ist der zweite Schritt im Sterbeprozess. Und dann geht es weiter.
Von dem Sterbenden wird irgendwie die Bereitschaft verlangt, diese Ebene zu verlassen, den Schritt, den Abschied zu vollziehen. Er hat bis zu einem gewissen Grad den freien Willen zu entscheiden, wie und zum Teil auch wann er geht. Der freie Wille wird ihm nicht genommen. Wenn er aber immer Nein sagt, zieht sich das Ganze sehr quälerisch in die Länge – das muss nicht sein, denn irgendwann einmal muss jeder Mensch Ja sagen. Das ist die psychologische Seite, was die Sterbephasen anlangt.
Auf der physischen Ebene geht es darum, dass die Seele und der Körper zwei unterschiedliche Seinsqualitäten haben, die nicht verquickt, sondern nur aneinander gekoppelt sind. Deshalb lösen sich während des Sterbevorganges Seele und Körper langsam voneinander – ohne dass dabei etwas abrupt reißen muss. Wie wird die Seele festgehalten? Man kann sich ein magnetisch wirkendes Feld vorstellen, das durch das kreisende Blut erzeugt wird. Wenn das Blut schnell und stark kreist, wie es bei einem gesunden Menschen der Fall ist, dann ist die Haltekraft zwischen Körper und Seele stark und gut. Wenn aber Herzschlag und Atmung zurückgehen – im Rhythmus und in den Amplituden –, dann wird dieses Feld schwächer.
Die Seele und der Körper haben durch den Artunterschied sozusagen eine Abgrenzung zwischen sich. Sie sind einander zwar noch nah, aber die Seele kann im Sterbeprozess schon eigene Erlebnisse außerhalb des Körpers haben. Sie hat eigene fünf feine Sinne für die Ebene, in der sie später dann dauerhaft sein wird. Und mit diesen Sinnen kann sie auch schon in der Zeit, in der sich die Lockerung vollzieht, im Jenseits erleben – sehen, hören, sprechen, sich austauschen. Es ist ein bisschen so wie eine Pendelbewegung: Mal ist die Seele weiter draußen, dann ist jenseitiges Erleben möglich, danach ist sie wieder enger dem Körper verbunden und die Patienten kommen auch wieder ins Tagbewusstsein. Man kann sie dann fragen, was sie erlebt haben. Dadurch konnte ich wunderbare Dinge erfahren, an die ich sonst nicht herangekommen wäre.
Diese Lockerung zwischen Körper und Seele ist übrigens auch in der Nacht beim Schlaf möglich, und sie geschieht auch. Man nennt den Schlaf nicht umsonst den „kleinen Bruder des Todes“ – und da ist sehr viel dran! Wir üben sozusagen in jeder Nacht unseren Abschied, ohne dass wir es wissen … meistens wissen wir es jedenfalls nicht.
Sie sind von einem Weiterleben nach dem Tod überzeugt. Gibt es aus Ihrer Erfahrung in der Hospizarbeit besondere Erlebnisse, die Sie in dieser Überzeugung bestärkt oder bestätigt haben?
Fuchs:
Es ist sozusagen das Geschenk der Sterbenden an alle Begleitenden, dass sie ihnen zu dieser völligen Überzeugung verhelfen – dass es nahtlos weitergeht. Besonders klar wird das zum Beispiel, wenn die Seele aus dem Körper hinaus schwingt, wenn sich die feinen Sinne öffnen und der Sterbende dann im Jenseits Menschen trifft, mit denen er einst verbunden war. Früher schon verstorbene Verwandte stehen dann oft am Bett, besuchen den Sterbenden, laden ihn manchmal auch ein zum Mit-nach-drüben-Gehen. Das alles bekommt man in der Sterbebegleitung mit – zum Beispiel wenn jemand, der sonst ganz apathisch daliegt, fast nichts mehr spricht, plötzlich mit geschlossenen Augen im Bett hochkommt, die Hände ausstreckt und sie schüttelt, um andere zu begrüßen, Namen nennt und sich dann in hohem Sprechtempo voller Freude unterhält.
Diese strahlende Freude im Gesicht, dass da jemand da ist, mit dem der Sterbende viel lieber zusammen ist als mit den grobstofflichen Besuchern, das habe ich immer wieder erlebt, es ist so wunderbar!
Und dann, wenn diese Phase wieder vorbei ist und die Seele wieder drin ist im Körper, wenn also diese Öffnung nach drüben wieder beendet ist, dann frage ich schon manchmal nach: „Wer hat Sie denn jetzt besucht?“ Oder ich sage: „Wie schön, dass Sie Besuch hatten!“ Ja, und dann erzählen mir die Menschen, um wen es sich handelt, wer da anwesend war – und wir freuen uns! So etwas mitzuerleben, ist absolut überzeugend. Es lässt gar nicht die Möglichkeit zu, dass es anders sein könnte.
Zum Thema Leben nach dem Tod gibt es naturgemäß sehr viele traditionelle religiöse Vorstellungen, zum Beispiel das Bild von der Hölle oder von einem Fegefeuer, durch das der Mensch muss. Solche Bilder verstärken oft die Angst vor dem Sterben. Auf der anderen Seite berichten Menschen mit Nahtoderlebnissen – Sie haben es vorhin ja auch schon erwähnt – von einem wunderbaren Licht, in das sie hineingehen dürfen. Wie sieht es denn nach Ihrer Meinung, nach Ihrer persönlichen Erfahrung mit Sterbenden nach dem Tod aus? Was erleben wir? Was erwartet uns in der jenseitigen Welt?
Fuchs:
Nachdem der Geist das Eigentliche ist, das nur temporär den Körper bewohnt, würde ich sagen, dass das Leben nahtlos weitergeht, und zwar mit dem, was wir jetzt das Innenleben nennen …
… die seelische Innenwelt wird also sozusagen zur Außenwelt.
Fuchs:
Ja, genau! Und es geht darum, wie bist du, Mensch, in Deinem Inneren? Diese Frage stellt sich für jeden Sterbenden. Was ist deine Vorstellung vom Jenseits? Jeder wird das antreffen, was er an Bildern in sich trägt. Wenn er keine Vorstellung von dem Jenseits hat und glaubt, dass es nach dem Tod nichts gibt, wird er zunächst einmal dieses Schwarz, dieses Dunkel antreffen. Erst im Lauf der Zeit wird er merken: Ich sehe zwar nichts, ich höre nichts, aber ich bin doch lebendig. Und alles ist anders. Dann muss er sich davon überzeugen, dass er mit seiner Meinung, danach würde „nichts“ kommen, völlig falsche Erwartungen hatte. Dieser oft lange und bittere Erkenntnisprozess wäre nicht nötig, denn man kann das Wichtigste über das Leben nach dem Leben jetzt hier schon wissen. Jede Seele erlebt genau die Ebene, die Umwelt, die Umgebung, die Landschaft, die ihrer inneren Gleichart entspricht.
Sie wird auch mit Menschen zusammentreffen, die genau so sind wie sie selbst. Wenn jemand also gern im Jenseits mit lieben Menschen beieinander sein möchte, dann wird er auch selbst hier im Diesseits entsprechend leben müssen, um dieses Geschenk zu bekommen. Wenn jemand aber in irgendeiner Weise sehr übel ist, anderen Menschen und dem Leben gegenüber, dann wird er in der jenseitigen Welt entsprechend das Gleiche antreffen, und das kann wie eine Hölle sein. Aber bestimmte, fest gefügte Orte, wie man sie aus religiösen Vorstellungen kennt – die Hölle als Ort, wo die ganz Bösen hin müssen, oder das Fegefeuer, wo die hinkommen, die nicht ganz so schlimm waren – solche Orte existieren für mich nicht. Denn es wäre auch sehr ungerecht, wenn die Menschen in so grober Art eingeteilt würden.
Das Leben und die Gesetze in der Schöpfung sind so fein abgestimmt, dass sich alles in absoluter Gerechtigkeit von selbst regelt. Nach dem Übergang werde ich in die Ebene geleitet, die mir zukommt. Es braucht gar niemanden zu geben, der mich da hinführt, wie Platon es im Phaidon beschreibt. Ich werde in die entsprechende Ebene hingezogen – auf Grund der Anziehung der Gleichart. Und das ist gerecht. Denn ich kann durch meine Lebensführung ja bestimmen: Wie bin ich? Wie ist meine Innenwelt?
Es kann mich also nach dem Tod, wie ich schon erwähnt habe, Schlimmes erwarten, es kann tatsächlich brennen wie Feuer – zum Beispiel auf Grund der Reue, die ich wegen versäumter Gelegenheiten empfinde oder wegen übler Taten und Aussagen, weil ich zum Beispiel jemanden schlecht behandelt habe.
Das ist auch etwas, was jedem Menschen im Sterbeprozess ganz deutlich gezeigt wird: Er sieht seinen sogenannten Lebensfilm, der ihm aber nicht nur zeigt, was er gesagt oder getan hat, sondern ihn auch miterleben lässt, was seine Handlungen beim anderen bewirkt haben, wie sehr er jemanden zum Beispiel durch Nichtachtung oder durch harsches Verhalten verletzt hat. Das alles wird dem Sterbenden jetzt bewusst. Man kann sich natürlich fragen: Warum sehen wir die Dinge im aktuellen Zustand nicht? Warum weiß es aber die Seele und bringt es am Ende des irdischen Lebens an die Oberfläche?
Vielleicht wüssten wir das Wesentliche, wenn wir einfach auf die sogenannte Stimme des Gewissens hören könnten …
Fuchs:
Ja. Für mich zeigt es, dass unser Seelenkörper ein wunderbarer Speicher für alles Erlebte ist, auch wenn es der Verstand nicht aufgenommen hat. Erst im Sterbeprozess kommen viele Dinge sehr quälend hoch – und dann kann Reue wirklich wie Feuer brennen!
Zusammenfassend