von Anbeginn bis zum Absturz des Flugzeuges. Als die beiden den Raum verlassen wollten, konnte Marc nicht mehr an sich halten.
„Können Sie mir bitte helfen? Wo finde ich Tyrone Sand mit seiner Tochter?“
Der eine schüttelte den Kopf, der zweite jedoch reagierte anders.
„Sie meinen Littlefoot. Ich denke, ich kann Ihnen helfen.“ Mit einem Seitenblick auf seinen Kollegen meinte er nur kurz. „Ich nehme das auf meine Verantwortung. Fahren Sie nach Dettah, nicht weit von hier, auch am See gelegen. Am besten gehen Sie zum Regierungsgebäude der 'Dene', der First Nation hier. Dort finden Sie wahrscheinlich beide.“
Marc hielt es nicht mehr im Krankenhaus, verabschiedete sich von Susanne und Gerhard, rannte zu seinem Mietwagen und erreichte nach dreißig Minuten Dettah. Doch weder Littlefoot noch Shonessi traf er an.
Er besuchte die nächsten Tage regelmäßig Gerhard im Hospital. Bald war dieser soweit hergestellt, das er heimreisen konnte. Marc hatte sich entschlossen, mit beiden ebenfalls nach Deutschland zu fliegen.
Susanne packte alle Kleidung und Gegenstände zusammen, als Gerhard zu Marc trat.
„Lakota, oder soll ich wieder Marc sagen?“
„Wird wohl besser sein. Es ist vorbei, endgültig.“
Gerhard fasste Marc an die Schulter, schüttelte mit ernstem Blick den Kopf. „Nein, du bist Lakota. Weißt du nicht mehr, was der Name bedeutet?“
Susanne hielt mit dem Packen inne und horchte aufmerksam zu.
„Sicher weiß ich das noch?“
„So? Warum hältst du dich dann nicht dran? Der Name ist eine Ehre: 'Freund, der zu mir steht!' Shonessi braucht dich. Geh zu ihr. Bleib hier. Du liebst sie doch? Oder sollte ich mich täuschen?“
Marc wusste nicht mehr, was er denken sollte. Gerhards Worte ließen seine Gefühle Achterbahn fahren.
„Meinst du? Ich sollte …“
„Ja, das meine ich nicht nur, das weiß ich.“
Sie verabschiedeten sich, Marc sah dem Flugzeug noch hinterher.
Grüß mir die Heimat. Wir sehen uns wieder, versprochen.
Marc verbrachte eine weitere Nacht in Yellowknife, wollte am nächsten Tag noch mal einen Versuch in Dettah wagen. Er stellte das Auto direkt vor dem Regierungsgebäude der 'Dettah Yellowknives Dene First Nation' ab. Das sehr ansehnliche, moderne Regierungsgebäude mit behindertengerechter Rampe und dem lindgrünen Anstrich beeindruckte ihn.
Ich muss sie wieder sehen, muss mit ihr reden!
Diese Gedanken trieben ihn um. Langsam öffnete er die Autotür, ging zum Eingang, blieb auf der hölzernen Treppe nochmals kurz stehen. Er wollte auf keinen Fall Littlefoot in die Arme laufen. Hinter dem Eingang befand sich ein großes Foyer mit zahlreichen Fotos und Informationen zu den Protestaktionen der ‚Dene‘, der hier siedelnden First Nation.
Gar nicht so verkehrt, vielleicht kann ich ja so das Vertrauen der Menschen hier gewinnen.
Marc trat an die Tafeln heran und begann diese zu lesen. Nach etwa einer halben Stunde gesellte sich ein Mitglied der ‚Dene‘ hinzu.
„Kann ich helfen? Sie interessieren sich für unsere Proteste?“
„Ja, sehr. Können Sie mir mehr zu den Hintergründen sagen? Ich bin hier neu, würde mich gerne engagieren, brauche dafür aber mehr Informationen.“
Mit einem freundlichen Lachen wurden seine Fragen beantwortet. Sie setzten sich an einen Tisch. Zeitungsausschnitte, weitere Bilder und Stellungnahmen von befreundeten First Nations wurden Marc vorgelegt. Auch mit dabei ein Schreiben von ‚Bluerescue‘, der berühmten Umweltorganisation aus Kanada. Zum ersten Mal hörte Marc die Namen 'Glenconan AG', Tom Baxter und Frédéric Fowler. Gleichzeitig bekam er eine Fotografie von letzterem zusehen. Marc erkannte in ihm sofort den jüngeren der beiden aus dem Flugzeug.
Also doch. Es geht mal wieder nur ums Geld. Ich werde mich engagieren, will helfen!
Wut stieg in ihm auf. Die Helfershelfer der Glenconan AG gingen über Leichen. Ihm wurde bewusst, wie sehr er diesem Frederic Fowler Knüppel zwischen die Beine geworfen hatte.
In diesem Moment kam ein junger Mann mit schulterlangen Haaren an den Tisch und flüsterte dem Älteren Informationen zu. Dessen Gesicht nahm einen glücklichen Ausdruck an.
„Entschuldigen Sie bitte, aber ich habe gerade die beste Nachricht der letzten Wochen erhalten. Der Sohn von Littlefoot, unserem Anführer, ist gesund zurückgekehrt …“
Marc schaute ihn fragend an. Sprach er etwa gerade von Ahmik? Freude stieg in ihm auf.
„Ein Freund von mir wurde kurz in dem, wie heißt es nochmal, 'Taranto Hospital …“
„Nein, nein, Sie meinen das Stanton Territorial Hospital.“
„Ja, genau. Da haben sie von einer jungen Frau erzählt, die wohl auf abenteuerliche Weise gerettet wurde.“
Beide 'Dene' lachten. Der jüngere ergriff das Wort.
„Ja, das ist meine zukünftige Frau. Shonessi, sie ist die Tochter von Littlefoot und sie ist die schönste First Nation Frau in ganz Kanada.“
Es traf Marc, als ob eine Lanze durch sein Herz gebohrt worden wäre. Nur mit äußerster Beherrschung konnte er diese Aussage überspielen. Er setzte alles auf eine Karte. Wenn, dann lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.
„Das hat man mir auch gesagt. Sie muss sehr schön sein. Sind denn beide hier?“
Freudig nickte der ältere. Der Jüngere war bereits auf dem Weg in einen der hinteren Räume.
„Warum nicht? Kommen Sie einfach mit. Wie hatten Sie sich denn ihr Engagement vorgestellt?“
„Ich bin die nächsten Wochen noch hier in Yellowknife. Sie können über mich verfügen. Solchen Konzernen muss Einhalt geboten werden!“
Bevor sie sich jedoch auf den Weg machten, verwickelte Marc sein Gegenüber nochmals in ein Gespräch über die Glenconan AG.
Zur gleichen Zeit in einem anderen Raum. Littlefoot hatte soeben mit mehreren Stammesvertretern den Raum verlassen. Zurück blieben allein Ahmik und Shonessi.
„Was ist mit Lakota?“
Keine Antwort, nur betretenes Schweigen von Shonessi, die verzweifelt den Boden nach einem Ausweg absuchte. Ahmik hatte die Frage ernst und schneidend gestellt, zumal Littlefoot die Hochzeit seiner Tochter verkündet hatte. Anfangs konnte er Marc nicht ausstehen, hatte ihn aber dann am South Nahanni schätzen gelernt. Marc, den seine Schwester Lakota nannte, stand zu dem, was er sagte und handelte danach. Er musste erkennen, dass Shonessi bei ihm immer an erster Stelle kam. Zudem war er sehr zurückhaltend und interessierte sich für die Belange der kanadischen Ureinwohner.
Er packte Shonessi am Arm, „hat er dich verlassen?“
Sie schüttelte den Kopf, sprach aber immer noch kein Wort.
„Hast du ihn verlassen? Rede endlich. Willst du tatsächlich diesen … diesen Möchtegern-Krieger Machk heiraten? Ich dachte immer, du liebst Lakota, du hast ihm den Namen gegeben. Er hat diesen Namen als Ehre verstanden, war stolz. Ist denn deine große Begeisterung schon wieder verflogen? So wie immer? …“, er wurde sehr laut, „das hat er nicht verdient!“
Shonessi blickte Ahmik wie ein weidwundes Tier an. Es platzte aus ihr heraus. Sie schrie ihren Bruder an.
„Du hast ja keine Ahnung. Mein Vater wollte mich verstoßen. Du warst nicht da, Lakota auch nicht. Wenn ich nicht loslasse, passiert Lakota etwas. Wenn er sich hier blicken lässt, kann er für nichts garantieren … Es stimmt, ich liebe Lakota, jeden Tag mehr. Was hätte ich denn machen sollen. Ich weiß nicht mehr weiter, ich kann nicht mehr.“
Sie wurde immer leiser, ihre letzten Worte waren nur noch ein Wimmern. Ahmik nahm sie in