ich schenke uns ein.«
Aber Blagoje blieb hartnäckig. Er wolle gerne das Dorf kennen lernen. Anto gab nach.
»Na gut, wenn du unbedingt willst, dann lass uns eine Runde fahren.«
Lena war überrascht und etwas gekränkt, dass Blagoje nicht mit ihr durch den Ort spazieren wollte. Beim Spaziergang hätten sie Gelegenheit gehabt, sich ein wenig besser kennen zu lernen. Als Blagoje und Anto davon fuhren, räumte Lena die Küche auf, spülte und legte sich dann anschließend einen Augenblick hin, um sich auszuruhen – und schlief ein. Als sie wieder aufwachte, lauschte sie, ob die Männer zurückgekehrt waren. Aber man hörte im Haus kein einziges Geräusch. Sie sprang auf. Es war viel Zeit vergangen und sie machte sich Sorgen. Sie hatte Angst, dass ihnen etwas zugestoßen sein könnte. Vielleicht hatten sie einen Autounfall? Ihre Sorge wuchs. Es dämmerte, dann kam die Nacht. Lena wartete am Fenster, von dem aus sie die Straße den Berg hinunter überblicken konnte, aber es war umsonst.
Irgendwann hörte sie Schritte. Dann tauchte Anto in der Tür auf.
»Wo um Himmels Willen, wo wart ihr?«, rief Lena lauter als sie wollte und sah erst dann, dass Anto voller Blut war.
»Oh mein Gott, was ist passiert?«, fragte sie fassungslos. Sie hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Sie lief Anto entgegen und stützte ihn.
»Wo ist Blagoje? Was ist mit ihm passiert?!«, wollte Lena, krank vor Sorge, von Anto wissen.
»Nun sprich schon! Was ist passiert?« forderte sie Anto auf. Ihre Stimme überschlug sich vor Aufregung.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Anto.
»Wie, du weißt es nicht? Ihr seid doch zusammen weggefahren. Wie kannst du nicht wissen, wo er ist?«
Anto trat ins Haus, ließ sich auf die Ottomane fallen.
»Sieh dir an, was dein Blagoje mit mir gemacht hat! Ich kann von Glück sagen, das ich noch am Leben bin«, antwortete Anto schwach.
»Wo ist Blagoje jetzt und wo seid ihr gewesen?«
»Als wir in den Fiat stiegen, bat mich Blagoje, mit ihm nach Prilepic zu fahren. Kaum waren wir dort angekommen, wartete auch schon seine Bande auf uns. Sie schlugen und traten mich und als ich auf der Erde lag, übergossen sie mich mit Benzin und wollten mich anzünden. Sie zertrümmerten mein neues Auto.«
»Ich habe großes Glück gehabt, dass ich noch am Leben bin«, ächzte er. »Wer ersetzt mir den Schaden am Auto? Ich muss die Polizei rufen«, fügte er traurig hinzu.
»Tu das bitte nicht, Anto! Mir zur Liebe. Rufe bitte nicht die Polizei. Ich werde dir den Schaden erstatten«, flehte Lena Anto an und dachte gleichzeitig, dass sie hoffentlich nie wieder diesem Blagoje begegnen würde. Sie hatte Angst vor der Begegnung mit ihm, weil sie nicht wusste, wie er reagieren würde. Er hätte sie umbringen können. Sie hoffte, ihm nie, nie wieder über den Weg zu laufen. Wie konnte ein Mensch nur so verrückt sein? Sie lebte alleine in diesem Haus. Ihr Verschwinden würde keinem auffallen. Sie war neu im Dorf und kannte außer Anto kaum jemanden.
Anto ging nach Hause um sich zu duschen und seine Wunden zu versorgen. Er fand Verbandszeug, legte es an und fiel alsbald in einen tiefen Schlaf. Lena blieb alleine zurück. Die Tränen liefen ihr über die Wangen – wie kleine Regentropfen fielen sie zu Boden.
Sie stand auf, um Essen zu kochen. Kaum hatte sie damit begonnen, klopfte es an ihrer Tür. Blagojes laute, schneidende Stimme verlangte Einlass. Seine Stimme durchbohrte sie, wie es eine Messerspitze nicht schlimmer tun konnte: »Mach sofort die Tür auf, du blöde Schlampe!«, hörte sie ihn brüllen.
Lena zitterte vor Angst, während Blagoje weiter mit der Faust gegen die Tür hämmerte. Lena dachte, wenn sie ihm jetzt nicht öffnete, würde er die Tür sicher bald eintreten und sie umbringen. Würde sie öffnen, würde er sie bestimmt auch töten. Sie wusste nicht, was sie tun sollte; ihre Gedanken rasten.
Sie ging langsam zur Tür und öffnete. Kreidebleich vor Angst erblickte sie die blutigen Hände Blagojes. Sein Blick war wild und krank und durchbohrte Lena voller Hass. »Gib mir sofort dein ganzes Geld, sonst …«, drohte er mit der blutigen Faust.
»Welches Geld, Blagoje? Ich habe kein Geld. Nicht mal, um mir Brot zu kaufen«, antwortete Lena leise und erschrocken. »Gib mir das Geld! Ich habe nichts womit ich nach Rijeka zurückkehren kann. Ich bringe dich um, ich schwöre es«, sprach er zornig und kam drohend auf sie zu.
»Höre Blagoje, tu das nicht. Ich bin arm, sehr arm. Du kannst das ganze Haus durchsuchen. Du wirst nichts finden. Wenn du was findest – behalte es, aber da ist nichts. Glaube mir.«
Sie sah ihm in die Augen und senkte dann den Blick zu Boden. Sie konnte seinen Anblick nicht ertragen. Er musste geisteskrank sein und sie hatte es nicht gemerkt. Blagoje durchsuchte das Haus, lief hin und her, durchwühlte ihre Sachen, schrie dabei und drohte ihr immer wieder, sie umzubringen. Dann verließ er das Haus, nicht ohne ihr noch einmal zu drohen: »Wenn du die Polizei rufst, komme ich wieder und mache das, was ich dir schon gesagt habe. Also hüte dich«, zischte er durch die Zähne.
Als die Tür endlich hinter ihm ins Schloss fiel, ließ sich Lena auf die Couch fallen und brach in Tränen aus. Sie konnte die letzten Stunden nicht fassen, es schien ihr, als habe sie in einem Krimi mitgespielt. So was konnte es doch nicht geben. Sie war froh, dass ihr Nachbar und sie noch lebten und es dauerte lange, bis sie Anto wieder in die Augen blicken konnte – wegen dieser Geschichte, die sie nicht hatte absehen können. Sie konnte nicht erwarten, dass Anto ihr diesen Vorfall jemals verzieh.
Diese Schmerzen und diese Schmach, die er ihretwegen hatte aushalten müssen. Und sie schämte sich sehr, dass ihr Zuzug in dieses Dorf mit so einer Geschichte begonnen hatte.
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