Robert Kurz

Weltordnungskrieg


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aber die Auslandsinvestitionen (vor allem in Sachkapital) blieben fast ganz auf die eigenen nationalen Kolonien oder Einflusszonen beschränkt, also auf den jeweiligen nationalimperialen „Großraum“. Im polyzentrischen Kampf der europäischen Großmächte um die kapitalistische Hegemonie war gar nichts anderes möglich.

      Im Rahmen der Pax Americana nach dem Zweiten Weltkrieg dagegen wurde nicht nur das politische Weltsystem unter den bipolaren „Systemkonflikt“ zwischen Privat- und Staatskapitalismus subsumiert, sondern gleichzeitig die westliche Hemisphäre bereits monozentrisch ausgerichtet. Unter der politischen Glocke dieses Monozentrismus wurde überhaupt erst die Bedingung für ein rapides Anwachsen des Kapitalexports geschaffen: nämlich die Möglichkeit, innerhalb der entwickelten industriekapitalistischen Länder selber Kapital in einem nie dagewesenen Umfang zu exportieren, also große Produktionsunternehmen im früheren „Feindesland“ zu eröffnen. Pax Americana bedeutete in dieser Hinsicht nichts anderes, als dass sich die in diesem Rahmen entstehenden multinationalen Konzerne (Multis) allmählich gegen ihren nationalökonomischen Zusammenhang zu verselbständigen begannen. Damit wurde schon die Krisenstruktur eines neuen Widerspruchs von Einzelkapital einerseits und Nationalökonomie bzw. Nationalstaatlichkeit andererseits in ersten Konturen sichtbar.

       Vom nationalen „Gutmenschen“-Pazifismus zum globalen Interventions-Bellizismus

      Im Prozess der betriebswirtschaftlichen Globalisierung machte die Ideologie des zum „ideellen Gesamtimperialisten“ gewordenen US-Imperialismus eine eigenartige Metamorphose durch, die dem Status der USA gemäß zur westlich-privatkapitalistischen Gesamtideologie mutierte. In den USA hatte es gegen die alte nationalimperiale Annexionspolitik stets eine idealistische „Gutmenschen“-Opposition gegeben, die sich aus den demokratischen Illusionen über den Charakter des Kapitalismus speiste und das bürgerliche Ideal (ein Kantischer „ewiger Friede“ zwischen den Handel treibenden Nationen) gegen die damalige kapitalistische Wirklichkeit (nationalimperialistische Raubkriege) einklagte. Dieser ursprünglich antiimperialistische Pazifismus entpuppte sich in der Nachkriegsgeschichte allmählich als neue imperialistische Legitimation für die veränderte Rolle der USA als „Weltpolizist“.

      War diese Ideologie nämlich in der alten Konstellation grundsätzlich „isolationistisch“ gewesen, also gegen eine äußere Interventionspolitik der USA gerichtet, so konnte sie in der neuen Konstellation mit den USA als alleiniger Vormacht des Westens plötzlich umgekehrt selber als Rechtfertigung von Interventionen fungieren. Denn nun ging es ja nicht mehr in erster Linie um die Ausdehnung des vom nationalen US-Imperialismus definierten „Großraums“, sondern um die globale Erhaltung und Ausdehnung des privatkapitalistischen, wirtschaftsliberalen „Prinzips“ und seiner demokratischen Legitimationsmuster. Das bürgerliche Ideal konnte in diesem Sinne mit der immer noch unfriedlichen kapitalistischen Wirklichkeit scheinbar zur Deckung gebracht werden, weil es nun nicht mehr so sehr um allzu durchsichtige nationale Raubinteressen ging, sondern um die angebliche Erhaltung und Durchsetzung des „demokratischen Weltfriedens“ gegen sogenannte „undemokratische Friedensfeinde“; in der bipolaren Supermachtstruktur zunächst definiert als das „totalitäre“ östliche „Reich des Bösen“ und dessen Vasallen.

      Die neue Weltmachtrolle der USA konnte also mit einem fast schon religiösen Sendungsbewusstsein aufgeladen werden: Die westliche Supermacht mutierte zum globalen Propagandisten und geradezu Missionar der privat- und konkurrenzkapitalistischen Produktions- und Lebensweise einschließlich ihrer kulturellen Komponenten („American Way of Life“). In diesem Sinne hatte Präsident Truman bereits 1947 die nationalimperial beschränkte Monroe-Doktrin verworfen und mit der „Truman-Doktrin“ die angebliche Hilfe der USA für die „in ihrer Freiheit bedrohten freien Völker“ beschworen, die den Interventionismus auf einer Meta-Ebene des Weltsystems jenseits bloß nationaler Ausdehnungsinteressen implizierte.

      Truman operierte dabei nicht im ideologisch luftleeren Raum. Er setzte nur den Geist jener im alten, ursprünglich antiinterventionistischen US-Idealismus wurzelnden demokratischen „Völkergemeinschafts“-Ideologie fort, wie sie außenpolitisch schon US-Präsident Woodrow Wilson (1856-1924) in seinem Vierzehn-Punkte-Plan von 1918 als Vorgriff auf die spätere US-Meinungsführerschaft formuliert hatte.

      In diesem idealisierenden Konstrukt, wie es der harmonistischen Weltanschauung der traditionellen demokratischen Mittelklassen entspricht, wird der brutale Konkurrenz- und Überlebenskampf auf dem Weltmarkt feierlich in die friedliche Zusammenarbeit einander wohlwollender und durch „Volkssouveränität“ legitimierter Staaten umdefiniert; eine durch und durch verlogene Interpretation der kapitalistischen Weltrealität, die sowohl bei der von Wilson angeregten Gründung des sogenannten Völkerbunds (1920) als auch bei dessen Erneuerung als sogenannte Vereinte Nationen (UNO) am Ende des Zweiten Weltkriegs Pate gestanden hat.

      Dass sich die Sowjetunion als Gegenweltmacht der „nachholenden Modernisierung“ in die eindeutig von den westlichen Ländern unter Führung der USA beherrschte UNO eingliedern ließ, war nur die folgerichtige politische Entsprechung der ökonomischen Tatsache, dass der Staatskapitalismus als warenproduzierendes System naturgemäß Teilnehmer am Weltmarkt sein und sich dessen Kriterien anbequemen musste. Mit dem Zusammenbruch der Gegenweltmacht nach 1989 und dem Einrücken der USA in die Position der letzten Weltmacht hat sich deren Rolle als „ideeller Gesamtimperialist“ eines nunmehr planetarisch vereinheitlichten kapitalistischen Weltsystems noch einmal verändert.

      Trotz allen Ableugnens, aller Schönfärberei und Hoffnungsmacherei bilden die schleichende Weltkrise und die darin eingeschlossene Globalisierung des Kapitals den Hintergrund dafür, dass die nunmehr wirklich universell gewordene Pax Americana alles andere als eine befriedete Welt hervorbringt. Weit davon entfernt, im Sinne der universellen kapitalistischen Herrschaft überflüssig zu werden, ist seither die Bedeutung der USA als „Weltpolizist“ eher noch gestiegen, wie schon die beiden Weltordnungskriege der 90er Jahre gezeigt haben. Jetzt geht es freilich nicht mehr gegen eine klar definierte vermeintliche Gegenmacht, sondern auf Biegen und Brechen um den Erhalt des einheitlichen kapitalistischen Weltsystems, obwohl dieses global den größten Teil der Menschheit nicht mehr reproduzieren kann. Mit anderen Worten: Der Kampf des „Weltpolizisten“ und seiner europäischen Hilfssheriffs gegen die Krise der kapitalistischen Kategorien selbst nimmt zwangsläufig den Charakter eines Feldzugs gegen Gespenster oder fast schon im Stil von Don Quichotte gegen Windmühlenflügel an.

      In dieser globalisierten Auseinandersetzung mit den Dämonen der kapitalistischen Weltkrise verblasst das Muster der alten nationalimperialen „Ausdehnungsstaaten“ noch mehr als schon während des Kalten Krieges. Auch diese weitergehende Metamorphose hat wieder ein politisch-militärisches und ein ökonomisches Moment. Noch weitaus stärker als bei der strategischen Einschnürung des staatskapitalistischen Systems ist im hoffnungslosen Kampf um eine „Befriedung“ des kapitalistischen Weltkrisenprozesses jede nationalzentrierte „Geopolitik“ sinnlos und kontraproduktiv geworden. Die Welt ist sowieso vom Kapital supranational vereinheitlicht, aber unter der dünnen Hülle des gemeinsamen Weltsystems schwelt die Krise und führt mal hier, mal dort zu katastrophalen Eruptionen. Sowohl politisch als auch militärisch ist nur noch eine Strategie der weltweiten „flexiblen Intervention“ durch Krisen- und Reisediplomatie ebenso wie durch „mobile Eingreiftruppen“ und gezielte Luftschläge angesagt.

      Dem entspricht gleichzeitig die krisenökonomische Metamorphose des Kapitals zu einer unmittelbar betriebswirtschaftlichen Globalisierung über den bloßen Kapitalexport hinaus. Wo die große Masse der „Hände“ kapitalistisch unbrauchbar geworden ist, kann die „Aneignung“ von Territorien und ihren Bevölkerungen nicht einmal mehr in den gierigsten Träumen eine Option zusätzlicher Akkumulationschancen eröffnen; territoriale Annexionen machen in der kapitalistischen Logik endgültig keinen Sinn mehr und könnten von vornherein nur noch eine Last statt ein Gewinn sein. In demselben Maße, wie die betriebswirtschaftliche Reproduktion des Kapitals und der Nationalstaat auseinander treten, erlaubt das transnational über den ganzen Globus (allerdings mit höchst unterschiedlicher Dichte) gestreute Finanz- und Sachkapital überhaupt keine nationalzentrierte kapitalistische Strategie der Expansion mehr.

      Dieser neuen Weltlage entsprechend wurde