Marge Piercy

Er, Sie und Es


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für Menschen ist metaphorische Sprache, Yod, da wir nicht konstruiert oder gebaut werden, sondern geboren.«

      »Ich versuche die Bindung zu verstehen, die durch den Geburtsvorgang entsteht. Sie ist ziemlich stark?«

      »Es gibt keine stärkere Bindung.«

      »Ich kann deinem Gesicht ablesen, dass meine Erwähnung der Mutterschaft dich bestürzt hat.«

      »Sie ist kein Thema, mit dem ich objektiv umgehen kann, noch nicht, vielleicht nie. Ich versuche die ganze Zeit über, nicht an meinen Sohn zu denken.«

      »Ich möchte mein Mitgefühl ausdrücken – ist das die richtige Begrifflichkeit? –, aber ich weiß nicht, wie ich das tun kann, ohne dich weiter an das zu erinnern, was du vergessen möchtest.«

      »Ich habe nicht die Absicht, es zu vergessen, Yod, aber ich danke dir.« Warum erzählte sie einer Maschine von ihrem Schmerz? Es war, wie sich beim Haus ausweinen, als sie ein sehr kleines Mädchen war und noch nicht verstand, dass das Haus nicht lebendig war. »Wir sollten ins Labor zurückkehren.«

      »Aber das Gedicht, das du mir beigebracht hast, ist doppelsinnig. Woher weißt du, dass er von der Frau spricht? ›Meine Liebe gleicht einer roten Rose‹ könnte seine eigenen Gefühle für sie meinen. Sie könnten das sein, was er als schön preist und als vergänglich ankündigt.« Er hob eine Augenbraue, lächelte ihr leicht zu und wartete.

      »Daran habe ich noch nie gedacht.« Sie schaute Yod erstaunt an. »Offen gestanden, ich würde das Gedicht weniger mögen, wenn ich dächte, dass Burns es so gemeint hat. Auf seine Beziehung passt diese Deutung wahrscheinlich, so wie auf die meisten, aber das ist kein Grund zum Feiern. Du hast das Thema gewechselt. Wir sollten zurückkehren.«

      »Müssen wir? Ich würde gern alles von deinem Haus sehen. Die Bäume interessieren mich auch. Ich habe sie von Avrams Fenstern aus gesehen, aber ich bin ihnen noch nie nahe gekommen.« Er benahm sich anders mit ihr, als er es im Labor mit Avram getan hatte. Er war ein bisschen weniger schreckhaft und sehr viel ausdrucksvoller. Er war ihr gegenüber viel lebhafter geworden, seit sie ins Haus gekommen waren. »Die Blätter sind an jedem anders. Ist das … Obst?«

      »Das sind unreife Pfirsiche.«

      Es entstand eine Pause, während Yod abfragte, was ein Pfirsich war. Als er die Frucht untersuchte, wollte sie ihn schon warnen, sie nicht abzureißen, aber dann bemerkte sie, wie außerordentlich präzise und sorgfältig er seine Hände gebrauchte. Sie gewöhnte sich langsam an das leicht verdutzte Stirnrunzeln der Konzentration, das ihn überkam, wenn er neue Informationen aus seinen Datenbanken abrief. »Hast du hier ein Zimmer? Gadi hat ein Zimmer in Avrams Wohnung. Avram hat auch ein Zimmer, das nur seins ist. Dazu gibt es Gemeinschaftsräume wie die Küche, wo die Nahrung zubereitet wird –«

      »Das ist üblich. Ja, obwohl ich vor Jahren von zu Hause weggegangen bin, hat Malkah das Zimmer für mich so bewahrt, wie ich es verlassen habe. Vor der Kisrami-Pest von ’22, so wurde mir erzählt, wohnten mehrere Familien in diesem Haus, aber jetzt nur noch wir beide.«

      Er kam ein letztes Mal zur Kletterrose zurück. »Geschöpf einer Stunde. Doch auch meine Vorgänger waren zumeist Geschöpfe einer Stunde. Außer Gimel. Er wird mich wahrscheinlich überdauern. Aber er ist nicht lebendig.«

      »Hältst du dich selbst für lebendig?«

      »Ich bin mir meiner Existenz bewusst. Ich denke, ich plane, ich fühle, ich reagiere. Ich nehme Nährstoffe zu mir und gewinne daraus Energie. Ich wachse geistig, wenn ich auch nicht körperlich zunehme, aber macht mich das Unvermögen zur Fettleibigkeit weniger lebendig? Ich spüre das Verlangen nach Gesellschaft. Wenn ich nicht zeugungsfähig bin, so sind das viele Menschen auch nicht. Wird nicht die Hälfte eurer Bevölkerung von Unfruchtbarkeit heimgesucht?«

      Sie beschloss, auf dieses Thema nicht weiter einzugehen. Stattdessen führte sie ihn in die Küche. »Was meinst du damit, deine Vorgänger waren Geschöpfe einer Stunde?«

      »Benutze ich die sinnbildliche Sprache nicht korrekt?«

      »Das kann ich nicht sagen, bevor du es weiter erklärst.«

      »Du kennst das Schicksal von Alef. Du warst zugegen, nicht wahr?«

      »Avram hat dir davon erzählt?«

      Yod blieb stehen und wandte sich zu ihr um. Seine Augen bohrten sich in sie. »Avram hat mir nichts erzählt. Ich verschaffte mir Zugriff zu seinen Aufzeichnungen. Außer Gimel, den man völlig zu Recht zurückgeblieben nennen kann, hat Avram jeden meiner Brüder zerstört.«

      »Alle Cyborgs, die dir vorangingen, meinst du.«

      »Sie hatten alle ein Bewusstsein, Shira, außer Gimel. Einen völlig lebendigen Geist.«

      »Das verstört dich.«

      »Wenn deine Mutter vor deiner Geburt acht Geschwister von dir umgebracht hätte, weil sie nicht ihren Vorstellungen entsprachen, wärst du da nicht beunruhigt?«

      »Du fürchtest, dass er dich auch zerstören wird?«

      »Ich wäre töricht, wenn mir dieser Gedanke nicht gekommen wäre.« Dann lächelte er, mit melancholischem Ausdruck. »Deshalb rede ich ihn mit Vater an.«

      »Bitte was?«

      »Es ist ein schwacher Versuch, eine Bindung herzustellen, die mich vielleicht bewahren wird. Woher weiß ich, dass er nicht beschließt, mich zu verschrotten? … Also zeige mir das Haus.«

      »Warum interessierst du dich dafür?«, fragte sie, führte ihn aber dennoch in das zentrale Computerarchiv, Malkahs Büro daheim und das Gehirn des Hauses. Ihr war bewusst, dass er das Thema zweimal taktvoll gewechselt hatte, und sie merkte außerdem, dass sie ein anderes Fürwort dachte: ›er‹.

      Er setzte sich an den Computer und koppelte sich rasch an die Schnittstellen. Sie nickte ihm zu, dass er ihren Stecker benutzen konnte. Schließlich würde Yod sie nicht mit Keimen infizieren. Sie bezweifelte, dass Bakterien auf ihm gediehen; er gab wohl keinen fruchtbaren Nährboden ab. »Sogar in ihren Programmen«, bemerkte er ein paar Minuten später, während er die Verbindung löste, »erhält man einen starken Eindruck von Malkahs Persönlichkeit, ist dir das aufgefallen?«

      »Ich denke, das gilt für alle kreativeren Systeme.«

      Er wartete darauf, dass sie ihn führte, also tat sie es, durchs Wohnzimmer, dann hinauf zu den oberen Zimmern. Doch als sie die Treppe hochkamen und den im ersten Stock rundum laufenden Balkon betraten, kündigte das Haus Malkah an. Yod beugte sich über das Geländer und winkte. »Malkah! Schau, ich bin zu Besuch. Shira hat mich hergebracht.« Sofort stieg er über die Brüstung und ließ sich wie eine Katze auf die Steinfliesen im Hof fallen. Shira beugte sich vor. »Yod! Alles in Ordnung?«

      »Vollkommen.« Er wirkte verwundert. Er eilte auf Malkah zu, die ihm ihre weit geöffneten Arme entgegenstreckte. Shira stöhnte und stieg langsam die Treppe hinunter. Malkah mochte ja ein Stück weit recht haben, man musste Yod als eine Art Wesenheit behandeln, eine Maschine mit Bewusstsein, aber ihn in die Arme zu schließen schien mehr als abstrus.

      Als sie zu ihnen stieß, hatte sich Malkah in ihren gewohnten Sessel gesetzt und Yod kniete vor ihr, er redete sehr viel schneller, als sie ihn je hatte sprechen hören, die Worte überkugelten sich: »… wie sehr ich dich vermisst habe. Über die Datenleitung zu kommunizieren ist nicht das Gleiche, wie dich zu sehen, das verstehe ich jetzt.«

      »Avram entschied, dass ich einen schlechten Einfluss auf Yod hatte, also schloss er mich aus.«

      »Einen schlechten Einfluss?«, fragte Shira.

      »Ich bin für einen Teil von Yods Programmierung verantwortlich. Avram hat mich als letzte verzweifelte Karte ins Spiel gebracht, um das Projekt zu retten.«

      »Malkah, ich habe hier heute etwas Schlimmes getan. Ich habe deine Kletterrose zerstört.« Er erklärte es rasch.

      »Yod, du kannst nichts für deine gewalttätigen Triebe, aber ich habe versucht, ein Gegengewicht einzubringen. Mit der Zeit wirst du vielleicht lernen, deine Kraft klüger