Petra Wagner

Der mondhelle Pfad


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Mundwerk … Exakt so hatte er sich früher immer einen Keltos vorgestellt, nur mit den Fellkleidern haperte es.

      König Donar war nämlich ausgesprochen geschmackvoll bekleidet. Sein kurzärmeliges rotes Hemd war um den Ausschnitt mit einem verschnörkelten Muster bestickt und aus feinstem Lein, genau wie die blau-rot karierten Hosen, kurze Hosen wohlgemerkt. Loranthus hatte freien Blick auf stramme Waden ohne erkennbaren Haarwuchs. Sofort huschte sein Blick noch einmal zum sichtbaren Brustbereich − auch keine Haare. Im Winter brauchte der Kerl auf alle Fälle ein wärmendes Fellkleid.

      Obwohl König Donar einen Luchs auf der Standarte hatte, wollte ihn sich Loranthus gerade im Bärenfell vorstellen, da blieb sein Blick an dessen tiefblauem Mantel haften. Der war ihm bisher noch gar nicht aufgefallen. Als sich Donar jedoch ein Stück drehte, wallte er locker an seinem Rücken herab und die Goldfäden in dem hauchdünnen Leinstoff schimmerten wie Sternbilder. Leider waren sie nicht gut sichtbar, aber Loranthus starrte wie hypnotisiert auf die Falten, die der glänzende Stoff auf dem Rücken des Pferdes schlug. Er musste sich fast zwingen, wegzusehen.

      Schwerfällig schwenkte er seinen Blick hinauf zu König Donars goldenem Torques, über eine protzige Fibel in Form eines Hammers und weiter zu zwei überdimensionalen Armreifen, die auf enormen Armmuskeln klemmten, dazu noch mindestens drei Ringe an jeder Hand. Überall schillerten bunte Edelsteine inmitten filigran verschnörkelter Goldstreben, sogar in der Gürtelschnalle und auf seinen Schuhen. Und als wäre das noch nicht genug, prangten auch noch in seinem Bart jede Menge eingeflochtener Goldperlen, die aus dem üppigen roten Buschwerk ein apartes Gewächs machten. Dieser König Donar präsentierte irgendwie eine wilde Gepflegtheit, die er in solcher Kombination bei noch keinem König gesehen hatte.

      Kopfschüttelnd überlegte Loranthus, wie lange wohl ein Goldwäscher den Flusssand sieben musste, um solche Massen an Gold zu bekommen. Und dann gaben die Leute auch noch alles ab, weil es nur Königen und Druiden vorbehalten war.

      Natürlich waren auch die anderen Könige ähnlich gekleidet und mit Schmuck behangen wie König Donar, doch der hatte etwas … Loranthus konnte es nicht genau erklären, aber es machte ihm Angst.

      Ihm war es sogar vergangen, sich den Mann im golddurchwirkten Bärenfell vorzustellen. Nicht einmal an einem Diadem zwischen zotteligen Luchsohren konnte er sich belustigen.

      Also sah er lieber nicht mehr zu Viviane und König Donar, der wie zur Bestätigung mit seinen Armmuskeln rollte und seine Fäuste gegeneinander krachen ließ. Bei Athene! Dass Viviane da noch lachen konnte?!

      Aber halt! Sie sah dabei gar nicht zu König Donar, sondern zu Silvanus. Auch er schien sich prächtig zu amüsieren, er flanierte mit einer schwarzhaarigen Kriegerin umher, die mitsamt ihrem Kopf unter seinem Arm klemmte, so klein und zart war sie. Ihre Rüstung aus übereinander geschichteten Metallplatten stand in so krassem Gegensatz zu Silvanus’ nackten Bauchmuskeln, dass Loranthus bei dem Anblick automatisch zusammensackte, als zerre ihn ein imaginäres Gewicht in die Knie.

      Ihre Hose und ihr Umhang waren dagegen aus feinstem roten Lein, beide Ober- und Unterarme verzierten breite, verschnörkelte Silberspangen mit Edelsteinen und sie hatte Muskeln … selbst am Unterarm hatte sie Muskeln. Bei Athene! Eine Amazone! Und dann auch noch mit silbernem Torques!

      Das brachte Loranthus, noch ehe er den Mund wieder zu geklappt hatte, auf den Gedanken, dass sie eine Königin sein musste, eine Königin und Kriegerin. Neben ihrer silbernen Gürtelschnalle in Form eines Einhorns hingen nicht nur Lang- und Kurzschwert, sondern auch eine riesige Streitaxt, und alles glänzte vor lauter Edelsteinen. An einem Arm trug sie ganz locker einen Schild komplett aus poliertem Eisen mit − bei Athene! − eingelassenen Edelsteinen. Quer über dem Rücken hing einen Langbogen samt Lederköcher mit gefiederten Pfeilen.

      Da waren keine Edelsteine dran, stellte Loranthus befriedigt fest, der Köcher sah sogar mächtig abgewetzt aus. Er konnte es jetzt genau sehen, weil Silvanus die Amazone in die Kurve schleppte, immer noch mit eingequetschtem Kopf.

      Ihr schien es zu gefallen, sie strahlte über’s ganze Gesicht und schüttelte ihre unzähligen, langen, schwarzen Zöpfe bis hinunter zur Hüfte … Loranthus interessierte dieses Phänomen allerdings nicht mehr, weil sein Blick wie magisch auf eine Stelle dahinter gezogen wurde.

      Dort saßen, wie bereit zum Appell, sieben Maiden auf Pferden. Ihre Töchter, die Ähnlichkeit war unverkennbar, obwohl sie nicht alle die gleiche Haarfarbe hatten.

      Von rotblond bis schwarz war alles dabei, als wären sie auf einer Farbpalette gemischt worden. Die jüngste hatte nussbraune Haare und war vielleicht so alt wie Lavinia, die älteste mochte etwa in Noeiras Alter sein. Sie war die einzig schwarzhaarige, trug ein Baby im Wickeltuch vor dem Bauch und unterschied sich etwas von den anderen, nicht durch ihr Aussehen, sondern durch den Kontrast zwischen Haar und Gesicht.

      Sie war extrem blass, aber dennoch sehr hübsch, sehr zierlich … nur machte sie einen geistesabwesenden Eindruck und strich mit einem seltsam verschleierten Blick über das Tragetuch. Weder das darin zappelnde Baby, die Anwesenheit ihrer Schwestern, noch ihre Umgebung schien sie wahr zu nehmen, bis sich Viviane und König Donar zu ihnen gesellten. Da schreckte sie auf, wie aus dem Schlaf gerissen, und ihre dunklen Augen huschten hektisch herum, doch niemand schien ihre verstörte Miene zu beachteten.

      Im Gegenteil, wieder wurde lauthals geredet und gestikuliert und als Silvanus kehrt machte, ging es noch lustiger zu. Er hatte sein eingeklemmtes Anhängsel nämlich direkt aufs Pferd gewuchtet und sich mit dem Schwung ein wenig verschätzt. Alles johlte, weil er die Amazone am Schild zurück zerren wollte, sie aber schon längst gerade saß und deshalb auf ihn drauf zu kippen drohte. Also stemmte er sich mit ausgestreckten Armen gegen den Schild und das Austarieren begann von Neuem. König Donar rannte schnell um das Pferd herum, riss die Arme auseinander und machte ein erfreut-erwartungsvolles Gesicht, bis die Kriegerin mit so viel Schwung vom Pferd hechtete, dass er rückwärts mit ihr ins Gras krachte.

      Plötzlich wusste Loranthus, zu wem die Amazone und ihre Töchter gehörten. Und er wusste auch, wo er sie schon mal in Aktion gesehen hatte, allerdings nicht so prunkvoll gekleidet und schon gar nicht lachend, deshalb hatte er sie nicht erkannt. Sofort schlug sein Instinkt Alarm und er sah schreckliche, bluttriefende Bilder vor seinem geistigen Auge, dazu ein Paar wilder schwarzer Augen, das starr wie ein Adler seine Beute anvisierte und gefletschte Zähne, aus denen das wilde Brüllen einer hungrigen Löwin herausbrach.

      Ein hohes Kichern holte ihn wieder in die Gegenwart zurück und er sah die Amazone sich voll Übermut in König Donars Armen winden. Völlig ungehemmt begannen die beiden zu küssen. Bei dem Anblick hallte in Loranthus noch das Lachen der Kriegerin nach, doch egal wie hoch und lustig sie quieksen konnte − ihn beschlich der Verdacht, dass es nicht König Donar war, vor dem er sich fürchten sollte.

      Als sie weiter ziehen wollten, hielt es Loranthus vor Neugierde nicht mehr aus. Er winkte Silvanus zu sich und wollte wissen, was es mit der Kriegerkönigin auf sich hatte. Sie hieß Ethel Guda Seba. König Donar war mächtig stolz auf sie, denn solch ein Weib gab es nicht so oft. Sie war nicht nur hübsch, sondern auch klug. Sie war nicht nur eine perfekte Kriegerin, sondern auch eine treue Gefährtin. Dazu war sie noch eine liebevolle Mutter und natürlich gediehen all ihre Töchter nach ihrem Vorbild. Sie kam von den Sueben, weit hinter dem Thuringer Gebirge, und entstammte also dem Ursprungsstamm der Hermunduren.

      Loranthus wuschelte sich mit gerunzelter Stirn die Locken durcheinander und verstand nur ‚Stamm‘.

      Silvanus sah sich nach Abhilfe um und entdeckte eine Esche mit mächtiger Krone. Die war ein prima Anschauungsobjekt. Ein dicker Ast der Esche waren die Sueben und ein Zweig davon waren die Hermunduren.

      Um Silvanus zu demonstrieren, dass er die Logik von Stamm und Abzweig verstanden hatte, deutete Loranthus auf den dicken Ast, verfolgte besagten Zweig der Hermunduren, bis er zu einer neuen Gabelung kam und sah ein Blatt ganz verliebt an. Das war Elektra.

      Silvanus verdrehte die Augen, konnte sich ein erfreutes Grinsen aber nicht verkneifen. Er war mit sich als Lehrmeister zufrieden und ertappte sich sogar dabei, auf einem anderen Zweig ein besonders schönes Blatt zu suchen, moosgrün wie Vivianes Augen wenn möglich. Er fand tatsächlich eines und hatte es plötzlich