Für und Wider, und seine Fehler durch Verwirklichung der Gebote ablegt, der gibt seinen Fanatismus auf, weil er zur Erkenntnis gelangt ist, dass es weit höhere Gesetze gibt, die in allem walten – auch in ihm selbst –, die er wohl erahnt, zu denen er jedoch noch keinen Zugang hat.
Auf der Suche nach weit höheren Gesetzmäßigkeiten – wobei der Wahrheitssucher sich auch immer wieder die Frage stellt: Woher komme ich, und wohin gehe ich? – stehen plötzlich zwei Begriffe vor ihm, die Aussagen sind und die ihm doch nichts sagen. Es sind die Worte »Diesseits« und »Jenseits«. Zwischen diesen beiden Begriffen spürt er ein Vakuum. Er fragt sich: Woraus besteht dieses Vakuum, das, unbegreiflich und doch schwerwiegend, dazwischensteht? Es ist der Tod, von dem man nur weiß, dass er den irdischen Leib zur Erde zurückholt, aus welcher er besteht.
So stellt er sich die Frage: Wer oder was ist der Tod, wenn es doch keine Unterbrechung des Lebens geben soll?
Der Suchende hat nun drei Perspektiven vor sich, das Diesseits, das Sterben – also den Tod – und das Jenseits.
Das Diesseits ist für ihn eine klare Sache, denn der Ort, wo er ist, das, was er sieht und hört, worum er weiß und was er erkennt, ist für ihn das Diesseits. Doch schon dämmert es in ihm, dass er auch das Diesseits nur so weit zu erfahren und zu erfassen vermag, wie sein Intellekt reicht oder so weit er Erfahrungen oder Erkenntnisse hat. Allein schon der Weltatlas macht ihm Schwierigkeiten, denn auf der Landkarte sieht er wohl einiges, vermag es jedoch nicht ganz zu erfassen, weil das Gehirn nicht einmal das gesamte Spektrum des Diesseits gespeichert hat. Er kann wohl sagen: »Dort sind die USA« oder: »Dort ist England«, doch was sich in beiden Ländern abspielt, z.B. die Lebens- und Denkweise der einzelnen Menschen, darüber weiß er kaum etwas – und doch wird dies das Diesseits genannt. Ist es wirklich das Diesseits, das er so gut zu kennen glaubte?
Immer mehr öffnet sich sein Bewusstsein, und er denkt: »Es sind doch alles nur Begriffe, Aussagen ohne Aussage«. Auch das Diesseits, das ihm bisher so nahe war, gibt ihm nun zu denken. In ihm erwachen Fragen über Fragen, die in Erkenntnissen ihre Antwort finden. Zum Beispiel die Erkenntnis, dass das Sterben – also der Tod – nur durch das Selbsterforschen erahnt und verstanden werden kann und dass das Jenseits nur durch das Leben im Diesseits zu verstehen ist.
Wir könnten uns immer wieder der Wissenschaft zuwenden und von ihr die von uns gestellten Fragen beantworten lassen. Wer jedoch tiefer blickt, der steht den wissenschaftlichen Erkenntnissen immer skeptischer gegenüber; denn ist das Wissen einzig auf die Materie bezogen, so können die unsichtbaren Kräfte, die in und hinter der Materie wirksam sind, nicht erforscht werden. Denken wir nur an Galilei. Er erkannte, dass die Gestirne sich um die Sonne drehen. Seine Erkenntnisse brachten ihm viel Leid und Anfeindungen, weil die sogenannte Wissenschaft, einschließlich der Institution Kirche, der Ansicht war, die Sonne drehe sich um die Erde.
Solange sich der Mensch – das gilt auch für die Wissenschaftler und weltlichen Obrigkeiten – nur um sich selbst, um seinen eigenen Horizont, dreht, ist er der Ansicht, alles müsse sich um die Sonne der menschlichen Erkenntnisse und Errungenschaften bewegen. Reicht der eigene Horizont nicht weiter, als die Verstandesleuchte zu scheinen vermag, nämlich nur die Oberfläche der Materie umfasst, dann entstehen jene Irrtümer, die für den Schmalspurdenker die Wahrheit sind. Für ihn ist dann auch die Erde nur eine »Scheibe«. Was hinter der Stofflichkeit, der Materie, wirksam ist, das ist dann nur noch Vermutung, die Fragen aufwirft, vor denen der Intellekt kapitulieren muss; denn der Schmalspurdenker beschäftigt sich ungern mit etwas, das nicht beweisbar ist. Wer begnügt sich schon mit Beweisen, die nur der Einzelne in sich selbst finden kann, für ihn jedoch kein Zweiter und Dritter?
Wollen wir uns die Realität des Jenseits selbst beweisen, dann müssen wir dieses auf dem Weg über Selbsterfahrung und Selbsterkenntnis erforschen. Wer tiefere Erkenntnisse erlangt, wer hinter Raum und Zeit und hinter die Materie blickt, für den ist das Jenseits Realität. Für den, der in sich selbst Erfahrung über die Stofflichkeit und die Feinstofflichkeit erlangt hat, ist zwischen Diesseits und Jenseits kein großer Unterschied. Er hat in sich erfahren: Was in und hinter der Materie ist, liegt einzig im Menschen selbst.
Wir Menschen nennen das Feinstoffliche, gleich welchen Grades, schlicht das Jenseits. Viele Menschen nehmen sich nicht die Zeit, die Grade der Vollmaterie und der Feinstofflichkeit zu erforschen. Daher ist für viele nur so lange das Leben diesseitsbezogen und die Materie die einzige Realität, bis sie durch Ereignisse oder Schicksale zur Frage nach höheren Gesetzen gebracht werden.
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