Struktur. Glücklicherweise war Swedenborg in seinen Betrachtungen, insbesondere seinen theologischen, außerordentlich konsistent. Mithin findet man, gleichgültig wo man beginnt, eine Gemeinsamkeit jeder seiner Überlegungen mit den übrigen vor. Swedenborg ist vorrangig für seine theologischen Anschauungen bekannt, obgleich seine wissenschaftlichen Ideen für diese Studie ebenfalls von Interesse sind.
Moderne Forscher neigen dazu, zwischen Swedenborgs früheren Werken und seinen späteren theologischen Schriften scharf zu unterscheiden. Im Stil besteht zwischen beiden Gruppen ein deutlicher Unterschied. Die wissenschaftlichen Werke Swedenborgs, insbesondere seine anatomischen Schriften, referieren gewöhnlich das bekannte Material zu einem Thema, aus dem Swedenborg dann seine ‚Induktionen’ entwickelt, die häufig ziemlich originell sind. Seine theologischen Bücher wiederum zitieren als Autoritäten bestimmte Bücher aus dem Alten und Neuen Testament, dazu seine eigenen spirituellen Einsichten und Erfahrungen. Gewöhnlich dienen spirituelle Erfahrungen und Einsichten dazu, seine Exegese der Bibel zu erklären und Konzepte daraus zu entwickeln.
Gleichwohl ließen sich viele seiner Konzepte und Paradigmen, die er in seinen wissenschaftlichen Werken entwickelt hatte, vollständig dem neuen Inhalt seiner theologischen Schriften anpassen. Die Erörterung der Konzepte in diesem Abschnitt erfolgt lediglich in Überblicken. Eine detaillierte Analyse folgt später, wenn sie mit den Anschauungen anderer Personen wie etwa A. T. Still oder W. G. Sutherland verglichen werden. Die Darlegung beginnt mit den theologischen Überlegungen und schließt mit einigen auf Anatomie beruhenden Konzepten.
THEOLOGISCHE ÜBERLEGUNGEN
Swedenborg beschreibt Gott als singuläre Wesenheit eines göttlichen Menschlichen, dem universellen Menschen, der nicht als liebender und weiser charakterisiert sei, sondern zugleich die Quelle aller Liebe und Weisheit selbst bilde, welche die Schöpfung durchdringe und erhalte. Swedenborg betrachtet den Schöpfer sowohl als intelligent als auch als liebend. Er habe das Universum geschaffen, damit es nach Gesetzen existiere, sowohl geistig wie natürlich. Gott transzendiere den gesamten Raum und die gesamte Zeit, doch funktioniere er auf der Ebene natürlicher Existenz entsprechend einer innewohnenden Ordnung, welche die Schöpfung durchdringe. Swedenborg beschreibt eher eine Drei-Einigkeit Gottes, seine Einheit in dreifacher Differenziertheit, denn eine Dreifaltigkeit. Die Einheit in dreifacher Differenziertheit zeige sich in der einen Person des Herrn. Entsprechend finde sie sich in jeder Person wieder, in dessen Seele, seinem Mentalen und seinem Körper, die zusammen ein einheitliches Ganzes bildeten. Sofern man dies angemessen betrachte, offenbare die gesamte Schöpfung die zugrunde liegende Liebe und Weisheit des Schöpfers. Swedenborg beschreibt weiter, dass aus Gott als einer Quelle göttliche Liebe und Weisheit ausfließe, um die gesamte Schöpfung zu erhalten. Diese göttliche Weisheit und Liebe erscheine in der geistigen Welt als eine geistige Sonne, aus der geistige Wärme und entsprechendes Licht strömten, welche der Wahrheit und der Liebe entsprächen. Dieses geistige Licht und die entsprechende Wärme erhielten die geistige Welt, die wiederum die natürliche Ebene der Existenz erhalte.121
Swedenborg betont, dass die gesamte Schöpfung universalen Gesetzen folgen müsse, wobei die natürliche Ebene der Existenz die höhere geistige Realität reflektiere und diese wiederum die Liebe und Weisheit des Schöpfers abbilde. Gott habe das physische Universum geschaffen, damit es als Matrix und Fundament der geistigen Ebene der Wirklichkeit diene. Daher vermöge das Studium der natürlichen Welt die höhere Wahrheit zu erschließen, sofern der eigene Verstand und die Aufmerksamkeit angemessen ausgerichtet würden. Jedoch ersetze die durch göttliche Offenbarung erschlossene Wahrheit nicht einfach jene, wie sie angemessen durch Swedenborgs biblische Exegese verstanden werde. Sowohl Gott als auch die Erfahrung stellten bedeutende Quellen des Lernens dar.122
Swedenborg stellte fest, dass Gott den Menschen nach seinem Bild vollständig mit Körper, Mentalem und Geist geschaffen habe. Der Herr habe uns mit einem Sinn zur Selbstwahrnehmung geschaffen und erhalte uns in der Freiheit, so zu leben, wie wir wollen, mit dem Ziel, dass wir seine Liebe freigiebig zurückgeben. Liebe und Weisheit seien in unserem Mentalen beheimatet bzw. im Willen (in der Intention) und im Verstehen (der Urteilskraft), woraus unser hauptsächliches Leben bestehe. Gott habe die Menschen als deutlich von ihm unterschiedene Wesen geschaffen, die aber empfänglich seien für seine Weisheit und Liebe in einer von den anderen Geschöpfen abweichenden Weise. Diese Freiheit und Selbstwahrnehmung ermöglichten es uns, eigene Entscheidungen zu treffen und geistig so zu wachsen, wie wir es wünschten. Swedenborg betrachtete die Liebe als die grundlegende Energie und Substanz aller menschlichen Lebewesen, wobei die Weisheit als Mittel dazu diene, die Liebe in ihrem Gebrauch auszudrücken. Die Menschen entwickelten sich folglich geistig durch ihre Lieben und durch deren Manifestationen im Gebrauch angewandter Weisheit. Das geistige Wachsen umfasse auch das tägliche Leben, welches das wahre Wissen in der Praxis umsetze. Das Leben werde als ein Leben im Gebrauch guter Intentionen gelebt, als Leben der Liebe. Swedenborg gibt diesem schrittweisen Wachstumsprozess einen Namen: Regeneration. Er proklamierte, dass die gesamte Religion lebendig sei und das religiöse Leben darin bestehe, Gutes in liebender Intention zu tun. Das dauere auch nach dem Tod an. Das Ziel des Herrn bei der Schaffung des Universums habe darin bestanden, einen Himmel aus der menschlichen Rasse zu errichten.123
Swedenborg schildert eine Hierarchie der Lieben, beginnend bei der Liebe zum Herrn, über die Nächstenliebe und die Liebe zur Welt bis hinunter zur Selbstliebe. Alle diese Formen seien notwendig und, sofern sie in angemessener Ordnung gehalten würden, gut. Sie führten zu einem Leben in Gesundheit und Glück, sowohl hier auf der Erde als auch im nächsten Leben in der Ewigkeit. Swedenborg erkannte, dass die echte Ehe der Liebe die größte Möglichkeit für geistiges Wachsen zwischen den Eheleuten bilde, sofern die Ehe geistig enger werde und die Partner ihre Identitäten aufrechterhielten. Sofern diese Liebe wahrhaftig sei und ihre Verpflichtung ernst, dauere die Liebe fort. Und das verheiratete Paar bleibe auch in der nächsten Welt auf seiner Reise immer zusammen.124
Swedenborg zufolge ist die menschliche Rasse zum Zweck eines ewigen himmlischen Lebens geschaffen, das universelle Erlösung für jedermann einschließt. Diejenigen, die an etwas Größeres als an ihr eigenes Selbst glaubten und eine Art Liebe gegenüber ihrem Nächsten übten, seien dem Himmel verpflichtet. Je besser sie die menschliche Natur, die Natur Gottes jedoch verstünden und entsprechend geistig wüchsen, desto stärker arbeiteten sie daran, dies tatsächlich auf ihr eigenes geistiges Wachstum anzuwenden. Je mehr sie Übel als Sünden gegen den Herrn vermieden, umso wirksamer werde der Prozess, der zur persönlichen Regeneration mit einer Verbesserung der Individuen im Besonderen und der Gesellschaft im Allgemeinen führe. Da alle ihre Freiheit erhalten hätten, bestehe die Möglichkeit, die Selbstbezogenheit über alles zu setzen und sich vom Herrn abzuwenden hin zu einem Leben in der Hölle, sowohl in diesem als auch im kommenden Leben. Swedenborg stellte fest, dass, obgleich jeder zu einem Leben im Himmel bestimmt sei, jedes Individuum dennoch die Wahl habe, sich der Hölle zuzuwenden. Es handele sich dabei um eine Wahl, die alle durch die Entwicklung ihrer Liebe im gesamten Leben träfen, keineswegs komme es auf den Glauben alleine an.125
Swedenborg spricht von einer sehr aktiven spirituellen Realität. Obgleich eine direkte (unmittelbare) Verbindung zwischen jedem Menschen und dem Herrn existiere, gebe es auch eine indirekte (vermittelte) Verbindung durch die geistige Welt. Swedenborg versteht den Tod als Übergang von der Menschheit des irdischen Lebens zu der des geistigen. Die Seele sei im irdischen Leben gegenwärtig, sie stelle die belebende Kraft des Körpers dar, welcher sie bekleide. Der Tod bestehe im Sterben des Körpers und im Fortbestehen der Seele in der geistigen Welt. Swedenborg beschreibt in diesem Zusammenhang die Nahtoderfahrung sehr detailliert. Darin stimmt er in bemerkenswerter Weise mit den relativ jungen Beschreibungen von Nahtoderfahrungen durch Menschen, die von der modernen Medizin wiederbelebt wurden, überein. Er stellt zudem fest, dass nicht jeder von uns nur eine Seele besitze, die den Körper belebe, sondern sie sich zudem in Gestalt eines geistigen Körpers zeige, welcher der natürlichen Gestalt entspreche. Dieser geistige Aspekt lebe nach dem Tod vollständig weiter mit einer menschlichen Gestalt in der Form eines geistigen Körpers.126
Swedenborg beschreibt eine geistige Wirklichkeitsebene, die von Geisterwesen bevölkert werde, den Verstorbenen. Er stellt fest, dass die geistige Realität aus den Himmeln (mit drei Ebenen), den Höllen (ebenfalls mit drei Ebenen) und einer vermittelnden Ebene dazwischen