Lutz Hatop

Weiße Wölfe am Salmon River


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Gepäck, behielten nur noch das große Zelt. Der Aerius schluckte alles. Gerhard legten sie vorsichtig in das Boot. Jetzt hieß es: überleben.

      Marc beschäftigte nur noch ein Gedanke:

      Hoffentlich suchen sie nicht mehr nach uns. Sollte noch einmal jemand auf uns schießen …

      Er wagte nicht zu Ende zu denken. Gerhard musste husten, sein Gesundheitszustand hatte sich verschlechtert. Sie mussten sich beeilen, eine Übernachtung sollte ausreichend sein.

      Shonessi war inzwischen sehr sicher geworden, der Aerius selbst lief auch nach der Flickerei hervorragend. Die Persenning selbst war nicht beschädigt, ebenso wenig das Gestell aus Holz.

      Shonessi war schweigsam, sprach kein Wort.

      „Shonessi, es ist nicht gesagt, dass dein Bruder tot ist. Vielleicht konnte er sich an Land retten.“

      Sie drehte sich zu Marc um, ein Lächeln umspielte ihren Mund.

      „Vielleicht hast du Recht. Er ist ein hervorragender Schwimmer …“

      „Dort, wo wir gekentert sind, gab es keine Stromschnellen oder Strudel.“

      Marc machte sich mit dieser Aussage selbst Mut. Am Ende des zweiten Canyons folgte eine weitere Engstelle. Als sie sich näherten, stockte Marc der Atem und Shonessi hörte auf zu paddeln. Auf der linken Seite ragte eine senkrechte Felswand in den Himmel, noch höher als bei der letzten Engstelle. Der Fluss schien einfach aufzuhören. Eine dunkle Mauer versperrte den Weg.

      „Lakota, wo geht es weiter? Ich kann nichts erkennen.“

      „Ein Fluss verschwindet nicht einfach, du wirst sehen, das löst sich alles auf.“ Seine Stimme hatte eine andere Klangfarbe, die Shonessi wohl bemerkte, jedoch gab sie keinen Ton mehr von sich. Marc konzentrierte sich voll auf den Fluss, als plötzlich wieder Motorengeräusch hörbar wurde. Ein Hubschrauber näherte sich und flog tief über sie hinweg, verschwand in einer Rechtskurve und kam nach einigen Minuten wieder zurück. Sehr tief flog er über das Kajak hinweg.

      Shonessi war unsicher. „Ich habe Hartmut erkannt, er sitzt im Hubschrauber. … Ist das nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?“

      „Ein schlechtes. Wie sollte Hartmut so schnell zu einem Hubschrauber kommen. Außer unseren Verfolgern werden wir von niemandem gesucht… Shonessi, wir müssen uns auf den Fluss konzentrieren. Wir fahren auf die rechte Seite zu der Geröllhalde.“

      Marc erkannte die Kehrwasser. Sicher fuhren sie in eines hinein. Jetzt konnte er auch den schmalen Felsspalt sehen, durch den der gesamte Fluss musste.

      „Schnell, wir fahren aus. In der Engstelle werden sie nicht angreifen…“

      Der Rest des Satzes wurde durch lautes Motorengeräusch übertönt. Das Kajak bewegte sich schnell auf die Engstelle zu. Gerade mal zwanzig Meter war der Fluss hier noch breit. Kreiselnd und strudelnd quetschte sich das Wasser durch den Spalt. Die Maschine musste abdrehen, sie waren der Felswand zu nahe. Marc blickte dem Hubschrauber hinterher, der plötzlich in einen Sinkflug überging und am Hang in den borealen Wald krachte.

      „Was ist passiert?“

      Shonessi hatte nichts gesehen, nur den Aufschlag gehört.

      „Der Hubschrauber ist … abgestürzt, einfach so. Ich versteh das nicht. Egal, konzentriere dich auf den Fluss.“

      Einmal in dem engen Schlund mit seinen senkrechten Felswänden, ging alles ganz leicht. Das Wasser knuffte und puffte mit sich selbst herum, kreiste, wirbelte nach links und nach rechts, sabberte an der Haut des Kajaks, gluckste und zischte.

      „Was für ein Wahnsinn. Lakota. Wir haben es geschafft und die im Hubschrauber sind wir auch los.“ Lachend fuhr sie herum, „du kannst dich auf heute Abend schon mal freuen.“

      „Shonessi, freu dich nicht zu früh, wir haben noch eine Stromschnelle vor uns, George´s Riffle. Ich denke aber, das wird dir eher Spaß machen.“

      Dann kam sie: George’s Riffle. Über die gesamte Breite des Flusses Wellen, weit über einem Meter hoch, manche vielleicht sogar zwei Meter. Marcs geübtem Blick sprang sie sofort ins Auge, die Durchfahrt mit einigen Wellen, die Shonessi jubeln ließen. Jetzt begann der letzte Canyon, der erste Canyon, mit seinen hunderte Meter hohen Steilwänden und dreißig Kilometern Länge der schönste. Hinter dem Canyon dann endlich, es war bereits später Abend ‚Kraus Hotsprings‘, ihr Übernachtungsplatz.

      Sie legten das Boot auf die Kiesbank, bauten das Zelt auf und versorgten Gerhard. Seine Wunde sah nicht gut aus. Die Haut hatte sich dunkel eingefärbt.

      „Wir fahren morgen in aller Frühe los, dann schaffen wir es vielleicht bis zum Abend zum 'Blackstone Territorial Park'. Dort treffen wir dann auch wieder Menschen an.“

      „Und was machen wir heute?“, verschmitzt lachte sie ihn an.

      „Baden!“

      „Baden? Wo?“

      „Hier sind 35 Grad heiße schwefelhaltige Quellen, das wird uns guttun.“

      Shonessi war sofort begeistert. Beide lagen in den Quellen, Freude wollte sich nicht einstellen, auch ihre Küsse waren nicht so wie sonst.

      „Vielleicht sollten wir Gerry hier reinholen. Geht das auch bei seiner Wunde?“

      „Früher haben sie die Leute sogar mit schwefelhaltigem Wasser geheilt, also kann es nicht gar so schädlich sein. Wir müssen eben aufpassen. Los, wir holen ihn.“

      Gerhard lag dösend im Zelt, seine Schmerzen wurden immer schlimmer.

      „Na endlich. Holt ihr mich zu den Quellen? Das wird mir helfen. Es wird immer schlimmer, ich glaube fast, ich habe Wundbrand.“

      Marc und Shonessi waren beide nackt, als sie Gerhard entkleideten.

      „Shonessi, du bist wirklich wunderschön! Deine Figur ist traumhaft.“ Gerhard stellte das bewundernd und mit Respekt fest.

      „Danke, Gerry. Ich hoffe, du verhältst dich jetzt nicht so wie Hartmut.“

      „Nein, bestimmt nicht. Ich liebe meine Frau und ich vermisse sie unendlich. Hoffentlich sehe ich sie noch lebend wieder.“

      Marc und Shonessi sahen sich nur schweigend an.

      Stützend brachten sie Gerhard zum Pool und halfen ihm beim Einstieg.

      „Oh Mann, ist das toll. Herrlich heißes Wasser.“

      Schon tauchte er unter, hoffte dabei, dass das Wasser heilende Wirkungen zeigte. Seine Lebensgeister erwachten.

      „Shonessi, du musst wissen, als wir vor einigen Monaten die Reise geplant haben, war ich von diesem Ort sofort begeistert. Ich habe meiner Frau davon vorgeschwärmt, wie schön es sein muss, unter freiem Himmel hier in der Wildnis zu sitzen. Und heute ist das eingetreten. Wahnsinn. Das ich heute mit einer Shonessi und einem Lakota im Pool sitze, hätte ich mir allerdings nicht träumen lassen.“

      Nach dem Bad spürten alle eine wohlige Müdigkeit und legten sich schlafen. Shonessi hatte sich dicht an Marc gekuschelt. Er rückte ihre Haare zur Seite und flüsterte ihr ins Ohr.

      „Worauf sollte ich mich denn freuen?“

      „Lakota, du bist ganz schön frech. Das geht doch nicht, hier.“

      „Was geht nicht?“

      Sie drehte sich zu ihm.

      „Das weißt du doch ganz genau!“

      „Nein, du hast heute Nachmittag so eine besondere Betonung gehabt. Ich habe es so verstanden, das mich heute Abend etwas nie dagewesenes erwartet.“

      „So, meinst du? … Das ist allein deine Interpretation. Du musst Geduld haben. Warte, hier ist der Anfang…“

      Sie blickten sich beide tief in die Augen, bevor sie ihn küsste.

      Am nächsten Morgen wurde schnell gefrühstückt. Gerhard ging es wesentlich besser, auch sah seine Wunde