im Griff haben – was wohl bei dem Boot und seiner anfälligen Turbinenanlage – gar nicht immer einfach für Sie und Ihren LI gewesen sein wird.“
„Aber das wird ja jetzt für Sie bald Vergangenheit sein, denn wir …“, hier brach von Preuss ab, um fortzufahren, „aber sagen Sie, lieber Waldau, Sie müssen ja Stunden unterwegs sein; haben Sie überhaupt Gelegenheit gehabt, noch zu essen?“ „Nein, Herr Kaptän, aber darauf wird es sicherl…“ Hier wurde er von seinem Gegenüber unterbrochen: „Nee, nee, lassen Sie mal, mit knurrendem Magen redet es sich schlecht.“ Der Kapitän erhob sich, wandte sich Richtung des auf dem Schreibtisch befindlichen Telefons, überlegte es sich dann aber offensichtlich anders und verließ kurz den Raum. Durch die schalldichte Tür konnte Waldau nicht vernehmen, was im Vorzimmer gesprochen wurde, aber wenige Augenblicke später kehrte Kapitän zur See von Preuss zurück und nahm wieder Platz.
„Ich habe uns erst einmal einen kleine Imbiss geordert. Aber wollen wir zur Sache kommen.“ Gespannt sah Waldau auf.
„Tja, mein lieber Korvettenkapitän, Sie sollen an beste deutsche Marinetradition aus dem Weltkrieg anknüpfen“, verkündete ihm der Kapitän, machte eine kleine Kunstpause, die Waldaus Spannung fast ins Unerträgliche steigerte, „Sie sollen einen Hilfskreuzer übernehmen.“
Ob dieser – in kühnsten Träumen nicht erwarteten – Eröffnung konnte es der junge Seeoffizier nicht verhindern, dass sein, ihn ob seiner Reaktion genau musternder Gegenüber sich veranlasst sah, leise zu schmunzeln.
„Doch, doch, mein lieber Herr Waldau, der Planungsstab – und auch der Admiral – ist sich sicher, Sie sind der richtige Mann, für diese schwere Aufgabe; aber irgendwie wohl doch das schönste Kommando, das ein aktiver Seeoffizier und bewährter Kommandant – zumindest meiner Meinung nach – sich in der jetzigen Situation nur wünschen kann“, beendete der Stabsoffizier seine Eröffnung und blickte Waldau erwartungsvoll an.
Dieser fasste sich mühsam. Zu überwältigend war für ihn das in Aussicht gestellte Kommando. Hatte er doch in der Vergangenheit träumerisch immer wieder sich bis ins Einzelne ausgemalt, welche Möglichkeiten ein derartiges Kommando – weitgehend auf sich selbst gestellt und nur seinen eigenen Entscheidungen unterworfen – sich einem guten Taktiker hier eröffneten. Unwillkürlich musste er an den Grafen Luckner denken, der im Weltkrieg als Kommandant eines zum Hilfskreuzer umfunktionierten Großseglers, Seekriegsgeschichte geschrieben hatte.
Aus diesem Gedanken riss ihn ein Klopfen an der Tür in die Wirklichkeit zurück. Der Imbiss wurde von einer der ihm im Vorzimmer bereits aufgefallenen Schreibkräfte serviert. Während die Offiziere aßen und sich die belegten Brote und den starken, schwarzen Kaffe schmecken ließen, kam der Kapitän auf weitere Einzelheiten zu sprechen. Waldau erfuhr, dass das Motorfrachtschiff „Katarina Horn“ der Hamburger Reederei Gebrüder Horn bereits am 02. September 1939, gerade zurückgekehrt von seiner weiten Reise an die Westküste der Vereinigten Staaten von Amerika, von der Kriegsmarine übernommen worden war, um als Hilfskreuzer ausgerüstet zu werden. Es handelte sich hierbei um ein erst im Frühjahr 1939 in Dienst gestelltes Motorfrachtschiff von 8806 brt (Bruttoregistertonnen) mit folgenden technischen Daten: Länge 164,2 Meter, Breite 20,2 Meter, Tiefgang 8,5 Meter, Maschinenleistung 17000 PS, Geschwindigkeit 19 kn (Knoten).Für das Schiff war eine Bewaffnung von 6 x 15-Zentimeter-Geschützen, 4 x 3,7-Zentimeter-Flak in zwei Doppellafetten, 8 x 2-Zentimeter-Flak in Doppellafetten sowie 6 x 53,3-Zentimeter Torpedorohre in Dreiersätzen und 2 x 53,3-Zentimeter-Unterwassertorpedorohre vorgesehen. Zusätzlich sollte das Schiff ca. 100 Minen übernehmen und mit 2 Bordflugzeugen Arado 196 A-I sowie einem leichten Minenschnellboot ausgerüstet werden. Der neue Hilfskreuzer versprach also von der Bewaffnung her eine durchaus kampfkräftige Einheit zu werden, natürlich mit dem unabdingbaren Handicap aller Hilfskreuzer behaftet, eben über keinerlei Panzerung zu verfügen, sondern für gegnerische Granaten genauso anfällig zu bleiben, wie jedes normale Handelsschiff.
Die Besatzung sollte nach der Planung der SKL 402 Mann betragen. Zusätzlich sollten 8 Prisen-Offiziere, hierbei handelte es sich im Regelfalle um Handelsschiffskapitäne und –Offiziere, die mit dem Patent eines Kapitäns auf großer Fahrt ausgestattet waren, die als Leutnant (S), von der Kriegsmarine übernommen worden waren. Aufgabe dieser Prisenoffiziere sollte es sein, relativ unbeschädigt aufgebrachte Handelsschiffe des Gegners zu führen, die vom Zustand des Schiffes her, seinem Treibstoffvorrat und insbesondere auch des Wertes der Ladung, geeignet erschienen, mit deutscher Besatzung versehen, den Durchbruch in einen deutschen Hafen wagen zu können.
Zwischenzeitlich hatten die Seeoffiziere ihren Imbiss beendet und – nach einem Blick auf seine Armbanduhr – meinte Kapitän zur See von Preuss, „so mein Lieber, jetzt wissen Sie, was Sie erwartet.“ Der kleine untersetzte Kapitän zur See warf einen erneuten Blick auf seine Armbanduhr und verkündete Waldau, es sei jetzt an der Zeit, ihn dem Admiral vorzustellen, wo sie beide um 14.00 Uhr sich einzufinden hätten. Die Offiziere erhoben sich, wobei deutlich wurde, dass der kräftige, großgewachsene Waldau mit seinem Gardemaß von 1,84 Metern seinen Vorgesetzten um mehr als Kopflänge überragte.
Nachdem Kapitän zur See von Preuss und Korvettenkapitän Waldau sich beim Admiral, der etwa gleichgroß wie sein Stabschef war, aber noch wesentlich graziler, fast feminin wirkte, gemeldet hatten, lud auch dieser seine Untergebenen ein, Platz zu nehmen und deutete auf die bereits gefüllten Weinbrandgläser sowie die griffbereit liegenden Tabakwaren. Ohne einleitende Floskeln kam Admiral Scheidel zur Sache. „Nachdem Herr Kapitän von Preuss Sie, Herr Korvettenkapitän Waldau, in groben Zügen informiert hat, möchte ich Ihnen noch einige weitere Einzelheiten bekannt geben.“
Waldau erfuhr, dass – der Admiral erwähnte, er habe erst in den frühen Morgenstunden dieses Tages die entsprechende Zusicherung erhalten – das der Hilfskreuzer mit einem Funkmessortungsgerät – einem sogenannten Dete-Gerät – ausgerüstet werden würde, das der Schiffsführung auch bei Nacht und Nebel die Möglichkeit gab, andere Schiffe außer Sichtweite zu orten. Bei dem Dete-Gerät handelte es sich um den Vorläufer der Radargeräte. Dete-Gerät bedeutete Deutsches Technisches Gerät und bestand äußerlich sichtbar aus der am Mast befindlichen Dete-Haube, einer matratzenähnlichen Antennenanlage. Es handelte sich hierbei um ein Gerät, das damals noch strengsten Geheimhaltungsvorschriften unterlag. Das Mess-System beruhte auf dem Grundgedanken, ausgestrahlte Funkwellen, ähnlich wie beim Echolot, wieder aufzufangen, wenn sie auf ein Ziel stoßen und von diesem zurückgeworfen werden. Nach anfänglichen Versuchen auf 50 Zentimeter-Wellen, die jedoch schlechte Ergebnisse brachten, erzielte dieses Gerät im Dezimalbereich beachtliche Erfolge. Die zunächst ausschließlich auf den schweren Einheiten der Kriegsmarine installierten Funkmessgeräte arbeiteten zwischen 80 und 150 Zentimeter. Das Gerät lieferte hervorragende Entfernungsmessungen, nur die Genauigkeit nach beiden Seiten reichte bisher noch nicht aus, um dieses Gerät beispielsweise auch als Zielgerät für die Artillerie effektiv zu nutzen.
„Herr Korvettenkaptän Waldau“, eröffnete der Admiral dem zukünftigen Hilfskreuzer-Kommandanten, „Sie sind nun ziemlich genau darüber informiert, welches Schiff Sie künftig – hoffentlich mit dem gewünschten Erfolg – führen sollen. Es war Ihnen bereits anzumerken, dass Ihnen – einfach ausgedrückt – einiges nicht schmeckt.“
„Jawohl, Herr Admiral, mich stören die Minen“, antwortete Waldau und nahm, soweit möglich, auch im Sitzen korrekte Haltung an. „Tja, Korvettenkapitän Waldau, hierüber ist nicht zu verhandeln. Die SKL verspricht sich gerade von dem Mineneinsatz des ersten Hilfskreuzers sehr viel. Näheres, werden Sie den Ihnen bei Ausfahrt zu übergebenden schriftlichen Befehlen entnehmen können. Hierüber zu reden ist noch zu früh“, beschloss Admiral Scheidel diesen Punkt. „Aber“, fuhr der Admiral fort, „um Ihnen entgegen zu kommen, und wohl auch, da bekanntermaßen Kommandant, Offiziere und Besatzung eine wirkliche Einheit bilden müssen, gibt Ihnen die SKL Gelegenheit, Ihre Besatzung weitgehend selbst zusammenzustellen. Dieserhalb werden Sie nähere Anweisungen vom Admiral der Marinedienststelle Hamburg empfangen. Weitere Fragen?“ Waldau entgegnete, „Jawohl, Herr Admiral, besteht die Möglichkeit, die Bordflugzeuge per Katapult zu starten“?
„Herr Korvettenkapitän Waldau, antwortete der Admiral Scheidel, „Sie werden zunächst ohnehin das Schiff genauer anschauen und dann Gelegenheit haben, ausrüstungsmäßige Vorschläge