und ganz langsam überzog ein leichtes Grinsen seine Züge. War er doch noch fündig geworden. „Ja, was haben wir denn da? Haben Sie mit diesen Flossen etwa gerade Ihre Großmutter beerdigt? Sie haben ja Flossen wie ein Totengräber, dem die Schaufel geklaut wurde.“
Waldau straffte sich. „Bitte Herrn Obermaat melden zu dürfen …“, setzte Waldau an, wurde aber sofort in gebührender Lautstärke von Sonnenberg unterbrochen. „Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass das unter Ihrem rechten Daumennagel keine Schuhwichse ist? Die Portion reicht ja aus, um eine ganze Korporalschaft als Neger zu tarnen. Ist ja glatte Verschwendung von Ausrüstungsgütern.“
Waldau wusste, es war gelaufen. Dennoch unternahm er einen neuen Versuch. „Bitte Herrn Obermaat melden zu dürfen, es handelt sich um schwarze Farbe.“ „Hähähähä“, meckerte Obermaat Sonnenberg wie ein prämierter Ziegenbock, „nun sagen Sie bloß noch, Sie Anstreicher, man hat Ihnen befohlen, die Fingernägel schwarz zu malen.“ Waldau versuchte vergeblich, dem gefürchteten Ausbilder darzulegen, dass es zu dieser erheblichen Verunreinigung unter seinem rechtem Daumennagel von immerhin fast der Größe eines Stecknadelkopfes beim Pönen der Ankerkette gekommen war, wusste aber selbst genau, dass er sagen konnte, was er wolle. Sonnenberg hatte halt sein Opfer gefunden. So kam es, wie es kommen musste. „Wenn Sie Saulappen schon die kostbare Farbe auf Ihren Dreckspfoten, statt auf der Kette, verteilen und dann noch zu faul sind, sich die Flossen richtig zu waschen, dann müssen Sie eben warten, bis der Nagel ausgewachsen ist. So kommen Sie jedenfalls nicht von Bord. Und in der Zwischenzeit werden Sie sich mal sinnvoll betätigen und mal lernen, was Reinigen heißt, Sie Drecksau“, schnarrte der Obermaat. „Sie melden sich in genau sechs Minuten beim Maat Kleensang zwecks Reinigung der Mannschaftslatrine – aber mit der Zahnbürste – Sie Schnarchlappen.“
Was blieb Didi also anderes übrig, als ein ergebenes „Jawohl, Herr Obermaat“, zu schmettern und dem Befehl nachzukommen?
Kleensang stand seinem Vorbild und Vorgesetzten Sonnenberg schließlich in nichts nach und sorgte dafür, dass Waldau inbrünstig mit seiner Zahnbürste fast sechs Stunden lang in der Mannschaftslatrine sich als Saubermann betätigen durfte.
Es soll nicht verschwiegen werden, dass Waldaus Rache fürchterlich war. Bekanntlich gleichen sich bei der Marine die Zahnbürsten wie ein Ei dem anderen. So besteht auch kein Unterschied zwischen der Zahnbürste eines allgewaltigen Ausbilders und der eines Seekadetten. Nach getaner Arbeit und durchaus nicht allzu intensiver Reinigung des Arbeitsgerätes vertauschte er, mit satanischer Schadensfreude, seinen Gebissreiniger mit dem des verehrten Obermaats. Es ist nie bekannt geworden, ob dieser sich von da an mit noch mehr Inbrunst der Pflege seines Gebisses gewidmet hat, weil vielleicht die Zahnpasta plötzlich einen angenehmen Beigeschmack hatte?
Didi Waldau schulterte also – nach vollendetem Frühstück – die Doppelflinte, nachdem er sich noch einige 16er Schrotpatronen in die rechte Seitentasche seiner Lodenjacke gesteckt hatte, pfiff seinem Jagdhund Jockl, einem Deutschdrahthaarrüden, und wollte die elterlichen 3 Fischteiche visitieren, um evtl. die eine oder andere Ente zur Bereicherung des Abendessens zu erbeuten. Voller Jagdpassion sprang Jockl freudig an ihm hoch. Herr und Hund wollten gerade den elterlichen Hof verlassen, da sah Waldau den Landbriefträger, Herrn Ploog, auf seinem Dienstfahrrad herannahen und in die Hofeinfahrt einbiegen. Er verhielt erwartungsvoll, sehr zum Unmut seines auf ganz andere Aktivitäten hoffenden Hundes.
„Na, Herr Ploog, nun sagen Sie bloß nicht, Sie haben etwas für mich“, grinste Waldau den ihm seit Jahren bekannten Landbriefträger an. „Jawohl Herr Korvettenkaptän“, entgegnete Landbriefträger Ploog und nahm unwillkürlich Haltung an, „sogar ein Telegram.“ Er übereichte Waldau dieses mit wichtiger Geste. „Sogar vom OKM.“
Waldau bedankte sich, bot dem örtlichen Postgewaltigen noch eine Zigarette an und pfiff seinem vierbeinigen Jagdgefährten, der sich bereits Richtung Wald etwas über Gebühr weit entfernt hatte. Der Hund kam – zwar etwas widerwillig – aber immerhin, er kam und Waldau öffnete das Telegramm. Der Text lautete: „Sofort in Marsch setzen. Stopp. OKM, Kaptän z.S. von Preuss melden. Stopp. OKM Abt. A III..” Waldau faltete nachdenklich das Telegramm und schob es in die Brusttasche seines Jagdhemdes, streichelte seinen Hund und meinte,
„Jockl, tut mir leid, Alter, wird nichts mit der Entenjagd. Nimm’s nicht so schwer, Kamerad.“
Herr und Hund gingen in Haus zurück, wo sie bereits von den Eltern, die das Zwischenspiel auf dem Hofplatz durch das Fenster verfolgt hatten, erwartet wurden. „Was ist, Junge“, fragte der Vater. „Schlechte Nachricht“? „Wie man’s nimmt“, meinte Waldau jr. und reichte seinem Vater das Telegramm. „Zumindest wird es Jockl bedauern, da aus der Jagd wohl nichts mehr wird. Ich muss wohl sofort nach Berlin. Ich ziehe mich um. Seid bitte so nett, und stellt mir die schnellste Verbindung nach Kiel fest.“
Am späten Vormittag des darauffolgenden Tages lief der D 312 in Berlin ein. Korvetten-Kapitän Waldau prüfte noch kurz im spiegelnden Glas den korrekten Sitz der Uniformmütze und bestieg eines der vor dem Bahnhof wartenden Taxis. Da die Züge noch fast friedensmäßig verkehrten, nur unter den Fahrgästen waren mehr Uniformierte festzustellen, hatte Waldau die Reise schnell und eigentlich recht erholsam hinter sich gebracht, nachdem er zuvor in Kiel noch sein Köfferchen gepackt und erforderliche Formalitäten erledigt hatte. Natürlich hatte ihn während der ganzen Zeit vornehmlich die Frage beschäftigt, was ihn beim Oberkommando der Marine erwarten würde? Da er sich nicht bewusst war, irgendwelche „Bolzen“ gedreht zu haben und diese auch allgemein auf weit unterer Ebene abgehandelt wurden, konnte es sich also nur um eine Sache von wirklich herausragender Bedeutung handeln. Vielleicht auch ein neues Kommando, aber welches? Schließlich befasste sich hiermit auch üblicherweise nicht die oberste Marineführung. Nun, wie dem auch sei, er würde es ja bald wissen.
Kurz vor 12.00 Uhr hielt der schwarze Opel und Waldau entlohnte den Fahrer, griff sich seinen Koffer und strebte gemessenen Schrittes auf den Eingang zu. An den salutierenden Posten vorbei betrat der Korvettenkapitän das Gebäude und gelangte schließlich – mit Hilfe eines beflissenen Oberleutnants zur See, der ihm auch sein Köfferchen abnahm, bis zum Vorzimmer der Abteilung A III. Dort wurde er zunächst in eine Art Vorzimmer, in dem ein jüngerer Kapitänleutnant sowie zwei Schreibkräfte geschäftigt wirkten, geführt. Nach einigen Minuten, die sich für Waldau wie Ewigkeiten dehnten, öffnete sich die große Doppeltür und mehrere Offiziere verließen den dahinterliegenden Raum. Der Kapitänleutnant erhob sich und verkündete Waldau, ihn jetzt beim Herrn Kapitän anzumelden. Wenige Augenblicke später erschien der Vorzimmerkrieger und bedeutete dem Korvettenkapitän ihm zu folgen. „Korvettenkapitän Waldau, Herr Kaptän“, meldete der Kaleu und Waldau beeilte sich zu melden, „Korvettenkapitän Waldau wie befohlen zur Stelle, Herr Kaptän.“
Kapitän zur See von Preuss hatte sich bereits erhoben, dankte für die Meldung und wies zu einer kleinen ledernen Sitzgruppe linker Hand seines Schreibtisches. Die Offiziere setzten sich, wobei Waldau genau auf eine Karte des Nordatlantiks blickte, die einen Großteil der ihm gegenüberliegenden Wand einnahm. Erwartungsvoll blickte er den vorgesetzten Offizier an, der ihn seinerseits noch einmal kritisch musterte.
„Ganz ehrlich, Herr Waldau, eigentlich hatte ich Sie frühestens morgen erwartet“, meinte der Kapitän jovial und bedeutete dem Jüngeren, sich der auf dem Tisch befindlichen Rauchwaren zu bedienen. Waldau griff zur Zigarette, ließ das massive Tischfeuerzeug aufschnappen und entzündete sein Stäbchen.
„Ja, nun sagen Sie einmal, Herr Waldau, konnten Sie denn die Dienstgeschäfte so zügig abwickeln?“ Waldau beeilte sich, die Frage des Kapitäns zu beantworten, „Jawohl; Herr Kaptän, ich bin sofort nach Erhalt des Telegramms auf die „Griepen“ zurückgekehrt, die – wie Herrn Kaptän sicherlich bekannt – ja leider für eine Reparaturdauer von noch mindestens einer Woche ausfallen wird und habe daran anschließend sofort die erforderlichen Gespräche mit dem Inspektor der Werft geführt und alle weiteren Arbeiten meinem IO sowie dem LI übertragen.“ Auf den etwas skeptischen Blick seines gegenüber beeilte sich Waldau hinzuzufügen. „ich bin sicher Herr Kaptän, da ich mich voll und ganz darauf verlassen kann, dass diese beiden alles Erdenkliche tun werden, das Schiff schnellstens wieder einsatzfähig melden zu können. Auch der Wertinspektor hat dieses ausdrücklich zugesichert.“
„Sehr