Ein Elektronenmikroskop brauch ich doch eigentlich nicht, das müsste ich doch alles auch so sehen können. Wie viele Quarks passen denn auf eine Nadelspitze?
Der Laptop krepierte beim Versuch, dies zu errechnen. Quarks waren die kleinsten bewiesenen Teilchen.
Martin: Diese Spartikel sollen ja größer sein, und das, was ich da herausbekomme, müsste ja auch irgendwie auffallen. Das Platzproblem muss ich auch noch lösen – ah, ich hab’s!
Ein Teilchenbeschleuniger war eigentlich rund.
Martins Plan basierte auf Blasinstrumenten. In ihnen war nur der Weg wichtig und nicht die Form des Weges. Seine Gedanken drehten sich eher in Richtung Alchemie als in Richtung Wissenschaft. Das Platzproblem bestand nur aufgrund des Wagens in der Garage. Das Einzige, was ihm sonst noch als Ort zur Verfügung stand, war seine Wohnung, mit einem Einrichtungsmix aus westlichem und östlichem Stil. Für einen Europäer war es beispielsweise wichtig, dass das Außen der Behausung gut aussah, für einen Koreaner hingegen zählten die inneren Werte. Ihm war beides scheißegal. Zwei Dinge zeigten dies deutlich: der Kaktus, den er niemals goss, er zog die Feuchtigkeit wohl aus der Luft, und der Kalender, den er erfunden hatte, aus Klebeband, die vielseitigste Entdeckung der Menschheit. Man konnte den Tag am Gelbton der Tapete ablesen. Es wurde einfach jeden Tag ein Stück abgezogen. Das Muster mit den kleinen Quadraten, das so entstand, erinnerte an die Tarnfarbe des Leopard 2 PSO, das war ein hochmoderner Kampfpanzer.
Aber er war weder ein Messie noch ein Mietnomade. Die Wohnung bot noch eine Menge an Platz. Nach der Aufstellung der Stückliste – Magnete, Vakuumröhre und Kollisionskammer – kam die Materialbeschaffung. Sperrmüll, wo er bereits einen Laptop gefunden hatte und noch einen weiteren fand, und Schrottplätze, wo er eine gut erhaltene Röhre, oder besser einen Schlauch mit Mettalarmierung, aufspürte. Von einer Schulauflösung nahm er sich gleich einen Karton scheinbar unbenutzter Erlenmeyerkolben mit.
Magneten aus Radios, Mikrochipschrott als Supraleiterersatz. Und in den Wochen und Monaten war er immer davon überzeugt, das alles würde ein Teilchenbeschleuniger werden.
Martin: Das Ding muss wahrscheinlich gekühlt werden.
Dazu wurde ein alter Feuerlöscher verwendet, den er sich immer wieder von der Feuerwehr auffüllen ließ. Dann wurde der Kühlschrank dafür geopfert. Bei dieser Aktion hoffte der Amateur bereits auf das surrende Geräusch, das er aus den Fernseh-Dokus kannte. Aber Löten machte ihm immer noch Spaß. Er nahm einen Job als Zeitungsjunge an, so entging er den kontraproduktiven Vermittlungsversuchen der Arbeitsagentur.
Nägel gerade klopfen, da der Sinn der Arbeiten, die er so tat, sich wohl seiner etwas niedrigen Bewusstseinsebene entzog. Die Stellenangebote, die er vom Amt bekam, passten nie. Sie wanderten direkt in den Papiermüll. Nicht, weil er die Chance nicht nutzen wollte, der Meinungswechsels von Seiten des Chefs. Es handelte sich um die Weisheit eines Mannes, der ganz sicher einen höheren Bewusstseinszustand hatte: Haki, er war Taxifahrer.
Haki: Wohin soll es denn gehen?
Martin: Wenn es eine Möglichkeit gibt, ohne über die Grenze zu fahren von diesem Kuhdorf zum Bahnhof zu gelangen, dann dahin.
Haki: Wir haben aber eine Laune!
Martin: Ich bin seit drei Uhr auf den Beinen, weil da der einzige Bus fährt, der mich zumindest in die Nähe einer Arbeitsstelle bringt, die bereits vergeben ist, für die ich nicht qualifiziert bin, die kurz vor der Pleite steht und bei der der Chef mich weitere drei Stunden warten lässt.
Haki: Und da stellt der Chef noch an?
Martin: Nein, das Arbeitsamt. Ein Ein-Euro-Job. Theoretisch müsste ich auch noch auf meinen Arbeitsberater warten, der mit dem Chef verwandt ist. Ist sein Schwager. Ich bin jetzt weg hier. Als ich gefragt habe, wo es hier etwas zu essen gibt, haben die gesagt, dass übermorgen der mobile Inselfleischer kommt. Der hat nur rohes Fleisch.
Haki: Aber gutes!
Martin: Passen Sie auf, das Geld für das Taxi kriege ich mit Sicherheit von keiner Stelle erstattet, weil der vom Arbeitsamt mich auf Verdacht in die Pampa geschickt hat.
Haki: Drei Worte genügen: Runter von Rügen.
Als Zeitungsjunge konnte man spazieren gehen, nachdenken, und es war einer der wenigen Jobs außerhalb der Saison. Er wurde in dieser Zeit überhaupt sehr nachdenklich. Er hütete sein Geheimnis.
Es war eher Modellbau, ein Hobby wie Eisenbahn oder Rollenspiele. Martin wäre es mittlerweile egal gewesen, ob der Apparat funktionierte oder nicht. Aber dann, die Maschine sah durchaus nach etwas aus, ein geordnetes Gewirr, das zu einem Viertel in einem Kühlschrank steckte. Es gab ein Geräusch, ein »Plub«.
Martin: Etwas abgebrochen?
Oder das mittlerweile fast perfekte Vakuum der Röhre war nicht mehr, dachte er noch, als er auf der Rückseite des Kühlschrankes sowohl eine Beule als auch eine Delle registrierte. Der Kasten hatte sich auch verzogen. Als er in Gedanken schon begann, einen neuen Kühlschrank zu kalkulieren, zog sich ein Knistern durch die Apparatur. Er dachte sofort an ein Feuer.
Martin: Tu das nicht!
Er kappte die Stromversorgung des Apparates, worauf das moderne Kunstwerk an die Decke sprang, ohne das geringste Geräusch, und danach wieder den Boden berührte. Kreidebleich öffnete er langsam die Tür des Kühlschranks. Schließlich hätte es ja auch das Vakuum sein können. Wenn nicht, dann das Magnetfeld? Außerdem wollte, nein, musste erkundet werden, welche Auswirkung die Delle, der Verzug und vor allem die Beule auf das eingeschwebte Kühlschrankinnere hatten. Antwort: Keine. Betrachtete man die Sache von innen, war alles absolut unbeschädigt. Zwei Millimeter dickes Blech, außen eine Beule, innen nichts. Dasselbe mit der Delle, was wirklich für Ratlosigkeit sorgte. Zwei bis drei Zentimeter tief. Nachdem erst einmal sichergestellt war, dass keine Gefahr drohte, wanderten die Gedanken von der Unfallversicherung zum Automobilbau.
Martin: Knautschzone!
Er musste erst einmal das Prinzip und den genauen Sachverhalt klären, um an den Kommerz zu denken. Danach ging es an die Ursachenforschung. Der Grund hierfür war Aspirin. Die Firma Bayer ließ nie den eigentlichen Wirkstoff patentieren. Die Folge war, dass andere ohne Abgaben diesen Goldesel melken durften, Milliardenverluste also. Die Anwendungen waren einfacher. Hier waren der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Die Mikrowellenantenne war nach dem Patent auch eine Wettermaschine. Mit Freude fing Martin an, zu spinnen. Die erste Anwendung lag auf der Hand.
Martin: Intelligentes Metall, zum Beispiel in der Robotik.
Die zweite Anwendung steuerte in eine Richtung, die nur wenig gefiel.
Martin: Im Militärwesen.
Beim Katalogisieren und systematischen Testen waren seine Werkzeuge so gut wie wirkungslos. War sein Material so hart?
Martin: Discounter!
Eigentlich waren sie noch in Ordnung, die Bohrmaschine, deren Bohrer nicht einmal warm wurde, geschweige denn dass auf dem Blech irgendeine Schramme zu erkennen war. Das war noch nicht alles. Die gesamte Oberflächenstruktur hatte sich verändert. Der Vergleich zur Lotusblüte drängte sich auf, da selbst Honig davon abperlte oder auch extrahaftender Ofenreiniger. Keines seiner Messgeräte zeigte auch nur halbwegs erklärbare Werte.
Martin: Kein Widerstand auf … lass das mal sechs Meter sein.
Sogar Supraleiter hatten einen Widerstand. Es gab bis jetzt nichts, das eine solche Eigenschaft besaß. Alles schien ganz ohne Strom unter Spannung zu stehen. Nur durch einen Zufall zeigte sich, dass Zigarettenrauch von oben in die Delle zog und unten wieder heraus kam. Dieses Phänomen wurde mittels Wassertropfenversuch untersucht. Zwei so identische Tropfen, wie es dem jetzt tatsächlichen Forscher unter Zuhilfenahme einer Spritze möglich war zu erzeugen, einen neben und einen durch die Delle, brauchten einen identischen Zeitraum für unterschiedliche Strecken. Da die Maschine, durch die Spannung angezeigt, noch zu arbeiten schien, fiel der Beschluss, jedes Teil zu markieren und dieses Knäuel an Rätseln zu demontieren. Nur, um einfach die eigentlich arbeitenden Teile zu entwirren. Dabei sprang die Maschine, das