Marge Piercy

Er, Sie und Es


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an ihre Schläfen. »Sitzt er denn nicht richtig?«

      »Ich habe metaphorisch gesprochen. Du sollst gar nichts zurechtsetzen. Geh einfach weiter, bitte.«

      Das Cyborg reckte den Hals und spähte umher, plötzlich schoss es herum, um die Straße hinter ihnen zu mustern. Unvermittelt sprang es in Angriffsstellung.

      »Du wirst lernen müssen, Metapher und Vergleich anzuwenden, Yod, wenn du dich jemals halbwegs menschlich anhören sollst. Übrigens, das ist ein Hund. Das ist kein Kampfhund, der angreift. Das ist ein Spaniel und er tut mir nichts.«

      »Dieses Gleichsetzen von ungleichen Dingen auf eine Weise, die andeutet, dass eine gewisse Gleichartigkeit wichtig ist, verwirrt mich.« Widerwillig wandte sich Yod von dem schwanzwedelnden Hund ab. »Wie willst du wissen, ob dir solch ein Tier nichts tut?«

      »Hier drin.« Die Tür öffnete sich auf ihre Berührung. »Kampfhunde greifen an. Vielleicht knurren sie vorher oder sie greifen sofort an. Die meisten Hunde aber wedeln mit dem Schwanz und warten ab, um deine Absichten zu erkennen. Wir verständigen uns mit ihnen von Säugetier zu Säugetier, aber offen gestanden, ich weiß nicht, wie du für einen Hund riechst.«

      »Willkommen, Shira«, sagte das Haus. »Was ist das für ein Apparat bei dir?«

      »Das ist ein Cyborg namens Yod. Du sollst es wie eine Person behandeln. Beschütze es.«

      Das Haus antwortete nicht sofort. Dies war einer der Augenblicke, in denen sie das Gefühl hatte, als sei die Persönlichkeit des Hauses, unverändert seit Shiras frühesten Erinnerungen, keine künstliche, sondern eine natürliche. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass das Haus ihren Auftrag missbilligte. Schließlich sagte das Haus: »Auftrag vermerkt, Shira.«

      »Ich danke dir«, sagte Yod. »Das war sehr freundlich von dir. Darf ich jetzt reden?«

      »Haus, lass niemand herein außer Malkah. Ja, du darfst reden.«

      »Der Himmel ist nicht blau. Aufgrund der Information, die mir in meinem Lexikon gegeben wurde, hatte ich erwartet –«

      »Du siehst also Farben.«

      »Ich nahm an, du hast Avrams Konstruktionspläne durchgesehen.«

      »Yod, das Material darüber ist so umfangreich wie eine komplette Enzyklopädie. Ich habe das Wichtigste quer gelesen.«

      »Ich könnte alles in wenigen Stunden durchlesen. Ja, ich sehe Farben so wie du, obwohl ich meine Sicht ändern kann, um, wenn notwendig, auf Infrarot oder Ultraviolett umzustellen – zum Beispiel in einer Überwachungssituation.«

      »Der Himmel ist nicht blau wegen des Treibhauseffekts. Wir hoffen, dass der Himmel eines Tages wieder blau sein wird … Warst du enttäuscht?«, fragte sie als Experiment. Sie wollte sehen, ob das Cyborg das Prinzip verstand.

      »Er war nicht so, wie ich es erwartete.« Yod machte eine Pause und runzelte die Stirn. Es war mit einer komplexen Programmierung ausgestattet, um Entsprechungen menschlicher Gesichtsausdrücke nachbilden zu können, und zuweilen fand sie sein künstliches Einfühlungsvermögen irritierend. »Ich nehme an, es ist korrekt zu sagen, dass ich enttäuscht bin, wenn Enttäuschung beinhaltet, dass etwas nicht meinen Erwartungen entsprach.«

      Sie führte ihn geradenwegs in den Hof. »Schau. Also das ist eine Rose.«

      Yod ging darauf zu und streckte eine Hand aus, um eine Blüte zu untersuchen. Dann zog es mit einem Ausruf seine Hand zurück. »Sie ist bewaffnet.« Es packte die gewaltige alte Kletterrose, riss sie mitsamt Spalier und Krampen von der Wand und zerrte die Wurzeln aus der Erde.

      »Yod! Was hast du getan!« Sie schlug ihn, bevor sie nachdenken konnte, im Zorn. Ihn zu schlagen fühlte sich ganz so an, als schlüge sie einen Menschen, nur dass er nicht zusammenzuckte. »Dieser Rosenstrauch war sechzig Jahre alt. Ich habe diese Rosen geliebt!«

      Das Cyborg stand da und schaute auf die gewaltige Ranke, die es von der Hofmauer gerissen hatte. »Ich habe dich erzürnt.«

      »Yod, ich hätte dich nicht schlagen sollen.« Es wusste es ja nicht besser.

      »Ich möchte dich nicht ärgerlich und unglücklich machen. Shira, ich habe nie verstanden, warum Menschen sich entschuldigen, aber jetzt habe ich das Bedürfnis, es zu tun. Sie versuchen, dieses Gefühl loszuwerden, im Unrecht zu sein. Sie drücken den Wunsch aus, das ungeschehen zu machen, was sie getan haben, aber es ist getan und Bedauern ist sinnlos. Was kann ich tun, um das zu reparieren?« Es begann in der Erde zu scharren und pflanzte die ausgerissenen Wurzeln wieder ein. »Bitte, Shira, sag mir, was ich tun soll, um rückgängig zu machen, was ich beschädigt habe.«

      »Ich fürchte, sie wird eingehen, aber wir werden sie zurückschneiden und es versuchen.« Sie holte einen Spaten aus dem Gartenschuppen. »Warum hast du sie angegriffen?«

      »Sie hat mich zuerst angegriffen, Shira … Das war ein Dorn?«

      »Spürst du Schmerz? Ist das möglich?«

      »Ich wurde mit Lust- und Schmerzzentren gebaut. Ich mutmaße, dass Avram mich dadurch kontrollieren wollte und dass es mich motivieren soll, neben meiner Hauptprogrammierung zu Schutz, Überleben und Informationsbeschaffung.«

      »Ich habe dich hergebracht, um die Rose kennenzulernen. Was davon übrig ist.« Sie seufzte, und mit der Schere, mit der sie die alte Kletterrose zurückgeschnitten hatte, entfernte sie aus dem Haufen abgehackter Zweige einen Stängel mit gelben Blüten.

      Yod streckte behutsam eine Hand aus. Es ergriff eine Rose, pflückte sie geschickt und führte sie an sein Gesicht. »Die Farbe, der Duft und die Form entsprechen genau der Information in meinem Speicher. Aber sie hat auch eine seltsam angenehme Haptik. Ich denke, man könnte es beschreiben als … wie Samt, vielleicht? Benutze ich einen Vergleich korrekt?«

      »Ausgezeichnet, Yod.« Sie ertappte sich dabei, dass sie lächelte. Lächeln, wie fühlte sich das eigenartig an; wie wenig hatte sie in ihrer jüngsten Vergangenheit zu lächeln gehabt.

      »Ich muss jedoch anmerken, dass die Samt-Analogie äußerst unvollkommen ist. Ich kann die einzelnen Bestandteile des Samt-Flors erspüren – ich kenne das Material von den Vorhängen des Wohnzimmers in Avrams Wohnung. Im Falle des Tasterlebnisses der Rose ist die sanfte Glätte gleichmäßiger als ein Flor, und es ist mehr Feuchtigkeit vorhanden.«

      »Trotzdem, erinnerst du dich an das Robert-Burns-Gedicht?«

      Yod sagte es mit perfekter Imitation ihrer Intonation auf.

      »Also, was meint er damit?«

      »Er meinte, dass die Frau schön war wie diese Blume, und vielleicht, dass sie nach Parfüm roch.«

      »Woher weißt du, dass die Rose schön ist?«

      »Meine Basis sagt mir, sie wird von Menschen dafür gehalten: dass Blumen schön sind, obwohl es andererseits auch scheint, dass Menschen oft verschiedener Meinung darüber sind, wer oder was schön ist, und dass jede Epoche andere Ansichten hat. Schönheit ist kein Begriff, den ich nützlich finde. Ich verstehe nicht, was er bedeutet, außer Eleganz im Design.«

      »Das Gedicht hat noch einen weiteren Sinn. Weißt du, wie lange Rosen sich halten?«

      »Nein.« Yod neigte den Kopf und wartete.

      »Blumen sind zumeist Geschöpfe des Augenblicks. Diese Rose da beginnt schon zu welken. Wenn du ihren Stängel in Wasser stellst, wird sie sich ein paar Tage halten.«

      »Deswegen bedeutet ein Blumenvergleich kurze Dauer.«

      »Richtig.«

      Es runzelte die Stirn. »Dann ist es ein trauriges Gedicht.«

      »Nicht direkt. Aber da ist ein Unterton von Sterblichkeit. Bei uns gibt es oft einen Unterton von Sterblichkeit.«

      »Ich bin auch sterblich, Shira. Ich kann abgeschaltet werden, außer Dienst gestellt werden, zerstört werden.«

      »Und du kannst Schmerzen fühlen, was mich überrascht. Aber wie empfindlich bist du?«

      »Ich