Dr. med. Ludwig Manfred Jacob

Prostatakrebs-Kompass


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unabhängig vom Alter des Patienten (Bostwick et al., 1992). Insbesondere eine schnell wachsende BPH geht mit einem erhöhtem PCa-Risiko und mit erhöhtem Risiko für aggressiven und tödlich verlaufenden PCa einher (Alcaraz et al., 2009). Das Tempo des BPH-Wachstums kann daher möglicherweise ein prognostischer Faktor für PCa sein.

      Die meisten PCas entstehen in der peripheren Zone (68 %), nur 24 % in der Übergangszone, wo sich auch die meisten BPHs entwickeln (McNeal et al., 1988; Guess, 2001). Speziell ein PCa, das in der Übergangszone entsteht, könnte demnach mit einer BPH in Zusammenhang stehen (Bostwick et al., 2004). Etwa ein Drittel der PCas in der Übergangszone entsteht nachweislich in BPH-Knoten (Bostwick et al., 1992).

      Ursächlich für die Zusammenhänge zwischen BPH und PCa sind die westliche Ernährungs- und Lebensweise, welche beide Erkrankungen durch ein wachstumsförderndes, proentzündliches Milieu fördern, sowie zusätzlich die direkten Auswirkungen der BPH auf das Milieu in der Prostata. Die BPH fördert entzündliche und oxidative Prozesse, welche die Entstehung eines PCas begünstigen (s. folgendes Kapitel). Die ausreichende Aufnahme von natürlichen Antioxidantien ist daher bei bereits bestehender BPH besonders wichtig, um einem Prostatakrebs vorzubeugen.

      Auch wenn eine BPH nicht die direkte Vorstufe von Prostatakrebs ist, ist sie doch über ihre prooxidativen und proentzündlichen Auswirkungen in der Prostata ein Risikofaktor für die schleichende, meist deutlich langsamere Entwicklung eines Tumors.

      Entzündungsfaktoren und ihre Mediatoren spielen eine wichtige Rolle bei der Entstehung von chronischen Prostataerkrankungen. Daher gehört eine chronische Prostatitis zu den wichtigen Faktoren, die zur Entwicklung von BPH und PCa beitragen, und stellt auch eine mögliche Verbindung zwischen beiden Diagnosen dar.

      Immer mehr Studien deuten darauf hin, dass zwischen Entzündungsprozessen und Prostatawachstum (gut- und bösartig) ein enger Zusammenhang besteht (z. B. Alcaraz et al., 2009; Elkahwaji, 2013). So zeigen epidemiologische Studien Überschneidungen zwischen Prostatitis und BPH. Die USA Health Professionals Study ergab, dass Männer mit BPH 7,7-mal so häufig eine Prostatitis gehabt hatten. Umgekehrt hatten Männer mit Prostatitis in der Vorgeschichte 3,4-mal so häufig eine BPH (Collins et al., 2002). Eine leichte chronische Entzündung ist die häufigste Form von Entzündung, die bei klinischen BPH-Patienten gefunden wird (Fibbi et al., 2010). Bei PCa wird häufig eine chronische Inflammation im Biopsat festgestellt. Die entzündliche Atrophie (Gewebsrückbildung) ist ein möglicher Vorläufer einer intraepithelialen Neoplasie, einer PCa-Vorstufe (Elkahwaji, 2013; vgl. Kapitel 3.3 ab Seite 26).

      Eine Entzündung kann in jedem Gewebe entstehen als Reaktion auf traumatische, infektiöse, post-ischämische, toxische oder autoimmune Verletzungen. Sie wird chronisch, wenn die ursächlichen Faktoren fortbestehen und die Mechanismen zur Auflösung der Entzündung versagen. Die chronische Entzündung fördert die Zellteilung, die Ausschüttung von Immunzellen, Cytokinen und Chemokinen, die exzessive Bildung freier Radikale sowie aktive proteolytische Enzyme, die im Zusammenspiel zu Zellschäden, DNA-Schäden und verminderten DNA-Reparaturen führen. Zudem werden Wachstumsfaktoren ausgeschüttet, die das Zellwachstum fördern und zusätzliche zelluläre und genomische Schäden verursachen. Dies führt zu ständigen Gewebsschäden, unkontrolliertem Zellwachstum und genomischer Instabilität. So kann aus der chronischen Entzündung ein Krebsgeschwulst entstehen (Nelson et al., 2004; Palapattu et al., 2005; de Marzo et al., 2003; Albini und Sporn, 2007). Die chronische Inflammation aktiviert beispielsweise den NF-kappaB-Signalweg (Elkahwaji, 2013). Die Aktivität verschiedener Cytokine steht sowohl in Zusammenhang mit der Entstehung von BPH als auch PCa (Elkahwaji, 2013). Eine chronische Entzündung sorgt auch für eine Umgebung, die die Progression eines Tumors begünstigt (de Marzo et al., 2007).

      Zellschäden und darauf folgende Entzündungen in der Prostata können durch verschiedene Faktoren hervorgerufen werden. Zu den Krankheitserregern, die eine Prostatitis auslösen können, zählen Bakterien, die sexuell (z. B. Chlamydien, Gonokokken, Trichomonaden) oder nicht-sexuell (z. B. E. coli) übertragen werden können. Viren, die in der Prostata entdeckt wurden, sind u. a. verschiedene Herpes-Viren oder das humane Papillomvirus (HPV) (Strickler und Goedert, 2001; Zambrano et al., 2002).

      Auch der Reflux von Urin begünstigt die Entstehung einer Entzündung, da er zu einer chemischen Irritation führt. Die chemischen Bestandteile des Urins, z. B. Harnsäure, können toxisch wirken und das Prostataepithel beschädigen (Kirby et al., 1982; Isaacs, 1983). Daraufhin werden entzündungsfördernde Cytokine produziert, die wiederum den Einstrom entzündlicher Zellen steigern. Ebenso wie Krankheitserreger kann der Rückfluss von Harn auch die Intensität einer chronischen Inflammation in der Prostata steigern.

      Tiefergehende Informationen zum Einfluss von Entzündungsprozessen auf die Entstehung von Prostatakrebs erhalten Sie in Kapitel 3.7 ab Seite 47.

      Die Prävalenz einer BPH steigt in Deutschland beginnend ab dem 35. Lebensjahr jede Dekade um etwa 15 %. Fast 100 % der 90-Jährigen haben im pathologischen Sinne eine BPH.

      Japan folgte als eines der ersten asiatischen Länder dem Beispiel des westlichen Lebensstils. Dadurch haben BPH und PCa stark zugenommen. Die PCa-Sterblichkeit liegt heute zwischen derjenigen Chinas und der westlichen Länder.

      China schlug diesen Weg deutlich später ein, aber mit ähnlichem Erfolg – und das nicht nur wirtschaftlich: In China lag 1991 - 1997 die Inzidenz für BPH am urologischen Institut der Universität von Peking bei 18,5 %, 1951 - 1960 waren es noch 7,6 % (Gu, 2000). Anfang des Jahrhunderts war kaum ein Mann betroffen – inzwischen nähert sich die Diagnose dem Niveau westlicher Länder (Gu et al., 1994).

      Die Diagnose Prostatakrebs betraf 1951 - 1960 in Peking 0,6 % der urologischen Patienten, 1991 - 1997 war die Zahl auf 3,4 % angestiegen. Demnach steigt die Inzidenz beider Erkrankungen in China stark an, wobei PCa derzeit noch relativ selten ist (Gu, 2000).

      Die gesunde traditionelle Ernährung der Asiaten bewahrte die Männer lange vor Prostataleiden. Doch mit Einzug der westlichen Gewohnheiten nahm zunächst die Häufigkeit von BPH stark zu. Die Prostatakrebsrate ist im Vergleich zu westlichen Ländern zwar noch niedrig, doch auch diese wird sich verzögert westlichen Werten annähern. Denn die moderne Kombination von Reis mit viel Fleisch, Fett, Milchprodukten und Zucker führt zu einer ähnlichen anabolen Mast, wie sie auch die Prostata in den westlichen Ländern hat wachsen lassen.

      Androgene spielen bei der Entstehung von BPA und PCa eine wichtige Rolle. Das Enzym 5-alpha-Reduktase bildet aus Testosteron Dihydrotestosteron, das an den Androgenrezeptor bindet und auf diese Weise zelluläre Differenzierung und Proliferation in der Prostata und somit BPH und PCa fördert (Carson und Rittmaster, 2003). Hemmer der 5-alpha-Reduktase werden zur Behandlung von BPH und zur Prävention von PCa eingesetzt. Große randomisierte, kontrollierte Studien bestätigten die Wirkung von Dutasterid (Avodart) und Finasterid (z. B. Proscar) bei der Verbesserung des LUTS und der Senkung des Risikos für das Fortschreiten von BPH (Debruyne et al., 2004; McConnell et al., 1998). Eine Behandlung mit Finasterid ging auch mit verminderten BPH-Symptomen und einem 25 % geringeren relativen Risiko für PCa innerhalb von 7 Jahren einher (Thompson et al., 2003).

      Die Behandlung mit Dutasterid senkte in der REDUCE-Studie das relative Risiko für PCa innerhalb von vier Jahren um 22,8 % im Vergleich zur Placebogruppe. Zudem wurde das Auftreten von akutem Harnverhalt reduziert (Andriole et al., 2010). Allerdings stieg das Risiko für aggressiven Prostatakrebs in beiden Studien deutlich: So erkrankten im Jahr drei und vier der Dutasterid-Studie zwölf Personen an einem PCa mit Gleason Score 8 - 10, aber nur einer in der Placebo-Gruppe. Dies wird zum Teil auf eine verbesserte Diagnostik bei einer verkleinerten