David Fuller

Osteopathie und Swedenborg


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Verlauf der Verherrlichung Gottes (Swedenborgs Ausdruck für den Vorgang der Menschwerdung Gottes bzw. den Vorgang, wodurch dieser Mensch zum Auferstandenen und zum göttlichen Menschen wurde), die Geschichte der Religion und der geistigen Zustände der Menschheit, dazu das geistige Wachsen jedes Individuums – er bezeichnete dies als ‚Regeneration’ – sowie ausführliche Beschreibungen des Lebens nach dem Tod.97

      Nachdem er das Buch Exodus in Arcana Coelestia abgehandelt hatte, änderte sich die Richtung seines Schreibens. Die fast 6.000 Seiten dieses Werks enthalten zahlreiche Querverweise zur übrigen Bibel und eine breite Palette an Themen. Swedenborg bearbeitete einige dieser Themen in weniger umfangreichen Büchern, die er rasch verfasste und 1758 veröffentlichte. Obgleich sie sich zwar stark auf die Arcana Coelestia beziehen, stellt doch jedes einzelne von ihnen eine eigenständige Arbeit zu einem allgemeinen Thema dar. Das populärste davon wurde De coelo et ejus mirabilibus.28* In diesem Buch beschrieb Swedenborg die Nahtoderfahrung und das Leben nach dem Tod ausführlich. Es handelt sich um ein exemplarisches Werk dafür, wie er Theologie und Beispiele seiner Erfahrungen mit der anderen Welt kombinierte, und es zählt bis heute zu seinen bekanntesten Werken.98

      Während der 15 Jahre, die nach seiner spirituellen Erfahrung 1744 vergingen, verbrachte Swedenborg ein Leben komfortabler Anonymität. Er war sozial aktiv, empfing regelmäßig Besucher und genoss die Gesellschaft zahlreicher Gäste. Doch keiner in seinem Umkreis wusste darum, dass er spirituelle Erfahrungen hatte und der Autor eines Werkes wie der Arcana Coelestia war.99

      Swedenborg verließ im Sommer 1758 sein Zuhause und brach zu einer siebten Auslandsreise nach England auf, um die fünf genannten Bücher zu veröffentlichen. Im Juli 1759, während seiner Rückkehr, geschah dann etwas, was in ganz Schweden und großen Teilen Europas Interesse auf sich ziehen sollte.

      Swedenborg war im Westen Schwedens in Göteborg gelandet, einem Ort, der etwa 400 km von seinem Wohnort Stockholm entfernt liegt. Am Samstag, den 19. Juli, nahm er um 16 Uhr mit 15 anderen Gästen ein Abendessen im Anwesen des prominenten Bürgers William Castel ein. Um 18 Uhr verließ Swedenborg die Gesellschaft eine Zeit lang und kehrte blass und aufgeregt zurück. Als man ihn fragte, was los sei, antwortete er, dass im Süden Stockholms ein Feuer ausgebrochen sei und sich schnell auf sein Haus zu bewege. Er sagte, dass das Haus eines Freundes schon ganz abgebrannt und sein eigenes bedroht sei. Er ging mehrere Male hinaus in den Garten und kehrte jeweils mit weiteren Details über das Feuer zurück. Einige der Gäste kamen aus Stockholm und alle waren sehr besorgt. Gegen 20 Uhr atmete Swedenborg erleichtert auf und erzählte den Gästen, dass das Feuer gelöscht sei – es habe nur drei Häuser von seinem entfernt aufgehört.100

      Die Nachricht über diese Geschichte verbreitete sich rasch. Swedenborg wurde am nächsten Morgen zum Haus des Provinzgouverneurs bestellt, wo er detailliert berichtete, wann das Feuer begonnen, wie es sich verbreitet habe und wie es gelöscht worden sei. Am folgenden Tag, einem Montag, kam ein Bote vom Handelsdirektorium, der während des Feuers fortgeschickt worden war. Am Dienstag kam ein zweiter Bote mit einem zweiten Bericht, wie das Feuer gelöscht worden und wie groß der Schaden sei. Diese Berichte stimmten genau mit Swedenborgs Beschreibungen überein. Damals waren Swedenborgs theologische Werke noch anonym und sein Anspruch, mit der Welt der Geister zu interagieren, war in Schweden noch unbekannt.101

      Es gab einige weitere bemerkenswerte Ereignisse, die öffentliches Interesse an Swedenborg unabhängig von seinen veröffentlichten Büchern hervorriefen. Eine Geschichte handelt von einer Witwe, der er dabei half, einen verlorenen Beleg aufzufinden, der bewies, dass ihr verstorbener Gatte vor seinem Tod einige Rechnungen bezahlt hatte. Das bekannteste Ereignis jedoch betrifft Königin Ulrika von Schweden selbst.102

      Im Oktober 1761 besuchte Swedenborg Graf Ulric Scheffer auf Bitten der Königin. Er teilte Swedenborg mit, dass die Königin von seiner Hellsichtigkeit gehört und ihren Hof gefragt habe, ob dies zutreffe oder ob er wahnsinnig sei. Der Graf antwortete ihr, dass der Mann empfänglich und gesund sei. Daraufhin sandte sie ihn zu Swedenborg, um ihn zu bitten, bei Hofe zu erscheinen. Swedenborg stimmte zu und begleitete Scheffer an den Königshof.103

      Als sie dort ankamen, wurden Swedenborg und Graf Scheffer von der Königin und vom König empfangen. Königin Ulrika fragte Swedenborg, ob es wahr sei, dass er mit den Geistern der Verschiedenen umgehen könne. Er antwortete: „Ja, mit einigen.” Sie bat ihn, ihren Bruder August Wilhelm von Preußen zu kontaktieren, der vor drei Jahren verstorben war. Swedenborg stimmte zu und der König und die Königin nahmen ihn beiseite und sie gab ihm seinen Lohn.104

      Zu dieser Zeit war bekannt geworden, dass Swedenborg jene theologischen Werke geschrieben hatte. Dies erregte Interesse in den gelehrten Kreisen Schwedens. Nachdem er seinen Lohn empfangen hatte, speiste Swedenborg am königlichen Tisch, wo ihm viele Menschen mit Fragen zusetzten, insbesondere über seine spirituellen Erfahrungen. Er bat auch die Königin, ihr Exemplare seiner theologischen Bücher schenken zu dürfen.105

      Drei Tage später kehrte Swedenborg zum Hof zurück und ersuchte um eine Audienz bei der Königin. Er wurde zur Königin geführt und bat darum, mit ihr alleine zu sein. Sie antwortete, was er auch zu sagen habe, könne vor allen gesagt werden. Swedenborg antwortete, dass diese Botschaft ausschließlich für ihre Ohren bestimmt sei. Sie stimmte zu und sie gingen in einen anderen Bereich, obgleich sie noch von einem Eingang aus von einigen Mitgliedern des Hofes, darunter Graf Scheffer, beobachtet wurden: Sie wurde blass, als sie die Botschaft hörte, und trat zurück, als ob sie ohnmächtig würde und sagte: „Das kann nur mein Bruder gesagt haben!” Swedenborg hielt die Botschaft geheim und erzählte auch den Adeligen nichts, die bei ihm in den nächsten Wochen nachfragten und den Inhalt jener Botschaft erfahren wollten, die eine derartige Wirkung auf die Königin entfalten konnte. Dieser Sachverhalt wurde sorgfältig durch den früheren Premierminister Carl Gustof Tessin dokumentiert, der sich vier Jahre zuvor von diesem Posten zurückgezogen hatte. Dieses Ereignis und die Berichte über das Stockholmer Feuer sowie den verlorenen Beleg wurden später von Immanuel Kant untersucht und verifiziert. Kant schilderte dies auch 1763 in einem Brief an Charlotte von Knobloch.106

      In den frühen 1760ern war Swedenborg sehr mit theologischen Arbeiten beschäftigt. Obgleich er seine Bibelexegese fortsetzte, konzentrierte er sich stärker auf thematische und systematische theologische Studien, die jedoch stets seine spirituellen Erfahrungen mit einschlossen. Er schrieb auf der Bibel beruhende Arbeiten insbesondere über das Buch der Offenbarung des Johannes, ebenso aber thematische Schriften wie Die göttliche Liebe und Weisheit oder Die göttliche Vorhersehung. In beiden Werken arbeitete er die einzigartige Rolle der Menschheit in der Antwort auf Gottes Liebe weiter aus. Demnach bestehe der Zweck der Schöpfung darin, einen Himmel für den Menschen zu bieten. Hierin betrachtete Swedenborg die Menschheit als durch Seele, Mentales und Körper charakterisiert. Ebenso legte er Wert auf die Bedeutung des geistigen Wachsens, welches auf freiem Willen während der gesamten Lebenszeit beruhe. Er bezeichnete dieses geistige Wachsen auch als ‚Regeneration’. Swedenborg hatte bereits den Ort unserer Erde im Universum und das Verhältnis zwischen unserer natürlichen Existenz und der zugleich existierenden geistigen Wirklichkeit beschrieben. Interessanterweise blieb er trotz der Konzentration auf höchst unterschiedliche Themen in den Arcana Coelestia inhaltlich konsistent.107

      Während dieser Zeit verbreitete sich auch das Wissen darum, wer diese Bücher schrieb und Swedenborg wurde mit seinen theologischen Schriften weithin bekannt. Die Rezensionen schwankten zwischen begeisterter Unterstützung und Erklärungen, er müsse verrückt sein. Swedenborg ignorierte die Rezensionen und betrieb seine Mission unbeirrt weiter, den inneren Sinn des Wortes zu offenbaren und zu veröffentlichten.108

      Ebenfalls interessant ist, dass Swedenborg während dieser Jahre gesellschaftlich sehr engagiert blieb. Wie bereits erwähnt hatte er viele Besucher in seinem Haus und seinen Gärten. Er wurde oft von Freunden und Bekannten zum Essen eingeladen – sowohl in Stockholm als auch auf Reisen. Er mochte insbesondere die Interaktion mit intelligenten Männern und Frauen. Es finden sich viele Beschreibungen von ihm, die alle darin übereinstimmen, dass er sogar im fortgeschrittenen Alter rüstig, geschmeidig und energiegeladen, mit einem Blitzen in seinen blauen Augen aufgetreten sei. Gewöhnlich ordentlich bekleidet mit einem schwarzen, weiß gefütterten Samtanzug, trug er stets ein Schwert mit silbernem Griff und einen Gehstock