Prostatakrebs
Die Daten der Nationalen Verzehrsstudie II (MRI, 2008a) zeigen: Insgesamt 58,2 % der Deutschen wiegen zu viel; 37,4 % sind übergewichtig und 20,8 % adipös. Etwa 20 % der Bundesbürger haben die nächste, bereits pathologische Stufe erklommen: das metabolische Syndrom. Die Diagnose wird in der Regel gestellt, wenn mindestens drei der folgenden fünf Kriterien erfüllt sind:
1 Ein stammbetontes Übergewicht mit einem Bauchumfang über 102 cm bei Männern bzw. über 88 cm bei Frauen
2 Ein erhöhter Blutdruck (130/85 mmHg oder darüber)
3 Eine erhöhte Nüchternblutglukose von mindestens 5,6 mmol/l (100 mg/dl) und/oder ein Gelegenheitszucker von 11,1 mmol/l (200 mg/dl) oder darüber und/oder ein bekannter Diabetes mellitus
4 Erhöhte Blutfettwerte (Triglyzeride ≥ 1,7 mmol/l bzw. 150 mg/dl)
5 Ein erniedrigtes „gutes“ Cholesterin (HDL-Cholesterin < 1,03 mmol/l bzw. 40 mg/dl bei Männern und < 1,29 mmol/l bzw. 50 mg/dl bei Frauen)
Aber: Laut International Diabetes Federation und WHO liegt bei Männern europäischer Herkunft bereits ab einem Taillenumfang von 94 cm und bei Frauen ab 80 cm ein stammbetontes Übergewicht vor. Nach diesen wesentlich realistischeren Kriterien der International Diabetes Federation und der WHO wäre die Prävalenz des metabolischen Syndroms in Deutschland wesentlich höher. Tatsächlich muss der Bauch- und Leberfettgehalt nicht äußerlich sichtbar erhöht sein, um ernste Stoffwechselstörungen mit erhöhten Blutspiegeln von Insulin, IGF-1, Blutfetten, Cholesterin, Zucker und anabolen Aminosäuren auszulösen. Das Bauchfett ist in den Organen und zwischen den Eingeweiden eingelagert und von der Bauchmuskulatur bedeckt.
Bei Männern kann vor allem regelmäßiger und übermäßiger Alkoholkonsum die Verfettung von Bauchraum und Leber vorantreiben. Bier ist aufgrund der Kaloriendichte und der oft hohen konsumierten Menge deutlich ungünstiger als ein Glas Rotwein. Der „Bierbauch“ bedarf keiner weiteren wissenschaftlichen Erklärung.
Patienten mit metabolischem Syndrom haben ein erhöhtes Risiko für eine Prostatahyperplasie (BPH) und Prostatakrebs (PCa) (Alcaraz et al., 2009). Immer mehr Studien zeigen, dass das metabolische Syndrom an der Pathogenese und dem Fortschreiten von Prostataerkrankungen wie der BPH und dem PCa kausal beteiligt ist (z. B. Alcaraz et al., 2009; de Nunzio et al., 2012). Die typischen Kriterien des metabolischen Syndroms, nämlich chronisch erhöhte Insulinspiegel (Hyperinsulinämie), Fettstoffwechselstörungen, Bluthochdruck und erhöhtes Bauchfett, gelten alle als Risikofaktoren für BPH und PCa (Hammarsten und Högstedt, 1999, 2004 und 2005; Irani et al., 2003, Nandeesha et al., 2006; Xie et al., 2007).
Es besteht ein Zusammenhang zwischen metabolischem Syndrom und Progression, Schweregrad und Prognose eines PCa. PCa-Patienten, die erhöhte Insulinspiegel, Blutfette und Übergewicht haben, weisen deutlich häufiger höhergradigen (G3), schlecht differenzierten und damit aggressiveren Prostatakrebs auf (Hammarsten und Högstedt, 2004). Insbesondere erhöhte Insulinspiegel stehen in Zusammenhang mit PCa und könnten ein Marker für die Aggressivität und Prognose des Tumors sein (Alcaraz et al., 2009), was mit der proentzündlichen, anabolen Wirkung einer Hyperinsulinämie in Verbindung stehen könnte. Auch Diabetes mellitus Typ 2 und behandelter Bluthochdruck stehen mit tödlich verlaufendem PCa in Zusammenhang (Hammarsten und Högstedt, 2005).
Insulinresistenz, Hyperinsulinämie und eine Ernährung, die reich an tierischem Protein und einfachen Kohlenhydraten wie Zucker oder Weißmehl ist, fördern die Produktion von IGF-1 in der Leber, das als Wachstumsfaktor zur Entstehung eines PCa beiträgt. Entsprechend gehen erhöhte IGF-1-Werte im Blut mit einem erhöhten PCa-Risiko einher (Price et al., 2012). Dies wird noch ausführlich im Kapitel 3.6(Seite 43) und 6.3(Seite 170) erörtert.
Adipositas ist ein starker Risikofaktor für aggressiven Prostatakrebs (MacInnis et al., 2003; Gong et al., 2006). In der Cancer Prevention Study II mit fast 70.000 Männern ging ein hoher Body Mass Index (BMI) mit einem erhöhten Prostatakrebsrisiko im 11-jährigen Follow-Up-Zeitraum der Studie einher. Adipöse Männer mit BMI < 30 hatten ein 1,54-faches Risiko für einen aggressiven Prostatakrebs im Gegensatz zu Männern mit BMI < 25 (Rodriguez et al., 2007). Dies ist u. a. auf Änderungen der Östrogen-, Testosteron- und Insulinspiegel sowie auf die insgesamt proentzündliche Stoffwechsellage bei Übergewicht zurückzuführen.
Übergewicht fördert vor allem die Progression zu bösartigen Tumoren: Während das Risiko für niedriggradigen Prostatakrebs mit höherem BMI leicht sank, erhöhte sich das Risiko für höhergradigen, aggressiven und tödlich verlaufenden Prostatakrebs deutlich (Rodriguez et al., 2007). Männer, die innerhalb der 10 Jahre vor Beginn der Studie mehr als 5 kg Gewicht verloren hatten, konnten dagegen ihr Risiko, an einem höhergradigen, aggressiven Prostatakrebs zu erkranken, um 42 % senken.
In der Studie von Roehrborn et al. (2006) mit 4820 Männern wurde ein Zusammenhang zwischen einem hohen BMI und dem Prostatavolumen, dem Volumen der Übergangszone und der Ausprägung eines LUTS festgestellt.
Das metabolische Syndrom wird auch mit schnell wachsender BPH in Zusammenhang gebracht, welches ein weit stärkerer Risikofaktor für PCa sein kann als eine langsam wachsende BPH (Hammarsten und Högstedt, 1999 und 2002; Ozden et al., 2007).
2.5.3 Prostatavergrößerung als Vorstufe von Prostatakrebs?
Epidemiologische Zusammenhänge zwischen BPH und PCa sind schon lange bekannt, doch auch anatomische, pathologische und genetische Zusammenhänge werden immer stärker sichtbar (Alcaraz et al., 2009). BPH und PCa weisen Ähnlichkeiten auf und existieren häufig gleichzeitig. Bei der Entstehung beider Erkrankungen spielen Androgene und Östrogene eine bedeutende Rolle. Und in beiden Fällen wird die Evidenz für die Bedeutung von Entzündungsprozessen stärker, wenn auch bisher noch kein kausaler Zusammenhang eindeutig nachgewiesen werden konnte (Bostwick et al., 2004).
BPH wird zwar nicht offiziell als Vorläufer von PCa eingestuft, doch vielen Prostatakarzinomen geht eine BPH voraus (Alcaraz et