Dr. med. Ludwig Manfred Jacob

Prostatakrebs-Kompass


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derselben aus einem Blut- oder Lymphgefäß charakterisiert, gefolgt von der Invasion in ein sekundäres Gewebe, wie die Knochen.

      Das Ausmaß der Progression ist für den Fortschritt der Erkrankung und die Sterblichkeit des Tumorpatienten entscheidend (Marquardt und Pfau, 2004). Insbesondere beim Prostatakrebs unterscheiden sich die Karzinome sehr stark in ihrer Aggressivität und Prognose.

      Der Begriff Prostatakarzinom umfasst eine Vielzahl von unterschiedlichen klinischen Verläufen. Diese Vielfalt erklärt sich durch unterschiedlich differenzierte Zelltypen, aus denen sich ein Prostatakarzinom entwickeln kann und die sich bei der Entwicklung des Karzinoms von differenzierten, Androgen-sensiblen zu immer undifferenzierteren, Androgen-resistenten oder scheinbar androgenunabhängigen Zelltypen verändern können.

      Zellbiologisch lassen sich im Prostataepithel drei Zelltypen unterscheiden (Bonkhoff und Remberger, 1996; Foster et al., 2000):

      Die PSA-produzierenden, sekretorischen Zellen bilden die Hauptmasse des Prostataepithels und das Differenzierungskompartiment. Sie tragen den Androgenrezeptor (AR) und sind androgenabhängig, haben jedoch eine geringe Proliferationskapazität. Unter Androgenentzug erleiden die sekretorischen Zellen den programmierten Zelltod.

      Die Basalzellen bilden das Stammzell- und Proliferationskompartiment. Sie grenzen das sekretorische Epithel vom Stroma (Bindegewebe der Prostata) ab und erhalten eine normale Beziehung zwischen dem Prostataepithel und dem Stroma aufrecht. Die Basalzellschicht enthält die teilungsfähigen Zellen, aus denen sich das Prostataepithel regeneriert. Die Basalzellen sind zwar androgenunabhängig, einige Basalzellen exprimieren jedoch den AR. Aus diesen AR-positiven Basalzellen entstehen die sekretorischen Zellen, die immer AR-positiv sind. Die Basalzellen sind resistent gegenüber dem Androgen-regulierten, programmierten Zelltod.

      Die neuroendokrinen Zellen kommen verstreut im Prostataepithel vor. Sie sind extrem langlebig und teilen sich nicht mehr. Sie tragen keinen AR und exprimieren den endokrinen Marker Chromogranin A.

      Die Differenzierungsvorgänge zwischen den verschiedenen Zelltypen und funktionellen Kompartimenten, die letztlich die Integrität des Prostataepithels aufrechterhalten, werden durch ein hormonelles Gleichgewicht zwischen Androgenen und Östrogenen bestimmt:

      Die Differenzierung einer Basalzelle zu einer sekretorischen Zelle ist ein Androgen-regulierter Prozess und abhängig von der Anzahl der AR-positiven Basalzellen, die in diesen Differenzierungsprozess eintreten. Demgegenüber stehen die Östrogene, die diesen Differenzierungswandel blockieren und somit zur Verkümmerung des sekretorischen Epithels und zur Basalzellhyperplasie führen. Dieser Östrogeneffekt wird über den klassischen Östrogenrezeptor alpha (ER-alpha) vermittelt, der in der Basalzellschicht des Prostataepithels exprimiert wird. Im Stroma der Prostata werden Östrogen- und ER-alpha-vermittelt Wachstumsfaktoren gebildet, welche die Proliferation des Prostataepithels anregen. Östrogene stimulieren somit die Proliferation und hemmen die Zelldifferenzierung.

      Die prämalignen Vorläufer des Prostatakarzinoms werden unter dem Begriff „Prostatische intraepitheliale Neoplasie" (PIN) zusammengefasst (Foster et al., 2000). Dabei wird zwischen Iow grade (LGPIN) und high grade (HGPIN) PIN unterschieden. Eine HGPIN ist Vorläufer von Prostatakarzinomen der Kategorie Gleason ≥ 7, während die atypische adenomatöse Hyperplasie ein möglicher Vorläufer hochdifferenzierter Prostatakarzinome (Gleason 6) ist. Nach Autopsiestudien geht HGPIN dem Auftreten eines Prostatakarzinoms um etwa 10 Jahre voraus (Wu et al., 2004a).

      Bei der bösartigen Transformation des Prostataepithels (HGPIN) kommt es zu schweren Differenzierungs- und Proliferationsstörungen im Zellsystem des Prostataepithels (Foster et al., 2000). Die Proliferationsaktivität verlagert sich aus der Basalzellschicht (Proliferationskompartiment) in das sekretorische Epithel (Differenzierungskompartiment). Diese Umverteilung der Proliferationszone beruht auf einer abnormen Expression von Steroidrezeptoren (AR, ER-alpha, ER-beta) und Wachstumsfaktorrezeptoren (HER-1, HER-2, HER-3), die im normalen Prostataepithel im Proliferationskompartiment exprimiert und deren Liganden im Prostatastroma produziert werden (Bonkhoff et al., 1998).

      Hinzu kommen Störungen in der Regulierung des programmierten Zelltodes: Bcl-2 (B-cell lymphoma 2), das im normalen Prostataepithel die Basalzellschicht vor dem programmierten Zelltod schützt, wird in etwa 20 % der HGPIN im sekretorischen Epithel überexprimiert und verhindert so im transformierten sekretorischen Epithel den programmierten Zelltod. Bcl-2-positive HGPIN zeigen auch eine verminderte oder fehlende AR-Expression, wodurch ihre Androgensensitivität abgesenkt oder sogar eingebüßt wird (Bonkhoff et al., 1998 und 2003).

      Die Gesamtmenge des menschlichen Genoms beträgt 3 Milliarden Basenpaare. Die aktive, Aminosäuresequenzen-kodierende DNA ist beim Menschen 90 Millionen Basenpaare groß und macht 3 % des Genoms aus. Das entspricht 25.000 Genen, die ungefähr 500.000 Proteine kodieren. Der Fadenwurm bringt es auf 19.000 Gene, der Gemüsekohl auf 100.000 Gene. Die Menge der Gene erklärt also nicht die Komplexität von Lebewesen. Der epigenetischen Regulation, d. h. dem aktiven An- und Ausschalten von Genen als Antwort auf Umweltreize, kommt eine sehr wichtige Rolle zu.

      Auf jeder Stufe der Tumorentwicklung (s. Kapitel 3, Seite 17) werden Mutationen des Erbguts durch diverse Kanzerogene für die maligne Entartung der Zellen verantwortlich gemacht. Durch Mutationen veränderte Zellen (Initiation) reagieren auf Tumorpromotoren viel stärker und vermehren sich über Jahre oder Jahrzehnte durch klonale Amplifikation und Selektion zu präneoplastischen Zellpopulationen (Promotion). Die Tumorprogression wird durch weitere genetische Schäden, die Aktivierung von Protoonkogenen und die Inaktivierung von Tumorsuppressorgenen charakterisiert.

      Nachdem man sich jahrzehntelang die Antwort auf alle Fragen in der Entschlüsselung des menschlichen Genoms erhoffte, reift allmählich das Verständnis: Wir glauben zwar das Alphabet verstanden zu haben, aber wir haben noch lange kein Verständnis von der komplexen Kommunikation lebender Organismen. Immer mehr rücken die Zellkommunikation und die komplexen Prozesse, welche die Homöostase des Organismus und das Gleichgewicht zwischen Zellneubildung und Zelltod regulieren, in den Fokus der Forschung.

      Das bisherige Konzept der Kanzerogenese hatte seine Berechtigung, jedoch war es in wesentlichen Teilen, der Zellkommunikation, inkomplett. Ob nun Fehler in der Erbinformation (Mutation) oder Störungen der Zellkommunikation gravierender sind, soll kurz praktisch demonstriert werden.

      Der folgende Satz wird einmal ungeordnet wiedergegeben, was einer gestörten Zellkommunikation und einer Störung höherer Ordnungssysteme entsprechen soll. Beim nächsten Mal wird der identische Satz mit vielfachen Mutationen (= falsche oder fehlende Buchstaben) wiedergegeben:

      Satz 1: an Geldern geführt diesem wird Jahrzehnten gegen den Verständnis Krebs verschlungen, der für viele tödlich endet auf und Erkrankte seit bisher Billiarden ein Kampf hat Basierend.

      Satz 2: Basirend auf diese Verstandnis wird sit Jarzenten ein Kampf gegn den Krebs gefüt, der fr viele Erkrankte tödich endet und bisher Billiarden an Geldern verslungen hat.

       Welcher Text war für Sie nun verständlicher?

      Nicht immer muss sich der gesunde Menschenverstand mit der Molekularbiologie decken, wobei sich noch herausstellen wird, wer richtiger liegt. Doch auch die onkologische