G. S. Friebel

Tränen einer Braut: 3 Romane


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      Sie hatten sich erst furchtbar aufgeregt. Die kleinen »Strichmiezen« wollten keinen Zuhälter haben. Albert beschwatzte sie, dass er ja gar keiner sei, er dächte nur an ihr Wohl. Die anderen würden sie doch nur ausnehmen.

      Das stimmte, denn sobald sie ein wenig Geld in der Tasche hatten, waren sie spendabel. Alles trank mit, aber wenn sie dann blank waren, warf man sie hinaus.

      Anke und Lola waren die ersten Mädchen, die für ihn standen. Das waren also pro Nacht tausend Mark. Essen und Trinken für die beiden fiel so nebenbei ab. Und das Zimmer oben unter dem Dach stand ohnehin leer. Heute Morgen hatte er zwei Feldbetten, einen Schrank und zwei Stühle hinaufgeschafft. Dabei hatte er festgestellt, dass noch Platz für zwei Betten vorhanden war. Er würde also neben der Kneipe ein sehr lukratives Geschäft aufziehen. Sein Traum waren Bars mit viel Plüsch, und darin durften nur die Stardirnen arbeiten. Natürlich mussten sie für ihn anschaffen. Oder zumindest behielt er einen beträchtlichen Teil ihrer Einnahmen einfach ein.

      Der Krieg war schon lange vergessen. An allen Ecken und Enden wurde wieder aufgebaut, und bald würde der Augenblick kommen, wo die Männer wieder so viel verdienten, dass sie sich ihre Späßchen leisten konnten. Und dann musste er, Albert, da sein. Er würde diese Marktlücke schließen und dabei steinreich werden.

      7

      An all das musste er jetzt denken, während er Elvira betrachtete. Sollte er sie vielleicht aus der Küche nach oben in Feldbett Nummer drei verlegen? Aber im gleichen Augenblick erkannte er, dass das ein Fehler wäre, Elvira war eben etwas Besseres. Aber wenn er sie auf den gemeinen Strich schickte, würde es nicht sehr lange dauern, bis sie genauso verkommen war wie ihre Mitschwestern. Außerdem war sie von zu Hause ausgerückt, und bestimmt wurde schon nach ihr gesucht. Die Polizei machte ständig in dieser Gegend Streifen, besonders nachts. Hier in der Küche hatte sie nichts zu suchen.

      Angelernt war sie auch nicht. Sie würde sich also übers Ohr hauen lassen. Und wer weiß, dachte er bei sich, wenn sie draußen herumtippelt, haut sie mir vielleicht ab. Und dann krieg ich wieder Ärger mit den Bullen. Den kann ich im Augenblick wirklich nicht vertragen. Nein, ich muss warten, bis ich mich verändert habe. Wenn ich erst einmal meine erste Bar besitze  und das wird bestimmt schon in einem halben Jahr der Fall sein  dann muss sie dort auf Männerfang gehen.

      Lie-San, der Koch, durchschaute seine Gedanken. Er sagte nur: »Ich brauche diese Hilfe. Sonst ich nicht mehr so gut arbeiten wie früher.«

      »Habe ich denn etwas gesagt?«, entgegnete Albert wütend.

      »Schon gut, wollte nur noch mal erinnern«, sagte der Chinese.

      Elvira verstand nichts mehr.

      Albert wandte sich an das Mädchen. »Vorläufig gehst du nicht raus. Ist das klar?«

      »Aber warum denn nicht«, stotterte sie verlegen.

      »Weil dich die Bullen bestimmt suchen werden.«

      Sie biss sich auf die Lippen. Inzwischen mussten die Eltern schon ihren Brief gefunden haben. Und wie sie ihren Vater kannte, würde er wirklich sofort zur Polizei gehen. Elvira wusste auch: Wenn man sie fand und zurückbrachte  denn sie war ja noch nicht mündig  dann würde sie bis zu ihrer Volljährigkeit nicht mehr allein ausgehen dürfen. Man würde sie wie ein Hündchen an die Kette legen, mit anderen Worten, man wollte sie vor Unheil bewahren und schützen. Die Welt war ja so grausam für kleine Mädchen. Wie oft hatte sie diesen Satz schon zu hören bekommen.

      »Und wie lange muss ich mich versteckt halten?«

      »Das weiß ich noch nicht«, sagte Albert und erhob sich.

      Elvira und der Koch blieben allein zurück. Und jetzt fing auch Lie-San noch an.

      »Nicht gut gewesen, dass du fortlaufen, wirklich nicht.«

      »Aber ich arbeite doch für Sie. Sie sind doch mit mir zufrieden«, sagte Elvira.

      »Ja, ja, aber dieses sein ein verrufenes Haus. Nicht gut für anständiges Mädchen. Wird noch unglücklich werden. Sehr unklug, wenn fortlaufen. Mädchen gehören zu Hause, zu Vater und Mutter.«

      Elvira wurde zornig.

      »In China mag das der Fall sein, hier aber nicht«, sagte sie hochmütig.

      Der Koch sah sie nur mitleidig an, dann sagte er: »Ich muss jetzt einkaufen gehen.«

      8

      Dann war sie ganz allein in der großen Küche. Sie dachte an Albert. Er gefiel ihr immer mehr. Und sie fühlte, wie ihr Herz raste. Sie war noch nie verliebt gewesen. Vielleicht würde Albert sie auch lieben und heiraten; und dann konnte sie ihre Eltern besuchen und ihnen stolz ihren Mann vorführen.

      Alle Freundinnen würden sie beneiden um einen so wundervollen Mann, zudem war er kein grüner Junge mehr. Pah, dachte sie, Mama mit ihren Reden! Die weiß ja gar nichts, aber bestimmen, das wollen sie, als wenn wir aus Holz wären und nicht aus Fleisch und Blut.

      Um siebzehn Uhr begannen die ersten Vorbereitungen. Am Morgen hatten die Putzfrauen das Lokal gesäubert. Angeekelt schaute Albert auf den Haufen Scherben am Boden. Seine Gäste stapften wie eine Herde Rinder durch die Gegend und wenn es ihnen passte, schlugen sie alles kurz und klein.

      Bald würde er dies alles hinter sich lassen. Das war so gewiss wie das Amen in der Kirche. Kaum hatte er das gedacht, da kamen schon die Brüder und Schwestern von der Heilsarmee und postierten sich vor seiner Kneipe auf. Und er durfte sie nicht mal vertreiben.

      In der Küche arbeiteten Lie-San und Elvira. Immer wieder tauchte Albert auf. Aber bald merkte das Mädchen, dass dieses Arbeiten schrecklich anstrengend war. Wie gern wäre sie jetzt in ihr Zimmer gegangen und hätte sich ausgeruht. Und dabei war noch nicht einmal Mitternacht vorüber. Der ganze Budenzauber zog sich bis drei, vier Uhr hin.

      Der Koch munterte sie immer wieder auf.

      »Alles Gewöhnung, bald nix mehr merken.«

      »Dann bin ich schon gestorben«, stöhnte sie.

      »So schnell nicht«, lachte er sie an. »Ich mache das schon viel Jahre und auch noch nicht tot.«

      Elvira dachte: Ich will nicht den Rest meines Lebens in dieser Küche verbringen. Wenn ich doch vorn bedienen dürfte, das wäre wenigstens lustig. Sie lachen dort drin so viel, und alle haben ihren Spaß. Warum lässt mich Albert das nicht tun? Wenn die Polizei kommt, dann kann ich mich ja schnell verstecken. Morgen werde ich mit ihm darüber reden, ganz bestimmt.

      9

      Dann war der Augenblick gekommen, wo sie Schluss machen durfte. Mit letzter Kraft zog sie sich am Geländer treppauf. Mehr tot als lebendig warf sie sich auf das Bett. Vielleicht hatte sie ein paar Minuten so apathisch gelegen, vielleicht auch länger; sie konnte es nicht mehr sagen. Und überhaupt spielte das gar keine Rolle. Plötzlich wurde ihre Tür aufgestoßen, und Albert stand im Morgenmantel neben ihrem Bett.

      Verblüfft sah sie ihn an.

      »Los, mach Platz!«

      »Wie?«

      »Du sollst zur Seite rücken!«

      »Aber warum denn?«, stotterte sie.

      »Weil ich mit dir schlafen will, darum.«

      Ihre Kehle war im ersten Augenblick wie zugeschnürt. Sie konnte ihn nur anstarren.

      »Albert«, flüsterte sie dann erschrocken, »Ich ...«

      Er hatte schon den Bademantel ausgezogen, und jetzt sah sie, dass er vollkommen nackt war. Sie hatte in ihrem Leben noch nie einen nackten Mann gesehen, und daher erschrak sie ziemlich heftig. Aber er kümmerte sich nicht darum, riss ihr die Bettdecke weg  und bevor sie überhaupt an Abwehr denken konnte, hatte er ihr auch schon das Nachthemd abgestreift.

      Befriedigt sah er sie an.

      »Das hab ich mir gedacht«,