Roman Sandgruber

Hitlers Vater


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Male dienstlich in Wien war, könnte bei ihnen Unterkunft gefunden haben. Es wäre auch nicht unwahrscheinlich, wenn Adolf Hitler bei seinem ersten Wienaufenthalt im Jahr 1906, von dem kein Meldezettel bekannt ist, bei seiner Taufpatin Unterschlupf gefunden hätte. 1907 hingegen war die Wohnung in der Löwengasse bereits aufgegeben. Adolf Hitler selbst hat seine Taufpaten nie erwähnt. Dass er aber über die Bedeutung der Patenschaft wusste, wird daraus ersichtlich, dass er später sein geliebtes Linz ausdrücklich zu seiner Patenstadt erklärte und selbst symbolisch die Patenschaft für viele Kinder übernahm.

      Rosalia Hörl, das Kindermädchen, bescheinigte dem kleinen Adolf später eine bevorzugte Behandlung durch die Mutter. Die Stiefgeschwister seien eifersüchtig gewesen: »Er wurde vom frühen Morgen bis in die späte Nacht verwöhnt, und die Stiefkinder mussten sich endlose Geschichten anhören, wie wunderbar Adolf war.« Diese Aussage der Rosalia Hörl, die ja schon im Geburtsjahr Adolfs aus dem Dienst ausgeschieden war und nach dem Wegzug der Familie aus Braunau sicher keine Informationen aus erster Hand mehr haben konnte, ist daher wenig bedeutsam. Auch ihr böses Urteil über die im Haushalt lebende Johanna, die »Hanni-Tant«, die ledig gebliebene, vielleicht bucklige, aber nicht geistig behinderte Schwester Klaras, war sicher nicht vorurteilsfrei.106 Stieffamilien waren meist konfliktgeladen und durch Spannungen zwischen Stiefmutter und Stiefkindern oder zwischen den älteren und jüngeren Halbgeschwistern gezeichnet, wenn Liebe und Strafe ungerecht verteilt wurden, wenn es um materielle Bevorzugungen oder Benachteiligungen ging oder wenn schlicht ein aus Märchen und Sagen bekanntes Klischee weiter gepflegt wurde.

      Im später so berühmt gewordenen Hitler-Geburtshaus lebte Adolf nur ein paar Monate. Bereits am 4. Juni 1889 übersiedelte die Familie in das Hörlhaus in der Altstadt Nr. 16 und am 1. September 1890 in das Botenhaus, Linzer Straße 47.107 Am 17. Juni 1892, drei Jahre nach Adolfs Geburt, folgte noch in Braunau Klaras viertes Kind, von dem man bis vor wenigen Jahren geglaubt hatte, dass es bereits 1888 noch vor Adolf geboren worden wäre. Weil Otto bereits sechs Tage nach der Geburt verstarb, hat man ihn kaum zur Kenntnis genommen. Die Neue Warte am Inn meldete am 23. Juni in der Rubrik Sterbefälle bloß nüchtern: »Otto Hitler, Beamtenskind, 7 Tage alt, Wasserkopf.« 108 Für den Braunauer Historiker Florian Kotanko, der das Todesdatum richtiggestellt hat, stellten sich mehrere Fragen: »Wie wurde der dreijährige Adolf mit Geburt und Tod eines Bruders konfrontiert?« »Hat er den sogenannten Wasserkopf des Bruders bewusst miterlebt?« Und: »Hat sich diese Beobachtung auf Hitlers spätere Einstellung zu Menschen mit Behinderung ausgewirkt?«109 Viel zentraler aber war, dass es für die Eltern ein neuer Schock war, über den man erst hinwegkommen musste und für dessen Bewältigung kaum Zeit blieb. Denn nur wenige Tage nach Ottos Begräbnis musste die Familie die Stadt verlassen und nach Passau übersiedeln.110 Adolf behielt als Erinnerung an seine Braunauer Zeit nur ein im Klinger’schen Fotoatelier, Ringstraße 23, damals Vorstadt 318, aufgenommenes Babyfoto. Während sein Vater Alois auch nach 1892 immer wieder nach Braunau kam, hier alte Freunde traf, sich Geld auszuborgen versuchte, das Bezirksgericht aufsuchte oder seiner Schwiegermutter aus der zweiten Ehe beim Übersiedeln von Möbeln half, kam Adolf, abgesehen von einer Wahlrede im Jahr 1920, nur mehr ein einziges Mal nach Braunau: am 12. März 1938 beim von ihm befohlenen Einmarsch der deutschen Wehrmacht nach Österreich. Es war eigentlich kein Aufenthalt in der festlich geschmückten Stadt. Er war durchgefahren und am »Geburtshaus« einfach vorbeigefahren, ohne auch nur kurz anzuhalten oder gar auszusteigen. Die Stadt blieb für ihn nur ein politisches Symbol.

      Für Alois Hitler war es sein längster Dienstort, aber die Zeit, die ihm in Braunau beschieden gewesen war, war nicht wirklich die glücklichste: die erste Frau schwer krank, der Kindersegen versagt, die zweite Frau bald bettlägrig und jung verstorben, und aus der dritten Ehe drei Kinder in Braunau begraben. Für Klara, aber auch für Alois musste der Stress, den die vielen Todesfälle und Schicksalsschläge mit sich brachten, jedenfalls enorm gewesen sein. In einem Brief an den Straßenmeister Radlegger schreibt Alois später, dass er sich damals in einer tiefen psychischen Krise befunden habe.111

      Das Rauschergut in Hafeld: Hier wollte Alois Hitler seinen Traum von einer eigenen Landwirtschaft verwirklichen. Bilder aus einem 1939 gedrehten Film über die Wohnorte des »Führers«. Nordico Stadtmuseum Linz. Reproduktion Thomas Hackl.

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