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Nobelpreisträger John Eccles. Er ist 1997 gestorben und hat zusammen mit dem Philosophen Karl Popper ein Buch mit dem Titel ‚Das Ich und sein Gehirn’ geschrieben, 1977 ist dieses Buch herausgekommen. John Eccles behauptet darin mit Karl Popper, dass diese Schnittstelle auf subatomarer Ebene zu finden sei. Das Problem dieses interaktionistischen Dualismus ist freilich, dass diese Schnittstelle empirisch nicht nachgewiesen werden kann. Das Problem bei Eccles und bei anderen Dualisten ist, dass, obwohl sie sich gerade darum bemühen, in einen Dialog mit den Naturwissenschaften zu kommen, sie das Entscheidende, nämlich die Schnittstelle zwischen dem Materiellen und dem Geistigen, empirisch nicht nachweisen können. Diese Schnittstelle scheint für die Dualisten eher so etwas wie ein metaphysisch notwendiges Postulat zu sein und nichts, was man empirisch aufzeigen kann.

      Deswegen, und noch aus einem anderen Grund, tendieren einige Vertreter in der Leib-Seele-Diskussion heute eher zu einer anderen Position, nämlich zur Identitätstheorie. Die meisten Vertreter in der heutigen Leib-Seele-Diskussion sind Monisten. Sie vertreten die These, dass es eine Identität von Körper und Geist gibt. Die Identitätstheorien sind aus einem bestimmten Grund heute sehr attraktiv. Die Identitätstheoretiker, die Monisten, vertreten nämlich nicht, dass wir den Geist verstehen müssen, um unseren materiellen Körper zu verstehen, sondern die überwiegende Anzahl der Monisten vertritt genau das Gegenteil. Wenn wir einmal unseren materiellen Körper richtig verstanden haben, dann haben wir auch verstanden, was der Geist ist. Der Geist, das Bewusstsein bzw. das Mentale ist eigentlich kein eigener Phänomenbereich, sondern auf die Materie reduzierbar.

      Die meisten Vertreter in der heutigen Leib-Seele-Diskussion sind tatsächlich Reduktionisten. Sie vertreten eine reduktive Theorie, d. h., sie reduzieren das Mentale auf das Physische. Man spricht dabei auch von einem Physikalismus. Das ist ein neues Wort für das, was man früher Materialismus genannt hat. Die These ist: Das, was es eigentlich gibt, ist die Materie. Alles andere sind nur Epiphänomene, die auf der Materie aufruhen. Nun finden auch Vertreter des Monismus die Theorie, dass Geist und Bewusstsein eigentlich gar nichts anderes sind, als biochemische Prozesse, irgendwie unbefriedigend und so hat man versucht, verschiedene Theorien zu entwickeln, die dem geistigen Leben des Menschen irgendwie doch noch eine eigene Stellung zubilligen.

      Berühmt ist der Harvarder Philosoph Hilary Putnam. 1960 hat er ein folgenreiches Buch mit dem Titel ‚Mines and Machines’ geschrieben. Darin outet er sich als Vertreter des Funktionalismus. Die Funktionalisten behaupten, dass geistige Phänomene auf materielle Phänomene reduzierbar sind, dass jedoch das spezifische Material, auf das die geistigen Prozesse reduziert werden, nicht charakteristisch für das Bewusstsein ist. Das klingt komplizierter als es ist. Hilary Putnam meint damit schlicht und einfach, dass es für das Denken egal ist, ob ein Mensch denkt, und dabei die materielle Basis sein Gehirn ist, oder ob ein Computer, eine Maschine, denkt. Der Funktionalismus ist also der Versuch, dem Geistigen doch eine gewisse Eigenständigkeit zuzusprechen.

      Das Problem des Funktionalismus, das auch seine Vertreter bald gesehen haben, ist, dass diese Theorie keine Antwort auf die Frage geben kann, was das, was für uns Menschen so charakteristisch ist, eigentlich ist, nämlich das Erleben von Qualia, z. B. das Erleben von Schmerzen. Zwar ist es für das geistige Leben des Menschen charakteristisch, Qualia zu erleben, aber ein Computer beispielsweise wird niemals Schmerzen erleben können, er wird niemals wissen, was es heißt, Schmerzen zu haben. Insofern scheint es doch so etwas wie spezifisch menschliches Denken, spezifisch menschliches Bewusstsein zu geben, das nicht auf einen Computer übertragbar ist.

      Deswegen hat man den Funktionalismus aufgegeben und sich anderen Theorien zugewandt, die ich nur kurz skizzieren werde. Eine dieser Theorien ist die Theorie der Emergenz. Laut dieser Theorie erwächst Bewusstsein aus Materie, wenn diese komplex genug ist. Obwohl diese Theorie zunächst attraktiv zu sein scheint, bleibt letztlich doch die entscheidende Frage offen, ob, und wenn ja, wie das Bewusstsein wiederum kausal wirksam gegenüber dem Materiellen sein kann. Diesbezüglich geben die Emergenztheoretiker, die Emergentisten, keine klare Antwort. Wenn sie die Frage bejahen, dann ist das Bewusstsein doch so etwas wie ein eigenständiger Seinsbereich, wenn sie sie verneinen, dann stellt sich die Frage, was die Emergenztheorie eigentlich erklärt.

      Dieses Problem hat man versucht, dadurch in den Griff zu kommen, dass man die Idee der Emergenz aufgegeben und sie stattdessen durch die Idee der Supervenienz ersetzt hat. Die Vertreter der Supervenienztheorie behaupten, dass es keine Änderung eines mentalen Zustandes geben kann, ohne dass es zu einer Änderung des materiellen, des physischen Zustandes kommt. Für Reduktionisten ist die Supervenienztheorie natürlich alles andere als spektakulär. Weil Mentales nichts anderes als Physisches ist, müssen geistige Zustände über physischen Zuständen supervenieren.

      Das Hauptproblem der Emergenz- und der Super-venienztheorie besteht darin, dass sie auf der einen Seite an der Eigenständigkeit des Geistigen festhalten wollen, auf der anderen Seite aber behaupten, dass wir das Geistige vollständig vom Materiellen her verstehen können. Diese beiden Dinge gehen aber natürlich nicht zusammen.

      Ich gestehe, dass ich gegenüber der Diskussion des Leib-Seele-Problems etwas skeptisch bin. Man könnte ohne Weiteres eine sechsteilige Vorlesung über das Leib-Seele-Problem halten, wenn man mehr Zuversicht hätte, als ich sie habe, dass sich das Leib-Seele-Problem tatsächlich einer Lösung zuführen lässt. Der schon erwähnte Harvarder Philosoph Hilary Putnam hat im Jahre 2000 ein berühmtes Buch geschrieben, ‚The Threefold Cord: Mind, Body and World’. Putnam, Sie erinnern sich, hatte 1960 den Funktionalismus in die Debatte eingeführt. Derselbe Hilary Putnam ist es nun, der sich von der ganzen Diskussion des Leib-Seele-Problems verabschiedet, mit Hinweis auf den späten Ludwig Wittgestein. Putnam vertritt in diesem Buch die Auffassung, dass das ganze Leib-Seele-Problem auf einer Sprachverwirrung beruht, auf Kategorienfehlern, wie wir Philosophen sagen. Der Fehler bestehe erstens darin, dass Begriffe verallgemeinert werden. Man spreche vom Bewusstsein oder vom Geist, aber lege sich überhaupt keine Rechenschaft mehr darüber ab, was eigentlich mit diesen Begriffen genau gemeint sei, ob es überhaupt so etwas wie den Geist, wie das Bewusstsein gebe. Zweitens reiße man diese Begriffe aus dem Kontext, in dem sie eigentlich guten Sinn ergeben, heraus, abstrahiere sie woraufhin diese ein Eigenleben in Theorien führten, ohne dass man sich frage, ob dieses Wort eigentlich noch dasselbe bedeute, wie in dem Kontext, in dem es ursprünglich verwendet wurde. Wir können z. B. einen Patienten, der im Krankenhaus ohnmächtig ist, versuchen, wieder zu Bewusstsein zu bringen. In diesem Zusammenhang ist uns ganz klar, was wir unter Bewusstsein verstehen. Aber wenn die Leib-Seele-Philosophen so über das Bewusstsein und den Geist sprechen, wie sie es tun, meinen sie da überhaupt etwas, was es wirklich gibt?

      So brillant, detailreich und klug die Leib-Seele-Diskussion auch geführt wird, so sehr bin ich doch unsicher, ob sie tatsächlich zu Ergebnissen kommt, die uns besser verstehen lassen, wer wir als Menschen sind. Aus diesem Grund möchte ich in meiner Vorlesungsreihe nicht an diesen naturwissenschaftlich geprägten Versuch, den Menschen zu verstehen anknüpfen, sondern mich in der Tradition der Anthropologen des 16. Jahrhunderts anderen Fragen zuwenden.

      Die zweite Art und Weise, den Menschen zu verstehen und eine philosophische Anthropologie zu entwerfen, die ich eingangs erwähnt habe, ist insbesondere im deutschsprachigen Raum populär. Es handelt sich dabei um den Ver-such, den Menschen von der Ethik her zu verstehen. Damit dieser Versuch und meine Kritik daran etwas deutlicher werden, erlauben Sie mir, dass ich etwas weiter aushole und Ihnen generell etwas darüber sage, wie Ethik betrieben werden kann.

      Wenn Sie sich die philosophische Landschaft heute anschauen würden, dann würden Sie sehen, dass es drei verschiedene Arten und Weisen gibt, über Ethik nachzudenken, d. h., darüber nachzudenken, wie wir handeln sollen und was eigentlich eine Handlung gut, moralisch oder sittlich macht.

      Eine dieser drei Arten und Weisen ist der Utilitarismus, der insbesondere in der angelsächsischen Welt beheimatet ist. Der Utilitarismus behauptet, dass es der Nutzen ist, der eine Handlung gut, sittlich oder moralisch macht. Aber der Nutzen für was? Der Nutzen für das Glück der Menschen. Eine Handlung ist dann sittlich und moralisch richtig, wenn sie das Glück der Menschen vermehrt oder das Leid der Menschen vermindert. Man kann den Utilitarismus auf verschiedene Weise kritisieren und er ist oft kritisiert worden. Eine