Herzen. Daher ist auch dieses Kapitel des Korintherbriefes, »Das Hohelied der Liebe«, von größter Wichtigkeit. Es beginnt mit:
»Das Größte ist die Liebe. Wenn ich mit den Zungen der Menschen und der Engel rede, doch Liebe nicht habe, bin ich ein tönendes Metall oder eine klingende Schelle.«
Wir können also noch so schöne Reden halten, aber ohne Liebe sind sie hohl und nichtig. Wenn wir uns so anschauen, was alles für Vorträge angeboten und wo überall Reden gehalten werden, so fehlt es uns bestimmt nicht an klugen Worten.
»Und wenn ich Prophetengabe besitze und um alle Geheimnisse weiß und alle Erkenntnis, und wenn ich allen Glauben habe, dass ich Berge versetze, doch Liebe nicht habe, so bin ich nichts.«
Die Zukunft vorauszusagen war von jeher eine viel bewunderte Fähigkeit. Ein Drittel des Alten Testaments handelt von den Propheten Israels. Dennoch sagt der Apostel, dass dies ohne Liebe wertlos sei. Auch ein tiefer Glaube, der sogar Berge versetzen kann, ist immer noch nichts, verglichen mit Liebe.
»Und wenn ich all meine Habe austeile zur Speise für die Armen, und wenn ich meinen Leib hingebe zum Verbrennen, doch Liebe nicht habe, nützt es mir nichts.«
Dazu sagt der Buddha folgendes:
»Einstmals lebte ein Brahmane, namens Velama. Dieser spendete folgende gewaltige Gaben. Er verschenkte 84.000 mit Silber gefüllte goldene Gefäße, 84.000 mit
Gold gefüllte silberne Gefäße, und vieles mehr. Was soll man da erst von Speise und Trank sagen, von den Kauwaren, Esswaren, Leckereien und Getränken, die dort gleichsam in Strömen flossen? … Bei weitem verdienstvoller aber ist es, wenn man selbst nur so viel wie einen flüchtigen Duft liebevoller Gesinnung erweckt.«
Hier begegnen wir dem gleichen Prinzip. Obwohl der Brahmane Velama unendlich viele Wertgegenstände und auch Speise und Trank verschenkt hat, so sagt der Buddha dennoch, es sei viel verdienstvoller, wenn wir selbst nur einen flüchtigen Duft liebevoller Gesinnung in uns erwecken würden.
Es ist wichtig, das Wort oder den Begriff »Liebe« richtig zu verstehen, und nicht einfach anzunehmen, es wäre das, was wir im Allgemeinen darunter verstehen, oder was wir auch schon selbst erlebt haben. Wäre das der Fall, hätten wir sicherlich einen ganz anderen Zugang zum spirituellen Leben. Jeder von uns hat ja schon Liebe erlebt oder erlebt sie noch. Aber diese Art der Liebe, die wir kennen, ist auf bestimmte Menschen gerichtet und soll dort auch Resonanz finden. Wir wollen wiedergeliebt werden. Außerdem sind wir kritisch, beurteilen, verurteilen und sind sehr wählerisch, wem wir unsere Liebe schenken. Häufig denken wir auch an eine Größenordnung bei unserer Liebe, als ob ein Gefühl zu messen wäre. Wenn wir viel Liebe geben, wollen wir auch die gleiche Menge erhalten. Solche zwischenmenschlichen Beziehungen sind äußerst schwierig. Im Allgemeinen glauben wir, wenn Probleme auftauchen, es läge an dem Partner oder an uns selbst oder an beiden. Unsere Beziehungen sind aber so schwierig, weil unsere Art, mit Liebe umzugehen, auf der weltlichen, materiellen Ebene stattfindet. Wir stellen Bedingungen, deren Erfüllung oft ausbleibt, und dadurch wird unser Gemüt erschüttert. Wir denken, wir bräuchten eine bestimmte Person um zu lieben, die bei uns bleiben soll und so reagieren soll, wie wir es wünschen. Das erzeugt Angst und Unruhe, denn wir wissen unterschwellig, dass dies unrealistische Ansprüche sind.
Auf der spirituellen Ebene wird eine andere Art und Weise des Liebens angesprochen. Wir können das im Korintherbrief nachvollziehen, wenn wir lesen:
»Die Liebe übt Nachsicht.«
Die Liebe wird als ein unpersönliches Gefühl bezeichnet; es heißt nicht: »der Liebende übt Nachsicht«.
»In Güte handelt die Liebe.«
Diese Unpersönlichkeit ist das, worauf es hier ankommt. Liebe ist, genau wie es der Buddha lehrt, eine Fähigkeit und Qualität des Herzens, die jeder von uns in sich trägt, die wir aber entwickeln müssen, weil wir sie so oft vernachlässigen. Wir kümmern uns nicht recht um dieses innere Juwel, weil wir hoffen, es wäre jederzeit zu finden. Vielleicht erinnern wir uns daran, wie wir das erste Mal verliebt waren. Es war ganz entzückend, auch recht unruhig und aufregend, aber dennoch bezaubernd. Aber wieso waren wir überhaupt unruhig und aufgeregt? Weil wir uns von jemand anderem abhängig gemacht hatten, was nicht unbedingt wunschgemäß verlaufen musste. Diese Erklärung soll uns zu verstehen geben, wie wir uns fühlen könnten, wenn es sich nicht um eine bestimmte Person handelt, sondern unser Herz sich die Liebesqualität aneignet und immer in sich trägt.
Vielleicht können wir hier auch den Sinn der Religionen spüren, den beide Lehrer uns vermitteln. Der Buddha sagt in der Lehrrede von der Liebenden Güte:
»Wenn man den Frieden des Herzens sucht, bemühe man sich um folgende Gesinnung: Man sei freundlich, sanft und ergeben.«
Diese Worte zeigen in die gleiche Richtung, der wir bereits als »nachsichtig« und »in Güte« begegnet sind. Es gibt Wegweiser für die Eigenschaften, die wir üben sollten, um das Liebesgefühl in uns so zu erwecken, dass wir es nicht mehr verlieren können. Oft denken Menschen, wenn sie das hören, dass sie dann vielleicht übervorteilt werden. Können wir denn auf der Ebene der Liebe übervorteilt werden? Das kann höchstens auf der weltlichen, materiellen Ebene geschehen, auf der die Dualität von »mein« und »dein« herrscht. Wenn uns aber klar ist, so wie der Buddha sagt, »dass der Frieden des Herzens das Ziel des Lebens ist«, dann kommt es ja wohl nicht mehr darauf an, ob jemand, dem wir Liebe schenken, das Gleiche tut, und ob demjenigen dadurch irgendein Vorteil erwächst. Wir erkennen dann ohne jeden Zweifel, dass alles Gute, das wir tun, so wie lieben, helfen, Nachsicht üben, in Güte handeln, für uns selbst der größte Gewinn ist. Wir erleben dann im Alltag: »Wie du säst, sollst du ernten«. Und selbst wenn jemand unsere Saat nicht erkennt, was macht es schon? Sie bringt immer die dazugehörende Ernte.
Das nächste, was wir im Korintherbrief über die Liebe finden, ist:
»Die Liebe macht sich nicht groß, Sie bläht sich nicht auf.«
Der Buddha sagt:
»Man sei aufrecht und gewissenhaft und ohne Stolz.«
Fraglos können wir diese Eigenschaften in uns entwickeln, jedoch basiert die Liebe, die dadurch in unserem Herzen erweckt wird, nicht auf irgendwelchen speziellen Menschen, Idealen, Ideen, Situationen oder Ereignissen. Sie ist einzig und allein das Vertiefen der schöpferischen Qualität unseres Herzens, sodass es nichts anderes mehr spüren kann. Wir haben auch Hass, Ablehnung und Widerwillen in unserem Herzen. Wenn das nicht der Fall wäre, wäre es nicht nötig, den Läuterungsprozess durchzuführen. Liebe ist eine Fähigkeit jedes menschlichen Herzens, deren Entwicklung uns ein wichtiges Anliegen sein sollte.
Dann wird im Korintherbrief gesagt:
»Sie (die Liebe) benimmt sich nicht ungehörig.«
Die Worte des Buddha:
»Auch nicht im Kleinsten soll man sich vergehen.«
Da wird etwas angesprochen, was wir an sich gar nicht mit Liebe in Verbindung bringen, nämlich unser allgemeines Benehmen. Die Zehn Gebote haben im Buddhismus ihre Parallele in den fünf Tugendregeln; und zwar: nicht töten; nicht nehmen, was nicht gegeben wurde; kein sexuelles Fehlverhalten; keine Lügen, keine groben Worte, kein Hintertragen; keine Drogen oder Alkohol. Wenn wir nicht töten und sexuelles Fehlverhalten vermeiden, soll dies den Hass in uns vermindern. Nehmen wir nichts, was uns nicht gegeben wurde, so arbeiten wir damit der Gier entgegen. Vermeiden wir Lügen und grobe Worte, Alkohol und Drogen, dann können wir eher Harmonie in unserem Leben verwirklichen. Auch Schmeicheln entspricht nicht der Wahrheit, aber das liebevolle Gespräch miteinander ist ein Weg des Herzens. Die meisten Menschen sprechen über das, was sie wissen. Es ist die übliche Art und Weise, sich zu unterhalten. Es ist aber viel eindringlicher und erbaulicher, wenn wir vom Herzen sprechen und uns auf dieser Ebene anderen nähern. Das bringt ein Zusammengehörigkeitsgefühl und auch eine enge Verbindung mit anderen Menschen.
Unser Innenleben wird durch unsere Gefühle regiert. Wenn