Reinhold Ruthe

Endlich sorgenfrei!


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vermitteln. Die Ursachen dieser Entscheidungsschwäche liegen vermutlich in der Kindheit. Die Kinder wurden in ihren Wertungen, in ihrem Beurteilen und in ihren Entscheidungen nicht ernst genommen. Sie gewannen kein Selbstvertrauen und keine Selbstsicherheit. Ihre Meinungen wurden belächelt, als unvernünftig angesehen oder infrage gestellt. Wie sollen Kinder und spätere Erwachsene zu starken, selbstbewussten und entscheidungsstarken Menschen heranwachsen?

       Sorge und Zweifel

      Sorgenmenschen sind häufig Zweifler. Sie glauben nicht an sich und ihre Fähigkeiten. Mit ihren Zweifeln torpedieren sie allen Wagemut und jede Risikobereitschaft. Ihre Sorgen sehen umschrieben so aus:

       Sie trauen sich nichts zu,

       sie quälen sich mit Befürchtungen und Misstrauen,

       sie bringen sich durch Zweifel in eine erhöhte innere Spannung,

       sie packen nichts an, weil sie von Befürchtungen überflutet werden,

       sie erwarten Pleiten und Niederlagen,

       sie misstrauen sich, den anderen und Gott.

      Ein Musterbeispiel im Jüngerkreis Jesu ist Thomas. Ich erlaube mir nur zwei Beispiele aus dem Neuen Testament zu berichten. Als Jesus seinen Jüngern mitteilt, dass Lazarus, ein guter Freund, gestorben sei, wollten sie sich gemeinsam auf den Weg nach Bethlehem machen. Jesus gab zu bekennen: „Lazarus ist tot, doch euretwegen bin ich froh, dass ich noch nicht bei ihm war. Auf diese Weise werdet ihr lernen, mir zu vertrauen. Und jetzt wollen wir zu ihm gehen.“ Wörtlich fährt Johannes fort: „Thomas, der auch Zwilling genannt wird, sagte zu den anderen Jüngern: ,Lasst uns mitgehen und mit ihm sterben. ‘“(Johannes 11, 14 - 16) Der ganze Pessimismus und der komprimierte Zweifel des Thomas kommen hier zur Sprache.

       Wie muss es in ihm ausgesehen haben?

       Wie wenig scheint er dem verheißenen Messias zu vertrauen?

       Wie sind seine Todesgedanken zu erklären?

      Ein zweites Beispiel charakterisiert den Thomas nach der Auferstehung. Wieder ist es Johannes, der in seinem Evangelium den Thomas beschreibt:

      „Als Jesus kam, war Thomas, genannt der Zwilling, einer der zwölf Jünger, nicht dabei gewesen. Später erzählten ihm die anderen: ‚Wir haben den Herrn gesehen!‘ Thomas sagte zu ihnen:, Ich werde es so lange nicht glauben, bis ich die Spuren von den Nägeln an seinen Händen gesehen habe. Ich will erst mit meinem Finger die Spuren von den Nägeln fühlen und meine Hand in seine Seitenwunde legen.‘“ (Johannes 20, 24 ff.)

      Eine Woche später erscheint der auferstandene Jesus wieder seinen Jüngern, und Thomas ist dabei. Die Türen sind abgeschlossen. Jesus kommt, tritt in ihre Mitte und sagt: „Ich bringe euch Frieden!“ Dann wandte er sich an Thomas: „Leg deine Finger hierher, und sieh dir meine Hände an! Streck deine Hand aus, und lege sie in meine Seitenwunde. Hör auf zu zweifeln, und glaube, dass ich es bin!“ (Johannes 20, 26 ff)

      Jesus geht auf den Zweifler ein. Er kennt seine Pappenheimer. Er weiß, dass wir alle mit Schwächen, Unsicherheiten und Eigenarten der Persönlichkeit zu tun haben. Er weiß, dass mit Sorgen Zweifel, Ängste und Pessimismus verbunden sind. Die Sorgen des Zweiflers: Er will das Hundertprozentige. Er sucht die vollkommene Gewissheit. Er will das Utopische, das Nonplusultra. Wer solchen Extremen nachläuft, wird sich mit Sorgen vollpacken.

       Sorgen und Befürchtungen

      Wer sich mit Sorgen herumschlägt, schlägt sich häufig auch mit Befürchtungen herum. Nicht der Sorgenmensch, der von echten einleuchtenden Sorgen heimgesucht wird, ist gemeint, sondern der Mensch, der Befürchtungen hegt und sich mit diffusen Ängsten das Leben schwer macht. Was kennzeichnet den Befürchtertyp?

       Er hört das Gras wachsen.

       Er sieht hinter jedem Busch einen Räuber.

       Er sieht Gefahren, über die der gesunde Mensch lächelt. Der Befürchtertyp ist ein ängstlicher Mensch. Er geht allen Risiken aus dem Weg und wagt nichts. Mit seinen Befürchtungen macht er alle Projekte zunichte.

      Als Kind hat der Mensch mit Befürchtungen übertriebene Maßregeln gehört:

       „Fahr vorsichtig!“

       „Bleibe auf dem Bürgersteig!“

       „Das ist zu gefährlich!“

       „Das wirst du bereuen.“

       „Das geht bestimmt schief.“

      Solche Kinder werden verunsichert, in ihrem Selbstvertrauen erschüttert und mutlos gemacht. Sie trauen sich nichts zu. Sie glauben nicht an sich und gehen problembeladen und sorgenvoll durch die Welt. Viele treten auf der Stelle und warten, dass jemand für sie entscheidet. Sie wollen mitgenommen und mitgerissen werden. Von ihnen selbst kommen keine Vorschläge.

      Bei einem amerikanischen Arzt fand ich das schöne Wort: „Durchs gleiche Gitter schauen zwei Männer in die Ferne – der eine sieht Morast, der andere sieht die Sterne.“

      So ist es: Zwei Menschen reagieren grundverschieden auf Tatsachen, auf das Gefängnis, auf Stress und Angst. Der eine schaut auf die Tiefe, in den Dreck, in das Elend, der andere schaut auf zu den Sternen, in den Himmel, vielleicht sogar auf Gott. Der Arzt kommentiert:

      „Den einen trieben die Gitterstäbe zur Verzweiflung, den anderen begeisterten die Sterne. Der bedrückte Gefangene entwickelte Stresssymptome und öffnete sich vielen gefährlichen, vielleicht sogar tödlichen Krankheiten. Eine Untersuchung seines Blutes hätte überdurchschnittliche Mengen schädlicher chemischer Stoffe ergeben. Diese Substanzen werden von Drüsen erzeugt, angeregt durch seelische Reaktionen, durch Bedrücktsein, durch Bitterkeit, Zorn, Hass und Furcht.“22

      Krankheiten entstehen nicht immer in erster Linie durch schädliche Substanzen, sie entstehen durch falsches Denken. Wir können feststellen:

       Wer Bitterkeit denkt, wird bitter;

       wer Angst gedanklich fördert, wird ängstlich;

       wer negative Befürchtungen hat, wird Negatives heraufbeschwören.

       Sorgen und Einsamkeit

      Bei uns gibt es Millionen von Menschen, die alleinstehend sind. Sie werden Singles genannt. Und ihre Zahl wächst. Sie sind aus verschiedenen Gründen Singles. In den meisten Fällen beruht ihre Situation nicht auf einem freiwilligen Entschluss. Viele erleben ihr Singledasein als frustrierend. In Deutschland werden über 12 Millionen Singles gezählt. Zwei Probleme werden immer wieder genannt:

       Angst vor Nähe,

       Bindungsunfähigkeit.

      Die Sorgen dieser Menschen kreisen um bestimmte Probleme:

       Sie wollen nicht vereinnahmt werden.

       Sie wollen nicht manipuliert und gesteuert werden.

       Sie wollen frei bleiben und haben Angst, in bestimmte Rollenmuster gedrängt zu werden.

      Das leuchtet ein. Aber diese Menschen zahlen dafür einen hohen Preis. Wie ein roter Faden ziehen sich durch Aussprachen im Seelsorgebereich die Probleme der Einsamkeit und des Alleinseins. Da sind die freien Abende, mit denen sie nichts anfangen können. Da sind die langen Wochenenden, die trostlos dahinschleichen können. Viele vergraben sich in Selbstmitleid und werden Gefangene ihres negativen Denkens. Dann gibt es viele verbitterte und missmutige junge Singles.

      Die Psychologin Brigitte Kuchielke und ihre Mitforscher stellten fest, wer sich einsam, traurig und überfordert fühlt oder sozial ausgeschlossen ist, der leidet. Das kann sich drastisch auf den Körper und auf die kognitiven Fähigkeiten auswirken.

      „Menschen