Wolfram Letzner

Die 40 bekanntesten historischen und archäologischen Stätten in Istrien


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Mensch veränderte eher durch das Beobachten der Natur und die daraus entstehenden Erkenntnisse seine Umwelt. Begleitet wurde dieser Prozess durch erhebliche Verbesserung der Handwerkskunst. So entstanden etwa fein polierte Äxte und Hämmer aus Stein.

      Aber auch Keramik, häufig durch Ornamente geschmückt, wurde in größerem Umfang angefertigt. Vergleicht man diese Art von Keramik, die bei einer Reihe von Fundstätten (z. B. Medulin, Vižula oder Verudica) gefunden wurde, mit solcher von anderen Fundplätzen im Mittelmeerraum, so lässt sich erkennen, dass es schon im Neolithikum einen Kulturaustausch gab.

      Zwischen dem Neolithikum und der Bronzezeit hat die Forschung eine Übergangsphase erkannt, die als Äneolithikum bezeichnet wird. Für Istrien kennzeichnend ist dabei das Vorkommen von Keramik aus dem dalmatischen Raum; daneben findet sich aber auch eine neue Keramikart, die bis nach Oberitalien nachgewiesen ist.

      Zu den Lebenswelten der Menschen in Istrien während des Äneolithikums ergibt sich ein durchaus erstaunliches Bild: In einer Reihe von Höhlen – etwa Cingarela, Vešanska Peć oder Pečine – gab es Spuren, die auf eine dauerhafte Nutzung als Wohnraum hindeuten. Daneben existierten aber auch Grubenhäuser, Bauten, die teilweise in den Boden eingetieft waren.

      Ein grundlegender kultureller Wandel sollte sich zu Beginn des 2. Jts. v. Chr. vollziehen. Von Kleinasien aus wanderten indoeuropäische Völker in die Balkanregion ein. Sie brachten ein Material mit, das der Epoche ihren Namen geben sollte: die Bronze. Mit ihrer Ankunft erreichte aber auch neues, sich in vielfältiger Weise zeigendes Gedankengut Istrien und die angrenzenden Gebiete.

      Prägend für die Kultur der Bronzezeit (1800 – 1000 v. Chr.) war im gesamten istrischen Raum die Siedlungsform. Auf Hügeln, die strategisch günstig lagen, entstanden Siedlungen, die als Castelliere oder Gradine bezeichnet werden. In Istrien konnten bislang rund 400 dieser Orte nachgewiesen werden. Viele der heutigen Städte stehen auf solchen Siedlungsplätzen. Die Antwort auf die Frage, ob sich aus dieser Zahl eine hohe Siedlungs- oder Bevölkerungsdichte erschließen lässt, darf als problematisch bezeichnet werden, weil zwei Aspekte berücksichtigt werden müssen. Grundsätzlich ist einmal zu fragen, ob alle Castelliere überhaupt zeitgleich bestanden. Zum anderen muss dem Umstand Rechnung getragen werden, dass eine Reihe dieser Orte lediglich als Fluchtburgen diente, während andere dauerhaft bewohnt waren. Sicher eine der am besten untersuchten Castelliere ist die Siedlung von Monkodonja (s. S. 71), die nie überbaut wurde und so ihren prähistorischen Zustand zeigt.

      Ein wichtiges architektonisches Element der Castelliere ist die Befestigung. Diese konnte recht unterschiedlich ausfallen: In der Siedlung Gradine auf Brijuni (s. S. 96) konnten etwa mehrere Ringmauern beobachtet werden, während sich in Marzula nur eine Verteidigungslinie fand. Daneben gab es aber auch Siedlungen, die nur durch Abschnittsbefestigungen geschützt waren.

      Die Höhenlage brachte für die Siedlungen aber noch ein anderes Charakteristikum mit sich: Abhänge in ihrer natürlichen Form ließen sich nur schlecht bebauen. So musste man durch intensive Arbeiten Terrassen schaffen. Ein Nebeneffekt dieser Maßnahmen war, dass mit dem abgetragenen Steinmaterial zugleich auch das Baumaterial für die Befestigungen und für Gebäudefundamente gewonnen wurde. Aus der Verteilung der Castelliere lässt sich aber auch etwas zur Gesellschaftsstruktur der Bronzezeit ablesen. Es existierten wohl Zentralsiedlungen, die als Mittelpunkte von Stammesgesellschaften verstanden werden könnten.

      Bei den meisten dieser Siedlungen wurden auch die Nekropolen nachgewiesen, in denen man die Toten als Körperbestattungen mit verschiedenen Beigaben in Tumuli beisetzte. Dabei handelte es sich um Einzel- oder Familiengräber. Dass es durchaus aufwendige Gräber sein konnten, zeigt etwa das „Tholos-Grab“ auf dem Maklavun (s. S. 75), das zugleich auch auf wirtschaftliche und kulturelle Verbindungen zu den Metropolen der damaligen Zeit – etwa Mykene mit seinen gewaltigen Mauern und dem berühmten Löwentor – hinweist.

      Eine weitere gravierende Veränderung sollte am Ende des 2. Jts./Anfang des 1. Jts. v. Chr. erfolgen. Von Osten her drangen erneut fremde Völker in die Region ein. Die Periode wird als Eisenzeit bezeichnet, die sich in zwei Phasen unterscheiden lässt. Sie beginnt mit der älteren Eisenzeit, die von 1000 – 400 v. Chr. datiert werden kann. Entsprechend wird die jüngere Eisenzeit ab dem 4. Jh. v. Chr. bis zur römischen Besetzung Istriens angesetzt.

      Der Prozess der Landnahme in der älteren Eisenzeit ist recht schwierig zu deuten, weil offenbar eine Reihe von Höhensiedlungen, die die Kultur der Bronzezeit geprägt hatten, zerstört wurde, während andere Siedlungen fortbestanden. Erschwert wird die Beurteilung dieses Bruches durch das geringe Vorkommen von Funden aus Bronze, Eisen oder Schmuck. Dies lässt sich aber damit erklären, dass Gegenstände aus Metall, wenn sie defekt waren oder nicht mehr gebraucht wurden, eingeschmolzen und zu neuen Gegenständen verarbeitet wurden.

      Die größte Veränderung, die sich beobachten lässt, betrifft die Friedhöfe oder eher die Bestattungsbräuche. Gab es in der Bronzezeit überwiegend Körperbestattungen, so wurden nun Brandbestattungen zur Regel. Die Nekropolen waren innerhalb der Höhensiedlungen angelegt. Exemplarisch sei auf Limski gradina verwiesen: Hier wurden 74 Urnengräber freigelegt. Ein anderes Bild zeigt die Nekropole von Nesactium (s. S. 104). Neben Urnengräbern gab es auch einfache Brandschüttungsgräber, d. h. die Asche wurde ohne Urne in das Grab gegeben.

      Dass es während der Eisenzeit insgesamt intensive Verbindungen zur Mittelmeerwelt gab, belegen die zahleichen Funde von Keramik, die aus dem unteritalischen Bereich (Apulien) oder sogar aus dem griechischen Mutterland (etwa Athen) stammen. Ein Prunkstück ist z. B. eine schwarzfigurige attische Oinochoe, die um 490 v. Chr. datiert wird. Die Vase, heute im Archäologischen Museum in Pula, zeigt einen Krieger auf einer Quadriga.

      Die jüngere Eisenzeit in Istrien lässt sich mit der Latène-Zeit gleichsetzen, die ihren Namen von dem Fundort Latène am schweizerischen Neuenburger See herleitet. Kulturträger waren dabei die Kelten, die in der antiken Überlieferung als unzivilisierte, ja zivilisationsfeindliche Barbaren gesehen wurden. Wann genau die Kelten auf der Istrischen Halbinsel siedelten, kann aufgrund der Funde bisher nicht sicher bestimmt werden. In der Diskussion stehen das 4. oder 3. Jh. v. Chr.

      Die keltische Präsenz spiegelt sich aber sicher wider in typisch keltischen Fibeln, von denen nur relativ wenige gefunden wurden, und Keramik. Daneben sind es vor allem aber Ortsnamen und Namensinschriften mit keltischen Wurzeln, die sich auch noch auf römischen Denkmälern finden.

       Istrien und Rom

      Für den Verlauf der weiteren Geschichte Istriens müssen wir aber noch einmal kurz auf die ältere Eisenzeit zurückblicken. Bislang war recht anonym von der Bevölkerung gesprochen worden. Aber seit dem 6. Jh. v. Chr. kann man hier von den Istroi oder Histri sprechen. Die älteste Erwähnung stammt von Hekataios von Milet (ca. 560 – 480 v. Chr.), dessen historische und geografische Werke in zahlreichen Fragmenten erhalten sind.

      Begrenzt war das histrische Siedlungsgebiet im Norden durch die Veneti, den Iapodes im Nordosten und den Liburni im Süden und Südwesten. Nach Norden hin waren außerdem Grenzen durch die keltischen Carni gesetzt. Zentren der Histrier waren Nesactium (s. S. 104), Mutila (s. S. 110) und Faveria, ein Ort, der bis heute nicht lokalisiert werden konnte.

      Der Name Histrier, wie er heute allgemein gebräuchlich ist, muss aber als Sammelname für eine Reihe von Stämmen verstanden werden, die der ältere Plinius (23/4 – 79 n. Chr.) erwähnt. Lokalisiert werden können etwa die Fecusses im Hinterland von Pula und die Rundictes im Norden.

      Die Histrier, die vorzugsweise an der Küste lebten, sahen auch in der Piraterie einen überaus lukrativen Erwerbszweig, der vor allem die römischen Seewege bedrohte. So kam es von römischer Seite schon 221 v. Chr. zu den ersten militärischen Operationen.

      Der