G. S. Friebel

Tränen einer Braut: 3 Romane


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selten wieder zurück ins bürgerliche Leben.

      Wenn eine Dirne sich nicht mehr pflegte, wenn sie also aufhörte, ein betörendes berückendes Mädchen zu sein, landete sie in der Absteige. War sie dort auch keine gute Nutte mehr, dann wurde sie kurzerhand hinausgeworfen, und sie endete in der Gosse.

      Nach ein paar Jahren  Patrick war jetzt sechs Jahre alt und würde in wenigen Wochen in die Schweiz kommen, hatte sich Albert seinen Platz erobert. Man kannte und fürchtete ihn. Aber wie gesagt, die Polizei konnte ihm nie etwas nachsagen. Sie wusste auch, dass er nur anständige Häuser führte.

      Wenn auch seine Preise in den Nachtclubs unheimlich hoch waren, standen sie doch auf der Karte, groß und klar zu lesen. Keiner konnte sich also geneppt fühlen. Wer es sich nicht leisten konnte, der hatte in seinem kleinen Imperium nichts zu suchen.

      Eines aber hatte Albert mit der Zeit begriffen: Um wirklich ganz hoch oben zu stehen, bedurfte es noch mehr als Geld: gutes Benehmen. Von Hause aus hatte er es nicht mitbekommen. Allgemeinwissen, gute Tischsitten, Höflichkeitsformen, all das kannte er nicht. Mühselig musste er sich das aneignen.

      Und oft wandte er es dann auch noch verkehrt an. Er wusste nicht, wen er fragen sollte. Seine windigen Geschäftsfreunde würden über ihn lachen, wenn er sie um Rat fragte.

      Patrick bekam dies alles vom ersten Augenblick an mit. Er würde sich eines Tages wie ein Weltmann zwischen diesen Größen bewegen könne: leicht, sicher, arrogant. Albert musste mit den Zähnen knirschen, wenn er nur daran dachte, dass man sich vielleicht hinter seinem Rücken über ihn lustig machte. Sein Geld wollten sie aber, buckelten vor ihm.

      Jemand hätte ihm dies alles beibringen können: Elvira! Sie war ja aus gutbürgerlichem Hause gekommen. Alles hätte er sie fragen können. Sie hätte etwas aus ihm machen können. Oft kamen Stunden, in denen er sich selbst verfluchte. Damals war er tollwütig und dumm gewesen. Er hatte sich nur rächen wollen und sonst gar nichts gekannt. Sie hatte ihn wirklich geliebt.

      Hätte er sie nur ein klein wenig anständig behandelt, dann hätte sie sich nicht das Leben genommen. Sie hätte jetzt an seiner Seite gestanden. Elvira war ein kluges Mädchen gewesen. Uber alles hatte sie Bescheid gewusst, auch über das vertrackte Bankwesen. Sie hatte ja in einer Bank gelernt. Auf sie hätte er sich hundertprozentig verlassen können. Sie hätte ihn nicht betrogen, denn sie war ja seine Frau gewesen.

      Und sie hätte sich die ganze Zeit um Patrick kümmern können, er hätte ihn nicht ins Heim zu geben brauchen.

      Jetzt, wo er auf die Vierzig zuging, wusste er, dass er damals den größten Fehler seines Lebens gemacht hatte. Und den konnte er nicht mehr rückgängig machen. Nie mehr!

      18

      Albert brachte also seinen sechsjährigen Sohn in die Schweiz. Patrick hielt seinen Vater für so etwas wie einen Weihnachtsmann. Regelmäßig besuchte Albert ihn in seinen Ferien. Nach Hamburg wollte er ihn erst später wieder mitnehmen. Außerdem brauchte er auch selbst Urlaub. Die Arbeit war anstrengend, und meistens musste er sich die Nächte um die Ohren schlagen. Als Patrick zehn Jahre alt war, begann sein Vater mit dem Bau einer pompösen Villa. Sie hatte sieben Zimmer, Schwimmhalle, Sauna, einen Partykeller, Kaminzimmer, und damit es recht nobel aussah, auch so etwas wie eine Bibliothek. Von den Büchern hatte er keines gelesen.

      Patrick war ein Musterschüler und hatte hervorragende Zeugnisse. Er ritt, spielte Tennis, und später würde er ihm auch noch ein Segelflugzeug kaufen. Sein Sohn sollte alles bekommen, was auch die Söhne vornehmer Eltern in dem Internat hatten, von einem viel zu großzügigen Taschengeld ganz abgesehen. Patrick selbst wollte das eigentlich gar nicht alles haben. Im Grunde genommen war er sehr einsam und äußerst sensibel. Er hatte nie eine Mutter gehabt. Immer waren es Fremde gewesen, die sich um ihn gekümmert hatten. Was Liebe wirklich bedeutete, wusste der Junge überhaupt nicht. Und ein richtiges Zuhause hatte er auch noch nie besessen. War sein Vater bei ihm, dann lebten sie in Hotels, unternahmen Reisen. Aber immer lebten sie hektisch. Immer mussten sie etwas erleben, glänzen.

      Dabei fühlte der Junge sich gar nicht glücklich. Und wenn er danach fragte, wann er denn endlich einmal nach Hause kommen dürfe, vertröstete der Vater ihn immer wieder.

      »Das Haus ist noch nicht fertig. Bald.  Wenn du dein Abitur gemacht hast.«

      Patrick glaubte seinem Vater.

      Albert war ein mittelgroßer Mann mit zerfurchtem, grauem Gesicht. Das er wenig Sonne bekam, machte sich natürlich bemerkbar. Er hatte immer noch dunkles Haar, das sich jetzt lichtete und vor dem Bauch baumelte stets eine schwere Goldkette. Alles an ihm war gut und teuer.

      Er hatte sich jetzt sein Imperium aufgebaut, schwamm in Geld und konnte sich alles leisten, wonach sein Sinn stand. Aber er raffte immer weiter. So viele Jahre hatte er es getan, er konnte einfach nicht anders.

      Von der alten Garde war nur Lie-San übrig geblieben. Er war es auch, der von Patrick wusste. Ihm erzählte er stets stolz von den Preisen, die der Junge bei Schülerwettbewerben gewann.

      »Wenn er nach Hause kommt, werde ich wahrscheinlich alles einem Geschäftsführer überlassen. Was meinst du Lie-San?«

      »Wieso?«

      »Na ja, ich meine der Junge, ich weiß nicht ...«

      »Er könnte sich daran stoßen?«

      »Ja. Er soll stolz auf mich sein.«

      Lie-San schaute ihn nur kurz an. Wie immer konnte man in seinem Gesicht nicht lesen.

      »Stolz?«, sagte er verächtlich. »Seine Fehler kann man mit Geld nicht zudecken.«

      Albert wurde rot, wurde wütend.

      »Nimm dich in Acht!«

      In all den Jahren hatte Lie-San ihm immer die Wahrheit ins Gesicht gesagt, und Albert hatte ihm immer gedroht. Er machte sich nichts daraus.

      Und dann trat Senida in Alberts Leben.

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