mit einer Sache haben, desto präziser kann das Unterbewusstsein arbeiten.
Dennoch hat das bewusste Prüfen von Informationen absolut seine Daseinsberechtigung: Immer dann, wenn wir uns in einer völlig neuen Situation befinden, für die es noch keinen adäquaten Datenbankabgleich gibt. Oder wenn irgendetwas an einer sonst bekannten Situation anders ist als sonst und vom Regelfall abweicht.
Die Wahrscheinlichkeit von Konsequenzen kann in solchen Fällen unser Bewusstsein besser berechnen. Meldet sich dann aber im Zuge einer bewussten Entscheidung doch wieder die Intuition, vielleicht mit einem flauen Gefühl im Magen, könnte es sein, dass wir ein Kriterium bei der bewussten Prüfung nicht bedacht haben. Das kann Anlass dazu geben, in Ruhe noch einmal über die Entscheidung nachzudenken. Der Psychologe Dr. Wim De Neys entdeckte sogar einen physisch nachweisbaren Alarmknopf in unserem Kopf: In der Mitte des Stirnhirns gibt es ein Areal, das immer dann aktiv wird, wenn eine Entscheidung in Konflikt mit etwas anderem steht, das wir wollen oder benötigen.1 2
De Neys beobachtete bei Probanden im Hirnscanner, dass dieses Alarmzentrum auch das autonome Nervensystem beeinflusst. Immer wenn ein Konflikt entdeckt wurde, begannen die Teilnehmer beispielsweise, etwas stärker zu schwitzen, ihre Körpertemperatur veränderte sich und damit auch die elektrische Hautleitfähigkeit.3
Wir sehen also: Das vermeintlich Mysteriöse ist tatsächlich etwas absolut Handfestes und Greifbares. Weder ist die Intuition spezifisch weiblich – obwohl Frauen aufgrund ihrer Aufmerksamkeit soziale Reize intensiver verarbeiten, dazu später mehr – noch handelt es sich um einen übernatürlichen sechsten Sinn.
Das Wort »Intuition« leitet sich vom lateinischen »intuitio«, also der »unmittelbaren Anschauung« ab. Sie ist nicht das Gegenteil von Rationalität, sondern eine sehr nützliche Ergänzung. Sie erlaubt es, komplexe Sachverhalte und komplizierte Vorgänge schnell zu erfassen und zu reagieren, während unser bewusster Verstand gerade erst in die Gänge kommt.
Neben dieser unmittelbaren Überlebenssicherung, die uns alle vermutlich mehrmals am Tag vor Verkehrsunfällen bewahrt, erlaubt sie aber auch ein ganzheitlicheres komplexes Einschätzen unserer Gesamtsituation. Irgendwie fühlen Sie sich unzufrieden, können aber nicht klar sagen, warum? Nehmen Sie sich Zeit, und gehen Sie ausgeruht an die Sache heran. Viele von uns setzen sich erst dann hin und machen eine Pause, wenn sie vom Alltag schon fix und fertig sind. Dann brauchen wir aber von unserem Nervensystem auch nichts Großartiges mehr zu erwarten.
Behandeln Sie den Check-in bei sich selbst deshalb wie ein regelmäßiges Team-Meeting auf der Arbeit. Da versuchen Sie ja nach Möglichkeit auch, wach und präsent zu sein. Intuitives Arbeiten sieht von außen aus, als würde der Betreffende gerade nichts tun. Dabei kann es richtig anstrengend sein. Immerhin werden sehr viele Daten abgerufen, miteinander abgeglichen und geordnet. Geben Sie Ihrem Unterbewusstsein genügend Raum dafür. Gehen Sie spazieren. Machen Sie etwas, das nicht viel bewusste Aufmerksamkeit erfordert, aber sie dennoch mit frischem Input versorgt. Wer dauernd dieselben Wände seiner Wohnung anstarrt, kommt nicht so leicht auf neue Ideen. Aus dem Abwägen und Neusortieren der Daten gibt das Unterbewusstsein dann irgendwann eine Intuition frei. Diese kann sich klar und prägnant oder auch zart und unsicher anfühlen.
In der Regel dringt nur das in unser Bewusstsein, was unser Unterbewusstsein als besonders wichtig oder dringend erachtet. Oder wenn es sich um ein unbekanntes Problem handelt, mit dem unser Unterbewusstsein noch nichts anfangen kann. Oder wenn etwas wirklich komplex ist. Eine komplizierte mathematische Formel wird wohl von allen Menschen im Bewusstsein gelöst. Sollte das bei Ihnen anders sein, schreiben Sie mir, ich wäre gespannt, von Ihnen zu lesen.
Der kanadisch-amerikanische Psychiater Eric Berne (1910–1970) betonte immer wieder, dass jeder Mensch dazu in der Lage ist, sein Leben schöpferisch, zuträglich und konstruktiv zu gestalten. Nun macht aber jeder von uns unterschiedliche Erfahrungen im Leben – und nicht alle davon sind auf den ersten Blick beflügelnd. Schon in der Kindheit ergeben sich erhebliche Unterschiede. Während glücklicherweise die meisten Menschen geborgen aufwachsen und ein sogenanntes Urvertrauen entwickeln können, bleiben Kinder, die mit schwierigen Bedingungen zu kämpfen hatten, oft lebenslang misstrauisch. Das trübt dann auch ihre Intuition.
Die Intuition ist nicht unfehlbar oder das ultimative Instrument. Und sie ist schon gar kein magisches Mittel. Sie ist das, was unser System für die höchste Wahrscheinlichkeit hält, basierend auf unserer individuellen Erfahrung. Damit kann sie richtig oder falsch liegen. Deshalb ist es sinnvoll, unsere intuitiven Annahmen mit genügend Zeit immer mal wieder mit dem Intellekt zu überprüfen und zu hinterfragen.
Bis zu 100.000 Entscheidungen treffen wir pro Tag, wobei viele so banal sind, wie was wir gleich essen wollen oder wie wir uns hinsetzen.4 Wer versucht, all diese Dinge möglichst mit der Ratio abzuwägen, bewegt sich eher langsam vom Fleck und kann andere mit seiner zögerlichen Art auch schon einmal auf die Geduldsprobe stellen. Vor allem aber bleibt dann vielleicht nicht mehr ausreichend Zeit und Energie für die Entscheidungen, die wirklich bewusstes Hirnschmalz brauchen.
Der Psychologe Prof. Gerd Gigerenzer argumentiert, dass uns Entscheidungen, die wir aus rein rationalen Beweggründen treffen, oft unglücklich machen. Wer dies tut, ist oftmals auf der Suche nach Perfektion, nach der perfekten Lösung. Weil wir aber nie alle Informationen haben werden und die Zukunft nicht vorhersehen können, ist allein diese Anspruchshaltung zum Scheitern verurteilt. Das Ergebnis wird nie ganz perfekt sein, und wer sich etwas anderes versprochen hatte, reagiert dann enttäuscht. Lassen Sie ein kleines bisschen Luft fürs Leben, damit Dinge geschehen können, wenn Sie sich auf den Weg machen.
Noch handelt es sich bei der Intuition zudem um eine Art Tabuthema, das viele völlig zu Unrecht in die Esoterik-Ecke schieben möchten. »So gut wie jeder Manager und Arzt trifft ständig Bauchentscheidungen, aber man hat Angst, das öffentlich zu sagen. Intuition wird immer noch mit Willkür, einem sechsten Sinn oder weiblicher Natur gleichgesetzt«, schrieb Prof. Gerd Gigerenzer in einer Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts.5 Zeit, die Fahne zu hissen für eines der wichtigsten Instrumente der Macher und Verantwortlichen in unserer Gesellschaft!
Füllen Sie Ihren Wissensspeicher, und trainieren Sie Ihr Einschätzungsvermögen!
Machen Sie mehr aus Ihrem gigantischen Potenzial. Auf je mehr Daten Sie in Ihrem Wissensschatz zugreifen können, desto präziser können Sie verschiedene Situationen einschätzen und reagieren.
➤ Lesen Sie viel, und schauen Sie hochwertige Dokumentationen im Fernsehen oder Internet an!
➤ Beobachten Sie andere Menschen. Nutzen Sie die Zeit in der U-Bahn oder im Café, um dezent die kleinen Gesten und feinen Veränderungen in den Gesichtsausdrücken wahrzunehmen. Wie stehen diese im Verhältnis zu den großen, leicht sichtbaren Handlungen?
➤ Welche Leute an der Bushaltestelle steigen in eine bestimmte Linie? Wohin möchten sie wohl, und was haben sie dort vor?
➤ Schauen Sie sich auf sozialen Netzwerken wie Instagram die Kommentare der Nutzer an, und versuchen Sie, daraus zu folgern, wie deren eigenes Profil wohl aussieht. Welches sind die Themenschwerpunkte, wie präsentiert sich dieser Mensch? Schauen Sie nach, wie präzise Ihre Vorhersage zutrifft!
➤ Schauen Sie sich mit Ihren Eltern oder Großeltern alte Fotoalben an, und treffen Sie dann unbekannterweise Aussagen über deren Freunde auf den Bildern. Lassen Sie sich dann die Geschichten dazu erzählen!
➤ Beobachten Sie bei der Arbeit, wann welcher Kollege das Wort ergreift! Wie reagieren jeweils die anderen?
➤ Wenn Sie den Raum bei einer Party betreten, schauen Sie sich kurz um, und treffen Sie dann Annahmen darüber, wer im Lauf des Abends miteinander plaudern oder flirten wird. Wenn Sie dies öfter machen, wird Ihre Trefferquote immer besser!
Fehlerquellen und Irrwege
Unsere Intuition trifft dann Fehleinschätzungen, wenn eine neue Situation einer anderen auf den ersten Blick zwar sehr ähnelt – sich dann aber doch in entscheidenden Punkten anders gestaltet. Diese Standardmethode unseres Unterbewusstseins, nämlich zu generalisieren, sollten wir im bewussten Hinterkopf behalten, selbst wenn wir glauben, eine bestimmte Situation schon